Lane: EZB steht vor neuen Herausforderungen
Von Hans Bentzien
DOW JONES--Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Herausforderung durch den jüngsten Inflationsanstieg nach Aussage von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane gemeistert, steht nun aber vor neuen Herausforderungen. Wie Lane in einer Konferenz in London erläuterte, gehören dazu nicht nur die ungewisse Zukunft des Welthandelssystems, sondern auch eine expansivere Fiskalpolitik, der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft und eine verstärkte Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) in der Arbeitswelt.
"Diese Unsicherheit (über das Welthandelssystem) geht über die Kalibrierung neuer Zollregimes hinaus und umfasst die Möglichkeit einer breiteren Palette nichttarifärer Handelshemmnisse, eine tiefere Verflechtung von Wirtschafts- und Sicherheitspolitik sowie mögliche Revisionen bei der Behandlung ausländischer Portfolio- und Direktinvestoren", sagte Lane laut veröffentlichtem Redetext. Zusätzlich zur politischen Unsicherheit blieben geopolitische Spannungen, wie der Krieg Russlands gegen die Ukraine und der tragische Konflikt im Nahen Osten, eine Hauptquelle der Unsicherheit.
"Als Ausdruck dieser Entwicklungen haben wir in diesem Jahr eine hohe Volatilität bei den Energiepreisen und eine erhebliche Neubewertung von Währungen gesehen. Es gab auch eine beträchtliche Volatilität an den Finanzmärkten", sagte er.
Lane zufolge hat sich außerdem der fiskalische Ausblick für den Euroraum für die kommenden Jahre wesentlich verändert, wobei das Haushaltsdefizit bis 2027 voraussichtlich über 3 Prozent der Wirtschaftsleistung bleiben werde. "Die kurz- und mittelfristigen Auswirkungen der strukturellen Veränderungen im Zusammenhang mit dem grünen Wandel, der Einführung von künstlicher Intelligenz in Unternehmen und globalen Verschiebungen komparativer Vorteile auf Produktion und Inflation sind ebenfalls höchst unsicher, da sie sowohl auf die Nachfrage- als auch auf die Angebotsseite mit potenziell unterschiedlichen Zeitabläufen wirken", erläutere der EZB-Chefvolkswirt.
Angesichts dieser Bedingungen sei es unerlässlich, bei geldpolitischen Entscheidungen datenabhängig zu bleiben und über die Zinsen von Sitzung zu Sitzung zu entscheiden. "Die Datenabhängigkeit erstreckt sich nicht nur auf die Beobachtung des tatsächlichen Verhaltens von Aktivität und Inflation, sondern auch auf die eingehenden Daten zu politischen Rahmenbedingungen außerhalb des monetären Bereichs, da Verschiebungen in internationalen und nationalen Politikregimen für die zukünftige Inflationsdynamik von hoher Relevanz sind", sagte Lane.
In diesem Umfeld bestehe die primäre Aufgabe der geldpolitischen Entscheidungsträger darin, sicherzustellen, dass aus etwaigen vorübergehende Abweichungen vom Inflationsziel keine längerfristigen Abweichungen würden.
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June 24, 2025 10:33 ET (14:33 GMT)