ROUNDUP: Außenminister Wadephul auf schwieriger Mission in Nahost

31.07.25 06:34 Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - Inmitten stetig schärfer werdender Kritik an der israelischen Kriegsführung in Gaza fliegt Außenminister Johann Wadephul zu politischen Gesprächen nach Tel Aviv. Deren Verlauf dürfte auch Einfluss darauf haben, ob sich Deutschland der Forderung nach Sanktionen gegen seinen engen Partner anschließt. Sollte es dazu kommen, wäre dies ein Novum in den deutsch-israelischen Beziehungen.

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Der aktuelle Nahost-Konflikt bringt die Bundesregierung gleich in mehrfacher Hinsicht in eine Zwickmühle. Da ist einerseits die besondere Verantwortung für den jüdischen Staat, in der sich Deutschland wegen des Holocausts sieht. Bis heute werden deutsche Politiker nicht müde zu betonen, dass die Existenz und Sicherheit Israels "Teil der deutschen Staatsraison" sei.

Andererseits bleiben die Bilder aus dem Gazastreifen - unzählige Tote, verzweifelt um Lebensmittel kämpfende Menschen, abgemagerte Kleinkinder und zu Trümmerlandschaften gebombte Städte - nicht ohne Wirkung. Zwar mahnte schon die Ampel-Regierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD), Israel müsse im Gaza-Krieg die Regeln des humanitären Völkerrechts einhalten. Nachfolger Friedrich Merz (CDU) schlägt inzwischen aber deutlich kritischere Töne an.

Merz' Forderungen an Israel und die Hamas

Schon dass Merz die aktuelle Entwicklung im Gazastreifen soeben als Anlass sah, das Sicherheitskabinett einzuberufen, sagt einiges über die Stimmung in Berlin aus. Danach verkündete der Kanzler einen regelrechten Katalog an Forderungen.

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"Israel muss die katastrophale humanitäre Situation in Gaza sofort umfassend und nachhaltig verbessern", betonte Merz. Die jüngsten Lieferungen von Lebensmitteln und Hilfsgütern könnten nur ein Anfang sein. Und: "Es braucht jetzt einen umfassenden und nicht nur einen kurzfristigen Waffenstillstand in Gaza. Und dazu muss die Hamas den Weg endlich frei machen." Auch die israelische Regierung müsse dafür alles tun, was in ihrer Macht stehe.

Außerdem müssten die Geiseln, unter denen noch deutsche Staatsangehörige seien, endlich freikommen. Die islamistischen Terroristen der Palästinenserorganisation Hamas müssten entwaffnet werden. Und es dürfe keine weiteren Schritte hin zu einer Annexion des Westjordanlandes geben.

Berlin nicht immer im Gleichklang mit europäischen Partnern

In eine zweite Zwickmühle bringt der Konflikt Deutschland im Verhältnis zu seinen europäischen Partnern. Dass der französische Präsident Emmanuel Macron die Anerkennung Palästinas als Staat angekündigt und der britische Premierminister Keir Starmer diesen Schritt zumindest angedroht hat, behagt der Bundesregierung nicht. Nun zog auch noch der G7-Partner Kanada nach. Für Merz gilt: "Eine Anerkennung betrachten wir nicht als einen ersten, sondern als einen der möglicherweise abschließenden Schritte hin zur Verwirklichung einer Zweistaatenlösung."

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Auch bei der Frage von Sanktionen gegen Israel hält sich Deutschland anders als viele andere europäische Staaten zurück. Immerhin hält sich Berlin Schritte in dieser Richtung aber offen. Die EU-Kommission hatte empfohlen, die Teilnahme Israels am Forschungsförderungsprogramm Horizon Europe in Teilen unverzüglich auszusetzen.

Differenzen zwischen Union und SPD sichtbar

Ein weiteres Beispiel für das nicht immer deckungsgleiche Agieren in Berlin und den anderen europäischen Hauptstädten: Als soeben die Außenminister von mehr als zwei Dutzend Staaten - darunter die wichtigsten europäischen - ein sofortiges Ende des Gaza-Krieges forderten, fehlte unter der gemeinsamen Erklärung die Unterschrift Wadephuls. Aus deutscher Sicht wurde in dem Aufruf nicht hinreichend betont, dass der brutale Überfall der Hamas und anderer Terrorgruppen auf Israel am 7. Oktober 2023 der Ausgang des Konflikts war.

Dass anschließend aus der SPD heraus die Forderung laut wurde, Deutschland solle sich der Erklärung anschließen und kritischer gegenüber Israel auftreten, ließ die Frage aufkommen, wie einig sich die Koalition in der Nahost-Politik eigentlich ist - eine weitere Zwickmühle.

Israel reagiert gereizt auf Drohungen

Auf Drohungen mit Sanktionen und auf die mögliche Anerkennung eines Staates Palästina durch seine Verbündeten reagiert Israel äußerst empfindlich. "Ein solcher Schritt belohnt den Terrorismus", echauffierte sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach der Ankündigung Macrons. Er und andere israelische Politiker, darunter Oppositionelle aus der politischen Mitte, setzen einen Staat Palästina mit der Hamas gleich. In dieser Logik würde die Anerkennung Palästinas der Terrororganisation in die Hände spielen - oder, wie es Netanjahu formulierte: "Ein palästinensischer Staat wäre unter diesen Umständen eine Plattform zur Vernichtung Israels."

Die Regierungen in Berlin, Paris und London teilen diese Einschätzung nicht. Ihr Ansprechpartner ist die Palästinensische Autonomiebehörde. Diese hat ihren Sitz in Ramallah im Westjordanland. Die Hamas gehört ihr nicht an.

Als Reaktion auf die Empfehlung der EU-Kommission zu Sanktionen gegen Israel teilte das Außenministerium in Jerusalem mit: "Jede Entscheidung dieser Art dient nur dazu, die Hamas zu stärken, und untergräbt folglich die Chancen auf eine Waffenruhe (im Gazastreifen) und auf eine Verständigung zur Freilassung der Geiseln."

Auch Trumps Sondergesandter Witkoff reist nach Israel

Und dann ist da auch noch die Rolle der USA als wichtigster Verbündeter Israels und Vermittler in den indirekten Verhandlungen mit der Hamas. Der außenpolitische Kurs der Regierung von Präsident Donald Trump gilt nicht nur in Berlin als schwer berechenbar. Trumps Sondergesandter Steve Witkoff reist US-Medienberichten zufolge spätestens am Donnerstag nach Israel, um über die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen zu sprechen. Damit wäre er dann gleichzeitig mit Wadephul in der Region unterwegs./sk/DP/zb