EZB berät über Notkredite

Eurogruppe zieht Treffen zu Griechenland vor

22.06.15 09:46 Uhr

Eurogruppe zieht Treffen zu Griechenland vor | finanzen.net

Die Eurogruppe hat den Beginn ihres Treffens am Montag auf 12.30 Uhr vorgezogen.

Ursprünglich sollten den Beratungen der Euro-Finanzminister über weitere Finanzhilfen und Reformauflagen für Griechenland erst um 15.00 Uhr beginnen. Das Treffen der Staats- und Regierungschefs beginnt dann um 19.00 Uhr. Griechenlands Regierung hat den Gläubigern des Landes eine neue Liste mit Reformvorschlägen vorgelegt. Damit unternimmt das Land einen letzten verzweifelten Versuch, einen Bruch mit dem Rest Europas zu verhindern, der Zahlungsunfähigkeit und Kapitalverkehrskontrollen zur Folge haben könnte.

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Der jüngste Vorschlag Athens sieht Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen vor, um die von den Gläubigern geforderten Budgetziele zu erfüllen. Sowohl griechische als auch europäische Vertreter bezeichneten die Vorschläge am Wochenende als möglicherweise letzte Chance des Landes, an die noch ausstehenden und dringend erforderlichen Gelder zu kommen und das Reformprogramm am Leben zu erhalten.

Griechenlands Konfrontation mit seinen Hauptgläubigern - der Rest der Eurozone und der Internationale Währungsfonds - erreicht nach Monaten von gegenseitigen Schuldzuweisungen einen entscheidenden Punkt. Fünf Jahre nach der ersten Geldspritze steht das Land näher als je zuvor vor der Pleite und dem Ausscheiden aus der Eurozone.

Sollte beim Sondergipfel der Eurozone am Montag keine Einigung erzielt werden, so wäre das Land auf dem Weg in die Zahlungsunfähigkeit und den Grexit, warnten hochrangige Vertreter Europas in den vergangenen Tagen. Ohne einen Deal bliebe Griechenland kaum noch Zeit, sich neue Gelder für die Ende des Monats fälligen Schuldenzahlungen zu beschaffen.

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Entscheidend für die Stimmung bei den Gesprächen am Montag ist, ob die neuen Vorschläge Athens die Vertreter des Internationalen Währungsfonds, der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) zufriedenstellen. Sollten die drei Institutionen, die das Rettungsprogramm des Landes überwachen, Griechenland die Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern nicht abnehmen, so müssten die Eurozone-Chefs und die Finanzminister diskutieren, wie sie mit den Folgen eines Staatsbankrotts umgehen, warnten hochrangige Vertreter Europas.

Zuversicht verbreitete am späten Sonntag der deutsche Kabinettschef von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Martin Selmayr. Er bezeichnete die neuen Vorschläge der griechischen Regierung zur Beilegung des Schuldenstreits als "gute Grundlage für Fortschritte beim EU-Sondergipfel" am Montag. Von den Kontrolleuren der griechischen Reformen hat sich die Kommission zuletzt als die am entgegenkommendste Institution erwiesen.

Griechenland braucht dringend finanzielle Hilfe. Am 30. Juni läuft eine Frist ab, bis zu der das Land 1,54 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen muss. Ohne eine Einigung würde dann der Anteil der Eurozone am gesamten Rettungsprogramm für Griechenland über 245 Milliarden Euro auslaufen. Damit wäre fraglich, wie Griechenland im Juli und August fällige Anleihen in Händen der EZB über 6,7 Milliarden Euro zurückzahlen will.

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Die EZB verliert unterdessen die Geduld mit Griechenland, vor allem die Hinhaltetaktik der vergangenen Monate stößt auf Ablehnung, wie mit der Sache vertraute Personen sagten. Die griechische Zentralbank, Mitglied der EZB, hat die Banken des Landes mit Notkrediten versorgt, um die massiven Geldabflüsse abzupuffern. Die Geldabflüsse haben sich in diesem Monat beschleunigt und nahezu 1 Milliarde Euro pro Tag erreicht - ausgelöst durch die wachsende Unsicherheit über die Zukunft des Landes.

Die EZB, die die Notkreditversorgung der Banken des Landes genehmigen muss, war dazu bereit, solange es Fortschritt bei den Verhandlungen zwischen Athen und seinen Gläubigern gab. Doch der Widerstand Griechenlands gegenüber den am 3. Juni von den Gläubigern gemachten "nahezu letztmaligen" Vorschlägen habe die EZB zu einer kritischeren Einstellung bewogen, sagten mit dem Vorgang vertraute Personen.

Sollte am Montag kein Abkommen zustandekommen, so könnte die EZB die Nothilfe schon in dieser Woche einschränken, sagten einige Politiker. Griechenland wäre dann zu Kapitalverkehrskontrollen gezwungen - ein weiterer harter Schlag für die ohnehin schwer angeschlagene Wirtschaft.

Zunächst sieht es aber nicht aus, als wolle die EZB den griechischen Banken den Geldhahn zudrehen: Nach Medienberichten berät die Europäische Zentralbank am Montag erneut über eine Ausweitung der Notfinanzierung der griechischen Banken, in der Fachsprache Emergency Liquidity Assistance (ELA) genannt. Erst am Freitag waren die ELA-Notkredite nach Informationen aus Bankenkreisen um 1,8 Milliarden auf 84,1 Milliarden Euro aufgestockt worden, weil besorgte Griechen aus Angst vor einem "Grexit" viel Geld von ihren Konten abheben. Inzwischen seien die täglichen Abhebungen auf über 1 Milliarde Euro gestiegen, hieß es aus Kreisen der griechischen Banken.

Die neuen Vorschläge, denen das griechische Kabinett am Sonntag zugestimmt hat, sehen statt deutlicher Senkung der Pensionen und einer deutlichen Erhöhung der Mehrwertsteuer den Abbau von Ausnahmen im Steuer- und Sozialsystem vor. Zudem sollen die Steuern auf Unternehmensgewinne sowie mittlere Einkommen erhöht werden.

Statt der von den Gläubigern geforderten Reduzierung der Pensionen um rund 1 Prozent des Bruttosozialprodukts will Athen diese um rund 0,5 Prozent senken. Das Loch soll mit anderen Maßnahmen gestopft werden. Griechenland will zudem eine niedrigere Steuer auf Strom als von den Gläubigern gefordert - ein politisch heikles Thema für die regierende Syriza-Partei.

Regierungschef Alexis Tsipras hatte seine Vorschläge für eine "endgültige Lösung" der Schuldenkrise am Sonntag in Telefonaten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatspräsident François Hollande und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker erläutert.

Nach fünf Monaten Konfrontationskurs stehen nun die wichtigsten Entscheidungsträger - Tsipras und Merkel - vor den härtesten Entscheidungen in ihrer Karriere. Tsipras muss am Montag die Spielregeln Europas akzeptieren - Rettung nur im Gegenzug für vereinbarte Reformen - oder diese Regeln ablehnen und damit Deutschland mit den destabilisierenden Konsequenzen eines möglichen Bankrotts und dem Austritt aus dem Euro konfrontieren.

Dabei sieht der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis Bundeskanzlerin Merkel am Zug. Sie habe die Verantwortung für den nächsten Schritt in der Griechenkrise. "Die deutsche Kanzlerin steht am Montag vor einer entscheidenden Wahl", schrieb er in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. "In eine ehrenvolle Einigung einzutreten mit einer Regierung, die die 'Rettungspakete' abgelehnt hat und eine Verhandlungslösung anstrebt. Oder den Sirenen aus ihrer Regierung zu folgen, die sie ermutigen, die einzige griechische Regierung über Bord zu werfen, die prinzipientreu ist und die das griechische Volk mitnehmen kann auf den Pfad der Reform", so Varoufakis: "Diese Wahl, fürchte ich sehr, muss sie treffen."

BRÜSSEL (Dow Jones)

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