Im Auftrag Russlands: Spionageprozess in London endet

07.05.25 05:57 Uhr

LONDON (dpa-AFX) - Abhörgeräte in der Krawatte, undurchsichtige Liebesbeziehungen und ein untergetauchter Österreicher als Verbindungsmann: Die Details aus dem großen britischen Spionageprozess gegen sechs Männer und Frauen, die mutmaßlich von Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek angeleitet für Russland arbeiteten, klingen filmreif. Heute soll in London die Verkündung des Strafmaßes beginnen (bis 12. Mai). Den Angeklagten drohen Haftstrafen von bis zu 14 Jahren.

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Worum geht es in dem Prozess?

Der Gruppe wurde vorgeworfen, über Jahre Spionage für einen feindlichen Staat im großen Stil von britischem Boden aus geplant und durchgeführt zu haben. Es seien Beweismittel in dem Maße gefunden worden, wie man sie sonst nur in einem Spionageroman erwarten würde, sagte der Anti-Terror-Chef der Londoner Polizei, Dominic Murphy, der Nachrichtenagentur PA.

Drei Angeklagte im Alter von 47, 43 und 33 Jahren - darunter der Anführer des Spionagerings - bekannten sich vor bzw. zu Beginn des Prozesses schuldig. Drei weitere im Alter von 39, 33 und 30 Jahren wurden im vergangenen März für schuldig befunden. Sie sind bulgarische Staatsbürger. Ziel der Gruppe war auch eine Luftwaffenbasis in Deutschland.

Es sei eine extrem ausgeklügelte Geheimdienstoperation gewesen, die eine Bedrohung für die nationale Sicherheit und für Einzelpersonen dargestellt habe, sagte Murphy. Wäre die Gruppe nicht verhaftet worden, hätten letztlich Menschenleben auf dem Spiel stehen können, wie es beim Nowitschok-Anschlag 2018 in Salisbury der Fall gewesen sei. Damals waren der übergelaufene russische Agent Sergej Skripal und seine Tochter Julia mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet worden.

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Welche Rolle soll Marsalek gespielt haben?

Der im Skandal um den Finanzdienstleister Wirecard abgetauchte frühere Vertriebsvorstand des Unternehmens wird seit 2020 von Interpol gesucht. Er soll enge Verbindungen zum russischen Militärgeheimdienst GRU haben - und Verbindungsmann des Spionagerings nach Moskau gewesen sein. Im Londoner Prozess ging es um Tausende Nachrichten zwischen dem Anführer der Gruppe und dem Verbindungsmann.

Die Beteiligten gaben sich Spitznamen, wie die Nachrichtenagentur PA berichtete. Der Gruppenanführer und sein Vize nannten sich demnach Jackie Chan und Mad Max. Die weiteren Spione der Gruppe wurden als "Minions" bezeichnet, in Anlehnung an die Filmreihe "Ich - Einfach unverbesserlich". Der Anführer der gelben Fantasiefiguren in den Animationsfilmen heißt - wie der russische Geheimdienst - Gru.

Welche Details wurden im Verlauf des Prozesses offenbart?

Vor Gericht war eine romantische Dreiecksbeziehung innerhalb der Spionagegruppe ein Thema. Einer der Angeklagten wurde bei seiner Verhaftung nackt im Bett mit einer anderen Angeklagten angetroffen, nicht aber an seiner eigentlichen Adresse, wo er mit der zweiten Angeklagten wohnte.

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Eine der Angeklagten sollte den Ausführungen zufolge zudem als sogenannte Honigfalle benutzt werden - als Spionin, die eine Zielperson verführt, um diese erpressen zu können oder an Informationen zu kommen. Die Angeklagte wies das zurück und gab an, benutzt worden zu sein. In den Nachrichten soll zudem offen über den Plan geschrieben worden sein, einen Russland-kritischen Journalisten zu ermorden.

Die Spionageaktivitäten sollen in London sowie in Stuttgart, Wien, Valencia und dem Balkanstaat Montenegro stattgefunden haben. Dafür hätten die Angeklagten beträchtliche Geldsummen erhalten, hatte die Staatsanwältin im Verlauf des Prozesses gesagt. Sky News zufolge wurden bei der Razzia im Versteck der Gruppe unter anderem 495 SIM-Karten gefunden sowie 221 Telefone, 258 Festplatten, 11 Drohnen und Abhörgeräte, versteckt in Alltagsgegenständen - etwa in Spielzeug und Krawatten./mj/DP/zb