Ökonomen-Barometer: Kaum Lichtblicke wegen Ukraine-Krise
Die führenden Volkswirte bleiben skeptisch. Als Fazit der Ukraine-Krise fordern sie, die Energieversorgung neu auszurichten.
von Wolfgang Ehrensberger, Euro am Sonntag
Die führenden deutschen Volkswirte schätzen die wirtschaftliche Lage und vor allem die Perspektiven in Deutschland zunehmend skeptisch ein. Das Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag und dem Nachrichtensender n-tv sackte im August von 61,8 auf 54,9 Punkte ab - ein Rückgang um elf Prozent. Noch stärker gingen die Erwartungen für die kommenden Monate zurück. Mit 48,9 Punkten liegen sie um 15 Punkte oder fast 24 Prozent unter dem Juli-Wert.
Für konjunkturellen Gegenwind sorgt derzeit nicht nur die schwächelnde Eurozone, sondern auch die Ukraine-Krise. Als Folge des Konflikts hat die EU bereits ihre Sanktionen gegen Russland verschärft. Damit soll vor allem dem russischen Staat und staatsnahen Unternehmen der Zugang zum westlichen Kapitalmarkt erschwert werden. Die meisten Experten sind der Ansicht, dass diese verschärften EU-Sanktionen die deutsche Wirtschaft zunächst nur moderat beeinträchtigen werden. 81 Prozent der Befragten erwarten eine negative Auswirkung von weniger als 0,3 Prozentpunkten auf das Wirtschaftswachstum 2014. Gravierender als die eigentlichen Sanktionen sei der psychologische Effekt auf das Konsumenten- und Unternehmervertrauen bei einer Eskalation des Konflikts, so Ansgar Belke von der Uni Duisburg.
Neues Energiekonzept nötig
Auf die Frage nach der Wirksamkeit der Sanktionen sind die führenden Ökonomen gespalten. Die Hälfte der Befragten hält sie für ein geeignetes Mittel, um den russischen Präsidenten zum Einlenken im Ukraine-Konflikt zu bringen, die andere Hälfte nicht. Ulrich Blum von der Uni Halle-Wittenberg rechnet sogar damit, dass es Russland mit der Abwertung des Rubels möglich sein werde, neue Unternehmen im eigenen Land profitabel aufzubauen.
Schon eindeutiger fällt die Antwort auf die Frage aus, wie auf die Drohung Moskaus reagiert werden solle, die Gaspreise anzuheben. Zwei Drittel der Befragten empfehlen der Politik, die Situation zum Anlass zu nehmen, die Energieversorgung auf europäischer Ebene grundsätzlich neu zu regeln. Nur ein Fünftel der Befragten hält das für unnötig. Die meisten der Befürworter wie beispielsweise Friedrich Heinemann vom ZEW Mannheim oder Juergen B. Donges von der Uni Köln halten dies unabhängig vom Ukraine-Konflikt ohnehin für dringend erforderlich.
Andere wie HWWI-Direktor Michael Bräuninger verweisen darauf, dass sich die Welt nur begrenzt unabhängig von russischer Energie machen könne. "Und die Energiewende in Deutschland läuft ohnehin mit einer Geschwindigkeit, die kaum zu bewältigen ist", so Bräuninger.
In diesem Zusammenhang wird von verschiedenen Umfrageteilnehmern wie etwa Friedrich Breyer (Uni Konstanz) oder Manfred J. M. Neumann (Uni Bonn) auch gefordert, das ein oder andere Kernkraftwerk länger laufen zu lassen oder wieder hochzufahren. "Dann wäre die Gaspreisdiskussion mit einem Schlag erledigt", so Neumann.
FIFA statt Russland als Bösewicht
Soll man Russland die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 entziehen, wie zuletzt etwa von CSU-Chef Horst Seehofer gefordert? Das halten zwei Drittel der Befragten für eine Schnapsidee. Tim Krieger von der Uni Freiburg richtet den Fokus in eine andere Richtung: "Die einzig interessante Frage in diesem Zusammenhang ist, ob man nicht endlich auf das fragwürdige Geschäftsgebaren des Fußballverbands FIFA reagieren sollte."
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