KONJUNKTUR IM BLICK/Ja, wann fallen sie denn?
Von Hans Bentzien
DOW JONES--Das Ratespiel über die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump zieht sich hin - unter den Ratenden: Die Zentralbanken. Trumps Drohungen bewirken Unsicherheit, was das Wachstum dämpft. Und sollte er auch nur einen Bruchteil seiner Drohungen wahr machen, wird das Wachstum dann auch, sofern es hier so etwas wie eine abschließende Wahrheit geben sollte, "auf faktischer Grundlage" leiden. Ein schwächeres Wachstum mindert für sich genommen die Inflation. Aber niemand weiß, ob nicht die preistreibende Wirkung höherer Einfuhrzölle per Saldo schwerer wiegt und wie sich der israelische Angriff auf den Iran auswirken wird. Deshalb tun Zentralbank sich gegenwärtig schwer damit, eine geldpolitische Reaktion zu formulieren. Das gilt auch für die Notenbank des "Verursacherlandes", die Federal Reserve.
Fed verlängert Zinspause
Ökonomen erwarten allgemein, dass die US-Notenbank bei ihrer Sitzung am Mittwoch die Zinspause verlängern und an ihrer Auffassung festhalten wird, dass sie es sich leisten kann, bei Zinssenkungen geduldig zu sein. Da die Inflationsrisiken nach wie vor hoch sind, hat die Zentralbank deutlich gemacht, dass sie vor einer weiteren Zinssenkung deutlichere Anzeichen einer Abschwächung des Arbeitsmarktes sehen muss. Die Fed beschäftigt sich vor allem mit der Frage, inwieweit die Politik von Präsident Donald Trump, die auch eine Einschränkung von Einwanderung, Steuersenkungen und Kürzungen der Staatsausgaben vorsieht, die Preise für die Amerikaner erhöhen wird und wie lange eine daraus resultierende höhere Inflation anhalten wird.
Die Notenbanker sind vor allem besorgt, dass die Zölle einen anhaltenden Preisanstieg auslösen könnten und nicht nur einen einmaligen Sprung. Das Risiko besteht darin, dass die Amerikaner anfangen, langfristig eine höhere Inflation zu erwarten, und zwar in einem Ausmaß, das sich am Ende selbst bestätigt. Die Geldmärkte preisen für die anstehende Zinsentscheidung konstante Leitzinsen zu fast 100 Prozent ein. Sie preisen zudem eine Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent für eine Zinssenkung im September ein.
Die Fed macht ihre Zinsentscheidung um 20.00 Uhr bekannt, die Pressekonferenz mit Chairman Jerome Powell beginnt um 20.30 Uhr. Stillhalten dürfte auch eine andere Zentralbank, obwohl ihre geldpolitische Grundrichtung eine Straffung ist.
Die Bank of Japan lässt sich Zeit
Der Gouverneur der Bank of Japan (BoJ), Kazuo Ueda, hat erklärt, dass er nur dann auf höhere Zinssätze drängen wird, wenn die Wirtschaft dafür stark genug ist. Die Aussage nährte Spekulationen, dass die nächste Zinserhöhung nicht so bald kommen wird. Die BoJ beendete im März letzten Jahres ein umfangreiches Konjunkturprogramm und erhöhte den Leitzins im Juli auf 0,25 Prozent und im Januar auf 0,50 Prozent. Der Oktober könnte die letzte Chance für die BoJ sein, den Leitzins anzuheben, meint der Ökonom Takeshi Minami vom Norinchukin Research Institute.
Die Verbraucherpreisinflation werde sich voraussichtlich im Sommer verlangsamen und nach Anfang 2026 unter 2 Prozent fallen, erwartet Minami. Daten der BoJ zeigten einen Anstieg der Preise für Unternehmensgüter im Mai um 3,2 Prozent im Jahresvergleich. Im April hatte der Zuwachs noch 4,1 Prozent betragen. Die Daten deuteten ferner darauf hin, dass die importgetriebene Inflation aufgrund gesunkener Ölpreise und der Aufwertung des Yen nachzulassen begonnen hat. Dies mindere den Preisdruck in Japan, erklärte Minami.
Die geldpolitischen Entscheidungen der BoJ kommen am frühen Dienstagmorgen. Am Donnerstag (13.00 Uhr) ist die Bank of England dran.
Bank of England lässt Leitzins unverändert
Die Bank of England (BoE) befindet sich in einer äußerst unangenehmen Lage: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist zu Beginn des zweiten Quartals um 0,3 Prozent gesunken - viel stärker als erwartet (minus 0,1 Prozent), und die Lage am Arbeitsmarkt trübt sich ein. Das würde für sich genommen für eine Zinssenkung sprechen. Andererseits sind zuletzt Inflation und Kerninflation gestiegen und lagen deutlich oberhalb von 3 Prozent. Die BoE strebt aber mittelfristig 2 Prozent Inflation an. Das spricht nicht gerade für eine Lockerung der Geldpolitik. Viele Analysten rechnen damit, dass die BoE ihren Leitzins noch in diesem Jahr senken wird - allerdings nicht in der vor uns liegenden Woche.
SNB auf Zwischenstation in Richtung Negativzins?
Die schweizerische Inflation ist zuletzt in den negativen Bereich gefallen - was machen die Leitzinsen? Bleibt die Schweizerische Nationalbank (SNB) am Donnerstag bei dem im jüngsten Lockerungszyklus befolgten Muster, dann dürfte sie ihren Leitzins zunächst mal auf 0,00 (derzeit: 0,25 Prozent) senken, um der deflationären Wirkung des Franken-Aufwertung etwas entgegen zu setzen. Manche Analysten - darunter die von Goldman Sachs - rechnen damit, dass die SNB ihren Leitzins in diesem Jahr erneut in den negativen Bereich senken wird, was zuletzt 2021 der Fall war. Die Zinsentscheidung steht am Donnerstag (9.30 Uhr) an.
Zu den Konjunkturdaten: Derzeit immer von Interesse sind wegen der Zollpolitik Außenhandelsdaten: Japanische Daten für Mai werden am Mittwoch (1.50 Uhr) veröffentlicht. Daten zur chinesischen Industrieproduktion kommen am Montag (4.00 Uhr).
ZEW-Konjunkturerwartungen steigen im Juni
Die Konjunkturwartungen von Investoren für Deutschland dürften im Juni gestiegen sein. Von Dow Jones Newswires befragte Volkswirte prognostizieren, dass der vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung erhobene Index auf 35,0 (Mai: 25,2) Punkte gestiegen ist. Auslöser dürften die ausgebliebene Eskalation des Zollstreits mit den USA sowie die Erkenntnis gewesen sein, dass der zyklische Abschwung in der Industrie seinem Ende entgegengeht. Auch der bereits vom Beratungsunternehmen Sentix veröffentlichte Konjunkturindex ist gestiegen.
(Mitarbeit: Andreas Plecko)
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June 13, 2025 09:32 ET (13:32 GMT)