Short Selling hat in der Finanzgeschichte immer wieder eine zentrale Rolle gespielt – sei es als Mittel zur Spekulation, zur Absicherung oder zur Aufdeckung von Betrug. Einige der bekanntesten Fälle zeigen eindrucksvoll die Chancen und Risiken dieser Strategie. Besonders spektakulär sind Ereignisse wie der GameStop-Short Squeeze von 2021 oder der VW-Short Squeeze von 2008, bei denen Short Seller riesige Verluste erlitten. Andere Beispiele, wie George Soros‘ Wette gegen das britische Pfund oder die Enthüllungen von Enron und Wirecard, zeigen, wie Short Selling dazu beitragen kann, wirtschaftliche Fehlentwicklungen und Finanzskandale aufzudecken.
Einer der spektakulärsten Short Squeezes der jüngeren Finanzgeschichte ereignete sich im Januar 2021 mit der Aktie von GameStop (GME). Hedgefonds hatten massiv auf einen Kursverfall des Einzelhändlers für Videospiele gesetzt, da das Unternehmen wirtschaftlich angeschlagen war. Doch eine Gruppe von privaten Investoren, organisiert über das Reddit-Forum „WallStreetBets“, erkannte die hohe Short-Quote und begann, GameStop-Aktien in großen Mengen zu kaufen.
Da Short Seller irgendwann gezwungen sind, ihre Positionen zu schließen, wenn der Kurs steigt, löste dies eine Kettenreaktion aus: Je mehr der Kurs stieg, desto mehr mussten Short Seller die Aktie zurückkaufen, was den Preis weiter nach oben trieb. Innerhalb weniger Tage explodierte der Kurs von unter 20 US-Dollar auf über 400 US-Dollar.
Einige große Hedgefonds, darunter Melvin Capital, erlitten durch den Short Squeeze Verluste in Milliardenhöhe. Die Ereignisse führten zu einer intensiven Debatte über die Macht privater Anleger und die Risiken von Short Selling. Die US-Börsenaufsicht SEC untersuchte den Fall, während Handelsplattformen wie Robinhood den Kauf von GameStop-Aktien vorübergehend einschränkten – eine Entscheidung, die für große Kontroversen sorgte.
Ein weiteres legendäres Beispiel für einen Short Squeeze ereignete sich im Oktober 2008 mit der Aktie von Volkswagen (VW). Viele Investoren wetteten damals darauf, dass der Kurs der VW-Aktie fallen würde, da sich die weltweite Finanzkrise verschärfte und die Automobilbranche stark unter Druck geriet.
Was die Short Seller jedoch nicht wussten: Der Sportwagenhersteller Porsche hatte sich heimlich einen Mehrheitsanteil an Volkswagen gesichert – teils über direkte Aktienkäufe, teils über komplexe Derivatgeschäfte. Als Porsche am 26. Oktober 2008 öffentlich machte, dass es bereits 74,1 Prozent der VW-Aktien kontrollierte, gab es nur noch wenige frei handelbare Aktien für Short Seller, die ihre Positionen schließen mussten.
Die Folge war ein beispielloser Kursanstieg: Innerhalb weniger Tage schoss die VW-Aktie von rund 200 Euro auf über 1.000 Euro, was sie kurzzeitig zum wertvollsten Unternehmen der Welt machte. Hedgefonds und andere Short Seller verloren Milliarden, während Porsche durch den Anstieg hohe Buchgewinne erzielte.
Ein besonders berühmter Short Trade wurde 1992 von George Soros durchgeführt, als er mit seinem Hedgefonds Quantum Fund gegen das britische Pfund wettete.
Hintergrund war das europäische Wechselkursmechanismus-System (ERM), das vorsah, dass das britische Pfund innerhalb einer bestimmten Bandbreite zum Deutschen Mark gehalten werden musste. Doch die britische Wirtschaft kämpfte mit hohen Zinsen und einer schwachen Konjunktur, weshalb viele Investoren daran zweifelten, dass die britische Regierung den Wechselkurs aufrechterhalten konnte.
Soros erkannte diese Schwäche und baute eine massive Short-Position gegen das britische Pfund auf, indem er Milliarden an Pfund verkaufte und stattdessen stärkere Währungen kaufte. Als sich der Druck auf die Bank of England erhöhte, musste sie entweder die Zinsen weiter anheben oder das Pfund abwerten.
Am 16. September 1992, dem sogenannten „Black Wednesday“, gab die britische Regierung nach und verließ das ERM. Das Pfund stürzte daraufhin massiv ab, während Soros mit seinem Short Trade geschätzte 1 Milliarde US-Dollar Gewinn machte.
Dieser Fall zeigt eindrucksvoll, wie Short Selling genutzt werden kann, um auf wirtschaftliche Fehlentwicklungen zu wetten – mit enormen finanziellen Auswirkungen für ganze Volkswirtschaften.
Neben Spekulationen und Absicherungen hat Short Selling auch eine wichtige Funktion bei der Aufdeckung von Betrug und Unternehmensskandalen. Zwei besonders prominente Beispiele sind Enron (USA, 2001) und Wirecard (Deutschland, 2020).
Enron (2001): Der Zusammenbruch eines Energie-Giganten
Enron war einst eines der größten Energieunternehmen der Welt, doch Short Seller und Analysten entdeckten Unregelmäßigkeiten in den Finanzberichten. Sie stellten fest, dass Enron riesige Schulden in ausgelagerten Firmen versteckt hatte, um seine Bilanzen künstlich aufzublähen.
Einige Hedgefonds begannen, massiv gegen Enron zu wetten, da sie davon ausgingen, dass die veröffentlichten Zahlen nicht der Realität entsprachen. Als die Betrugsfälle öffentlich wurden, stürzte die Enron-Aktie von über 90 US-Dollar auf unter 1 US-Dollar. Der Fall führte zu einer der größten Insolvenzen der US-Geschichte und zur Einführung strengerer Bilanzierungsvorschriften (Sarbanes-Oxley Act).
Wirecard (2020): Der größte Finanzskandal Deutschlands
Ein ähnlicher Fall ereignete sich fast 20 Jahre später in Deutschland mit Wirecard, einem Zahlungsdienstleister, der jahrelang als eines der größten Tech-Unternehmen des Landes galt.
Schon früh hatten einige Short Seller und Investigativjournalisten Zweifel an den veröffentlichten Geschäftszahlen von Wirecard. Sie stellten fest, dass Milliardenbeträge auf asiatischen Konten fehlten und dass das Unternehmen möglicherweise Erträge fälschte, um seinen Aktienkurs hochzuhalten.
Während viele Investoren die Short Seller anfangs als Marktmanipulatoren kritisierten, stellte sich letztlich heraus, dass sie recht hatten: Im Juni 2020 musste Wirecard einräumen, dass 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz nicht existierten. Der Aktienkurs brach daraufhin von über 100 Euro auf nahezu 0 Euro ein, und das Unternehmen meldete Insolvenz an.
Dieser Fall zeigt, dass Short Seller eine wichtige Rolle bei der Enthüllung von Finanzskandalen spielen können. Durch intensive Recherche und kritische Analysen tragen sie dazu bei, betrügerische Unternehmen aufzudecken und Anleger vor massiven Verlusten zu schützen.
Während das klassische Short Selling eine direkte Möglichkeit bietet, von fallenden Kursen zu profitieren, ist es mit hohen Risiken und Kosten verbunden. Glücklicherweise gibt es verschiedene Alternativen, die Investoren nutzen können, um auf fallende Kurse zu spekulieren oder ihre Portfolios abzusichern. Dazu gehören Put-Optionen, inverse ETFs und die sogenannte Pairs-Trading-Strategie. Diese Methoden bieten ähnliche Vorteile wie das klassische Short Selling, können jedoch in manchen Fällen ein geringeres Risiko oder eine einfachere Umsetzung ermöglichen.
Eine der bekanntesten Alternativen zum klassischen Short Selling sind Put-Optionen. Eine Put-Option ist ein Finanzderivat, das dem Käufer das Recht, aber nicht die Verpflichtung gibt, eine Aktie zu einem vorher festgelegten Preis (Strike-Preis) innerhalb einer bestimmten Zeit zu verkaufen.
Vorteile von Put-Optionen:
✔ Begrenztes Verlustrisiko: Der maximale Verlust ist auf die gezahlte Prämie für die Option beschränkt, während Short Selling unbegrenzte Verluste mit sich bringen kann.
✔ Hebelwirkung: Mit einem vergleichsweise geringen Kapitaleinsatz können hohe Gewinne erzielt werden, wenn der Kurs stark fällt.
✔ Keine Notwendigkeit einer Aktienleihe: Im Gegensatz zu Short Selling ist es nicht erforderlich, Aktien von einem Broker zu leihen, was Gebühren und regulatorische Anforderungen reduziert.
Nachteile von Put-Optionen:
✖ Zeitlicher Verfall: Optionen haben eine begrenzte Laufzeit. Wenn der Kurs nicht innerhalb der Frist fällt, kann die Option wertlos verfallen.
✖ Komplexität: Optionen sind komplizierter als direkte Aktiengeschäfte und erfordern ein gewisses Maß an Erfahrung im Optionshandel.
Beispiel: Ein Investor erwartet, dass die Aktie von Unternehmen X, die aktuell bei 100 Euro steht, in den nächsten drei Monaten fallen wird. Er kauft eine Put-Option mit einem Strike-Preis von 90 Euro und einer Prämie von 5 Euro. Fällt die Aktie auf 80 Euro, kann er sie für 90 Euro verkaufen, was ihm einen Gewinn von 5 Euro pro Aktie (abzüglich der Prämie) einbringt. Steigt die Aktie hingegen, verfällt die Option, und der Investor verliert nur die Prämie von 5 Euro.
Eine weitere Alternative zum Short Selling sind inverse ETFs (Exchange Traded Funds). Diese speziellen Fonds sind darauf ausgelegt, die entgegengesetzte Performance eines bestimmten Index oder Marktes nachzubilden.
Funktionsweise eines inversen ETFs:
Vorteile von inversen ETFs:
✔ Einfach zu handeln: Inverse ETFs können wie normale Aktien oder ETFs an der Börse gekauft und verkauft werden.
✔ Kein Margin-Konto erforderlich: Im Gegensatz zu Short Selling sind keine Leerverkäufe oder Margin-Konten notwendig.
✔ Diversifizierung: Anstatt auf eine einzelne Aktie zu setzen, kann ein inverser ETF das gesamte Marktumfeld abdecken.
Nachteile von inversen ETFs:
✖ Kosten und Gebühren: Viele inverse ETFs haben höhere Verwaltungskosten als herkömmliche ETFs.
✖ Tracking-Fehler: Aufgrund von täglicher Neugewichtung kann die Performance eines inversen ETFs über längere Zeiträume von der tatsächlichen Marktentwicklung abweichen.
✖ Nicht für langfristige Investments geeignet: Inverse ETFs sind für kurzfristige Spekulationen gedacht. Über längere Zeiträume können sie durch tägliche Anpassungen an Wert verlieren, selbst wenn der Markt fällt.
Beispiel: Ein Anleger, der auf einen fallenden S&P 500 setzt, könnte einen inversen S&P 500-ETF kaufen. Wenn der S&P 500 um 2 Prozent fällt, würde der ETF um 2 Prozent steigen und umgekehrt.
Pairs Trading ist eine fortgeschrittene Strategie, die Short Selling mit einer gleichzeitigen Long-Position kombiniert. Dabei werden zwei korrelierte Wertpapiere ausgewählt – eines wird leerverkauft, während das andere gekauft wird.
Beispiel für Pairs Trading:
Ein Investor identifiziert zwei Unternehmen aus derselben Branche, z. B. Tesla (TSLA) und Ford (F). Angenommen, er glaubt, dass Tesla überbewertet ist, während Ford unterbewertet ist. Er könnte:
Wenn sich die Bewertung wieder aneinander angleicht – entweder durch einen Kursrückgang von Tesla oder einen Anstieg von Ford –, würde der Trader Gewinn machen, unabhängig davon, ob der Gesamtmarkt steigt oder fällt.
Vorteile von Pairs Trading:
✔ Marktunabhängige Strategie: Gewinne können erzielt werden, selbst wenn sich der Gesamtmarkt seitwärts bewegt.
✔ Geringeres Risiko: Da eine Long- und eine Short-Position gleichzeitig gehalten werden, können extreme Verluste durch allgemeine Marktschwankungen reduziert werden.
✔ Fundamentalanalyse nutzbar: Diese Strategie eignet sich besonders für Anleger, die sich auf fundamentale Bewertungen von Unternehmen konzentrieren.
Nachteile von Pairs Trading:
✖ Komplexität: Diese Strategie erfordert eine tiefgehende Analyse der Aktien und ein gutes Verständnis für deren Korrelation.
✖ Hohe Kapitalanforderungen: Da zwei Positionen gleichzeitig eröffnet werden, ist mehr Kapital erforderlich als bei einer einzelnen Short- oder Long-Position.
✖ Timing-Risiko: Selbst wenn eine Aktie überbewertet erscheint, kann es lange dauern, bis der Markt die Fehlbewertung korrigiert.
Short Selling ist eine mächtige, aber riskante Handelsstrategie, die es Investoren ermöglicht, von fallenden Kursen zu profitieren. Während sie für institutionelle Anleger und erfahrene Trader eine wertvolle Möglichkeit darstellt, birgt sie für unerfahrene Anleger erhebliche Gefahren. Neben den unbegrenzten Verlustmöglichkeiten erfordert Short Selling ein gutes Verständnis für Marktmechanismen, eine präzise Risikokontrolle und ein tiefgehendes Wissen über die zugrunde liegenden Unternehmen oder Märkte.
Obwohl es sich um ein bewährtes Instrument handelt, sollten private Anleger die Risiken sorgfältig abwägen und gegebenenfalls auf Alternativen zum klassischen Short Selling zurückgreifen.
Geeignet für:
Nicht geeignet für:
Short Selling ist eine anspruchsvolle, aber auch riskante Strategie, die es Anlegern ermöglicht, von fallenden Kursen zu profitieren. Während sie für professionelle Investoren ein wertvolles Instrument zur Spekulation oder Absicherung darstellt, kann sie für Privatanleger mit erheblichen Risiken verbunden sein. Besonders das unbegrenzte Verlustpotenzial und die Möglichkeit eines Short Squeeze machen Leerverkäufe zu einer Strategie, die ein hohes Maß an Marktverständnis und Risikomanagement erfordert.
Für erfahrene Investoren kann Short Selling ein effektives Werkzeug sein, um sich gegen Marktabschwünge abzusichern oder überbewertete Aktien zu identifizieren. Gleichzeitig trägt es zur Markteffizienz bei, indem es Fehlbewertungen korrigiert und in manchen Fällen sogar Betrugsfälle aufdeckt.
Für Privatanleger hingegen gibt es oft sinnvollere Alternativen, um auf fallende Kurse zu setzen oder Risiken zu minimieren. Put-Optionen, inverse ETFs und Pairs Trading bieten ähnliche Möglichkeiten, sind jedoch in vielen Fällen sicherer und einfacher zu handhaben. Wer dennoch Short Selling betreiben möchte, sollte sich intensiv mit den Mechanismen auseinandersetzen, eine klare Strategie verfolgen und striktes Risikomanagement betreiben.
Wenn das persönliche Risikoprofil nicht mit den hohen Risiken des Short Sellings übereinstimmt, ist es ratsam, auf traditionellere und sicherere Anlagestrategien zu setzen. Dazu gehören beispielsweise breit diversifizierte ETFs, die langfristig stabile Renditen bieten und weniger aktives Management erfordern. Auch defensive Aktien, Anleihen oder Rohstoffe wie Gold können eine gute Möglichkeit sein, um sich gegen Marktschwankungen abzusichern, ohne das hohe Risiko von Leerverkäufen einzugehen.
Letztlich bleibt Short Selling eine zweischneidige Strategie: Es bietet hohe Gewinnchancen, kann jedoch genauso schnell zu erheblichen Verlusten führen. Anleger sollten daher stets genau abwägen, ob es in ihre persönliche Anlagestrategie passt – oder ob risikoärmere Alternativen die bessere Wahl sind.
Überlegen Sie, ob Sie mit den hohen Risiken von Short Selling umgehen können. Falls nicht, setzen Sie auf sicherere Alternativen wie ETFs oder defensive Anlagen.
Nutzen Sie Stop-Loss-Orders und setzen Sie nur Kapital ein, dessen Verlust Sie verkraften können.
Prüfen Sie weniger riskante Methoden wie Put-Optionen, inverse ETFs oder Pairs Trading, um von fallenden Kursen zu profitieren.
Informieren Sie sich gründlich über Marktmechanismen, regulatorische Vorgaben und potenzielle Risiken, bevor Sie eine Short-Position eingehen.
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