Kopf der Woche

Ka Keung Chan: "Hongkong hat die Krise gemeistert"

30.11.09 11:59 Uhr

Der Finanzminister von Hongkong, Ka Keung Chan, über die Auswirkungen der Krise auf Hongkong und den großen Unterschied zum Finanzplatz Shanghai.

von Sabine Gusbeth, Frankfurt

Ka Keung Chan kommt gerade von einem Treffen mit Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni. „Sehr ertragreich“ sei der Austausch über Handels- und Abwicklungssysteme gewesen, findet der ­Finanzminister von Hongkong. Bei seinem Deutschland-Besuch warb Ka für den Finanzplatz Hongkong. Denn die chinesische Sonderverwaltungszone steht in hartem Wettbewerb mit internationalen Finanzplätzen wie New York und London, aber auch den aufstrebenden chinesischen Handelszentren Shanghai und Shen­zhen. €uro am Sonntag sprach mit ihm über Gegenwart und Zukunft.

Wer­bung

€uro am Sonntag: Herr Minister, mehr als ein Fünftel des Bruttoinlands­produkts von Hongkong resultiert aus dem Finanzsektor. Wie haben Sie die Finanzkrise zu spüren bekommen?
Ka Keung Chan: Hongkong hat sich als stabil erwiesen. Die Eigenkapitalausstattung der lokalen Banken ist sehr gut. Sie liegt deutlich über der gesetzlich vorgeschriebenen Quote von acht Prozent. Es gab keine einzige Hongkonger Bank, die pleiteging oder Staatshilfe benötigte. Das liegt auch daran, dass wir sehr strenge Richtlinien haben, wie viel Geld Banken auf dem Hypothekenmarkt verleihen dürfen.

Heißt das, es gibt keine Krise in Hongkong?
Wir haben durchaus eigene Prob­leme, aber diese sind anderer Natur als im Westen. Dabei ging es zum Beispiel um Beschwerden im Zusammenhang mit dem mangelhaften Vertrieb von Finanzprodukten, die aufgrund des Zusammenbruchs von Lehman Brothers ausgefallen sind. Um die Investoren besser zu schützen, haben wir deshalb eine Reform vorgeschlagen, die eher da­rauf abzielt, die Regulierungsstruktur zu stärken, als die Aufsicht über die Banken weiter zu straffen. Wir wollen strengere Offenlegungsvorschriften und damit die Transparenz erhöhen. So, dass die Kapitalbeschaffung in Hongkong mit Qualität assoziiert wird.

Weltweit wird über eine strengere Bankenaufsicht diskutiert, um künftige Finanzkrisen zu verhindern. Könnte Hongkong davon profitieren, sich als Finanzplatz zu präsentieren, der liberaler ist als andere?
Nein, ich halte nichts von einem Wettbewerb um die laxeste Regulierung. Aus Hongkonger Erfahrung ist eine strenge Regulierung von Banken sehr wichtig für die Finanzmarktstabilität.

Wer­bung

Ist das eine Lehre aus der Asien-Krise?
In der Krise 1997 und 1998 schossen die Immobilienpreise in Hongkong um mehr als 60 Prozent in die Höhe. Aber auch damals gab es keine einzige Hongkonger Bank, die wir retten mussten. Denn wir haben vor 15 Jahren eine Obergrenze von 70 Prozent für das Verhältnis der Kreditsumme zum Marktwert bei Immobilien eingeführt. Vor Kurzem haben wir dieses Limit im Bereich der Luxusimmobilien sogar auf 60 Prozent gesenkt, weil wir auf diesem Markt Anzeichen für Spekulationsblasen sehen.

Die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken und die hohe Liquidität im Markt verschärfen die Gefahr derartiger Blasen. Macht Ihnen das Sorgen?
Wir sind noch immer in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation. Deswegen ist eine angemessene Erhöhung der Geldmenge grundsätzlich der richtige Weg. Aber natürlich stellt sich die Frage, ob dadurch zu viel Liquidität entsteht. Insbesondere, ob dieses Kapital in den asiatischen Markt mit seinen hohen Wachstumsraten und damit auch nach Hongkong fließt. Damit müssen wir leben. Deswegen müssen wir in Hongkong aber auch sehr viel vorsichtiger sein und sicherstellen, dass unsere Banken angemessen mit Risiken umgehen.

Hongkong ist von der Politik der US-Notenbank Fed doppelt betroffen. Nicht nur als internationales Finanzzentrum, sondern auch, weil der Hongkong-Dollar immer noch an den US-Dollar gekoppelt ist. Gibt es Pläne, die Währung vom US-Dollar zu lösen?
Diese Frage höre ich immer wieder. Wir haben dieses System seit 1984. Und ich sage Ihnen: Es wird sich nichts daran ändern.

Wer­bung

In China dagegen häufen sich die Anzeichen, dass die Währung Renminbi stärker vom Dollar entkoppelt werden soll. Welche Chancen sehen Sie darin für Hongkong?
Hongkong ist vorbereitet für das Offshoregeschäft mit Renminbi-Anleihen. Dieses Jahr hatten wir bereits den ersten Renminbi-Bond, der in Hongkong aufgelegt wurde. Das ist wichtig für die Banken in China. Wir hoffen, dass wir in Zukunft mehr solcher Bank- und Investmentprodukte anbieten können. Aber die weitere Entwicklung dieses Markts hängt natürlich einzig von der Öffnungspolitik Chinas ab.

Inwieweit sehen Sie die Rolle Hongkongs als Tor zu China durch die Öffnung des Finanzsektors auf dem Festland gefährdet?
Überhaupt nicht. Es ist richtig, dass sich Chinas Finanzmärkte, aber auch die Gütermärkte weiter öffnen. Denn ohne Finanzen gäbe es kein wirtschaftliches Wachstum. Deswegen ist es ganz normal, dass die Chinesen selbst immer mehr Finanzdienstleistungen anbieten. Und dass Shanghai eine wichtigere Rolle bekommt als Bankenzentrum, aber auch als Börse für die chinesische Wirtschaft. Aber Hongkong ist ganz anders als Shanghai.

Ein Land, zwei Systeme – trifft das auch für den Finanzsektor zu?
Allerdings. Obwohl wir Teil von China sind, ist unser Wirtschafts-, Finanz- und Justizsystem ein ganz anderes. Das ist der große Vorteil von Hongkong. Wir sind sehr international, haben eine unabhängige Justiz und eine unabhängige Regulierung, wie in anderen hoch entwickelten, westlichen Märkten. Sie finden in Hongkong hochkarätige Investmentbanker, Anwälte und Berater. Was ich damit sagen will: Für chinesische Unternehmen, die Kapital aufnehmen wollen auf einem internationalen Markt mit internationalen In­vestoren, ist Hongkong die ideale Wahl.

Und Shanghai?
Wenn ein chinesisches Unternehmen, das auf den Binnenmarkt ausgerichtet ist, Kapital in Renminbi aufnehmen will, dann wäre Shanghai besser. Aber wir hoffen natürlich, dass die chinesischen Unternehmen früher oder später ins Ausland expandieren wollen. Dann brauchen sie Zugang zu internationalen Investoren. Ich bin überzeugt davon, dass sie dann nach Hongkong kommen.

Aktuell sind in Hongkong mehr als 480 chinesische Firmen gelistet. Wie wird sich der IPO-Markt weiterentwickeln?
Die Märkte sind sehr volatil, deshalb lässt sich das schwer vorhersehen. Trotzdem hat Hongkong gute Zukunftsaussichten. Wir hoffen, dass wir noch mehr chinesische Unternehmen anlocken können. Denn wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir einen hochliquiden Finanzmarkt haben. Und in Zukunft werden noch mehr chinesische Firmen ihre Finanzen in Hongkong verwalten lassen. Daher sehe ich die Zukunft von Hongkong auch als wichtiges Zentrum für das Assetmanagement von Investoren aus Asien und besonders aus China.