Protektionismus in den USA: Herausforderungen und Perspektiven für europäische Unternehmen

Zur Standardausbildung in der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre gehört die Darstellung der Vorteile des freien Handels. Wie Adam Smith und später David Ricardo überzeugend darlegten, beruhen Handelsgewinne auf komparativen Vorteilen: Jedes Land spezialisiert sich auf jene Güter, bei denen es - relativ gesehen - produktiver ist als andere. Freier Handel führt somit zu einem Anstieg des Wohlstands auf beiden Seiten.
Unglücklicherweise scheint der amerikanische Präsident die entsprechende Vorlesung verpasst zu haben. Andernfalls wäre ihm bewusst, dass die Einführung von Zöllen den Wohlstand schmälert. Sie bewirken eine Umverteilung von Ressourcen in weniger produktive Sektoren, was zu dauerhaft geringerer Wertschöpfung, niedrigeren Reallöhnen und einem Abbau von Arbeitsplätzen führt. Besonders betroffen wären in den USA die Landwirtschaft, der Bergbau und das verarbeitende Gewerbe. Mehrere aktuelle Studien versuchen, die Auswirkungen zu quantifizieren. Das Peterson Institute for International Economics kommt in einer Studie vom April 2025 zu dem Ergebnis, dass das reale BIP der USA ohne Vergeltungsmaßnahmen innerhalb von zwei Jahren um rund 0,6 Prozent sinken könnte. Mit Gegenmaßnahmen anderer Staaten verdoppelt sich dieser Effekt. Die Studie beziffert die Nettoeinnahmen aus Zöllen bei einem durchschnittlichen Zollsatz von 15 Prozent und Gegenmaßnahmen auf etwa 1,5 Billionen US-Dollar über zehn Jahre, was rund 0,5 Prozent des BIP im selben Zeitraum entspricht. Diese fiskalischen Einnahmen sind nicht beachtlich, besonders, wenn man die langfristigen wirtschaftlichen Belastungen bedenkt.
Hinzu kommen disruptive Effekte auf internationale Lieferketten. Zölle treffen vor allem jene Unternehmen, die auf globale Vorleistungen angewiesen sind. Höhere Kosten für importierte Zwischenprodukte führen zu Preissteigerungen, sinkenden Margen und Investitionszurückhaltung. Besonders kapitalintensive Sektoren und die verarbeitende Industrie - das Rückgrat vieler US-Lieferketten - sind hiervon betroffen.
Auswirkungen für den Anleger
Zölle wirken wie eine Steuer auf Effizienz. Ihre Einführung ist ein klares konjunkturelles Negativsignal - insbesondere für global agierende US-Unternehmen mit integrierten Lieferketten. Auch wenn einzelne Branchen kurzfristig profitieren mögen, überwiegen mittelfristig die gesamtwirtschaftlichen Kosten. Anleger sollten daher die Risiken einer zunehmenden Fragmentierung der Weltwirtschaft und den Trend zu staatlichen Eingriffen genau beobachten - insbesondere bei Entscheidungen zur sektoralen Allokation oder bei Investitionen in exportorientierte Märkte.
Chancen für Europa
Gerade in einem Umfeld zunehmenden US-Protektionismus eröffnen sich für europäische Unternehmen neue Möglichkeiten. Europäische Firmen im verarbeitenden Gewerbe, die über starke Marken, technologische Führungspositionen in Schlüsselsektoren und eine hohe Innovationsfähigkeit - etwa durch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz zur Steigerung der Produktivität - verfügen, könnten von einer Neuordnung der globalen Wertschöpfungsketten profitieren. Sie sind in der Lage, flexibel auf veränderte Handelsströme zu reagieren, neue Märkte zu erschließen und ihre Wettbewerbsposition international auszubauen. Für Anleger ergeben sich daraus attraktive Perspektiven, insbesondere bei Investitionen in europäische Unternehmen mit globaler Reichweite, hoher Wertschöpfungstiefe und ausgeprägter technologischer Kompetenz.
Einen besonderen Vorteil könnten spanische Unternehmen genießen, da sie aufgrund sprachlicher und kultureller Nähe einen erleichterten Zugang zu den Märkten in Lateinamerika haben. In einem Umfeld, in dem sich globale Lieferketten neu ausrichten, können sie diese Beziehungen nutzen, um neue Absatzmärkte zu erschließen und ihre internationale Wettbewerbsposition zu stärken. Diesen und weitere Vermögensverwalter mit Ihren Meinungen und Online-Anlagestrategien finden Sie auf https://www.v-check.de/
von Jürgen Brückner, Portfoliomanager der FV Frankfurter Vermögen AG in Bad Homburg/Königstein
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