Insiderin packt aus: Sex and the Citygirl
Als Citygirl wurde Barbara Stcherbatcheff weltberühmt. Unter dem Pseudonym Suzana S. schrieb sie Insider-Kolumnen aus der Investmentbanker-Szene. Unsere Redaktion traf die bildhübsche Blondine in Frankfurt ...
... und war überrascht: Auf der einen Seite die taffe Geschäftsfrau, extrem ehrgeizig und zielstrebig. Auf der anderen Seite das nette, feingeistige US-Girl, das sich für Frauenrechte engagiert. Inzwischen ist ihr erstes Buch auf Deutsch erscheinen.
Von Jens Castner, Euro am Sonntag
Suzana S. ist vor allem an Geld interessiert. Männer taxiert sie nach Einkommen. Eine der akkurat Frisierten, Unnahbaren, Stocksteifen aus den edleren Glaspalästen von Londons neuem Bankenviertel Canary Wharf. Ihre Ehe ist im Eimer, geschieden mit 28. Anzügliche Bemerkungen ihrer Vorgesetzten überhört sie mit der Souveränität einer erfahrenen Investmentbankerin. Der Karriere wegen.
Doch die aalglatte Bankerin betreibt ein falsches Spiel. Sie hört sehr genau hin. Sie ist der Maulwurf der Branche. Nachzulesen in den Citygirl-Kolumnen in „The London Paper“. In schillerndsten Farben malt sie für die Öffentlichkeit Champagnerexzesse in Striptease-Lokalen aus. Dort spielt sie gerne Mäuschen, um es der männlichen Kollegenschaft später heimzuzahlen, die von ihrer Undercover-Tätigkeit nichts ahnt. Oh, Suzana.
Barbara S. gibt Klavierstunden, um sich ein kaum bezahltes Praktikum im Hinterzimmer eines der Bankentürme von Canary Wharf überhaupt leisten zu können. Von den Abteilungen, in denen die großen Deals gedreht werden, wird sie nicht wahrgenommen. Allenfalls ihr langes, blondes Haar sorgt in der Kantine hin und wieder für anerkennende Pfiffe der Herren aus den oberen Stockwerken. Dorthin wird es das blauäugige Mäuschen sicher nie schaffen.
Das unprätentiöse Mädchen aus der amerikanischen Provinz hat Musik studiert, will jetzt aber Journalistin werden. Weil sie Frauen ermutigen will, sich im Big Business durchzusetzen und nicht zwischen Kind und Karriere entscheiden zu müssen. Und weil sie überzeugt ist, dass es nie eine Finanzkrise gegeben hätte, wenn bei Banken mehr Frauen in verantwortlichen Positionen säßen. Santa Barbara.
Fünf Jahre lang spielte Santa Barbara die Rolle der Suzana S. Und sie bereut nichts. „Ich war ja keine Business-Bitch“. Das klingt rechtfertigend, fast weich. Doch schnell wechselt die ehemalige Musikstudentin die Tonlage: „Ich würde es jederzeit wieder tun“. Nur, dummerweise, ist seit der Finanzkrise die Bezahlung in der Londoner City nicht mehr so gut, sagt sie mit entwaffnender Ehrlichkeit. Also sieht sie sich nach dem Erfolg ihre Buchs „Die City. Das Girl. Die Geschichte“ nach etwas anderem um. Gut möglich, dass sie demnächst als Bloomberg-Moderatorin aufs Börsenparkett zurückkehrt.

Auch im Buch nimmt das Citygirl kein Blatt vor den Mund. Bevor sie zur Traderin aufstieg, dokumentierte Stcherbatcheff im Backoffice eine Zeitlang, was hinter den Kulissen mit CDOs (jenen Kreditderivaten, also, denen nachgesagt wird, die Finanzkrise ausgelöst zu haben) passierte. „Meine Aufgabe bestand darin aufzuzeichnen, wie wir sie in Scheiben und Würfel schnitten, neu bewerteten und verkauften“, schreibt sie. Und: „CDOs – alias Collateralized Debt Obligations alias besicherte Schuldpapiere – sind nicht so leicht zu erklären und viele Leute in der City, die sie eigentlich verstehen sollten, verstehen sie wahrscheinlich nicht“.
In der City nimmt man’s ihr weniger krumm als ihrem Kolumnisten-Vorgänger Anderson, dem Nestbeschmutzer. Sie habe heute noch ein gutes Verhältnis zu den ehemaligen Kollegen, sagt die bildhübsche Endzwanzigerin. Vielleicht, weil sie bei alledem das nette, bodenständige Girl aus der amerikanischen Provinz geblieben ist. Vielleicht aber doch wegen der blonden Haare und des charmanten Augenaufschlags. Sie habe einfach nur Glück gehabt, dass sie in den Boomjahren der City den richtigen Job bekam, glaubt sie. Der beste Trade ihrer Karriere, erzählt sie bescheiden, sei einer gewesen, bei dem sie mittags meilenweit hinten lag und am Abend noch mit einem kleinen Verlust davonkam. Millionärin ist sie auch nicht geworden. „Ich habe einen Haufen Geld verdient, aber auch einen Haufen ausgegeben“, bekennt sie heute. Immerhin: Trotz der unfassbar hohen Absätze und des sündhaft teuren Kostüms, Relikte aus Zeiten des Überschwangs, fehlt die obligatorische Rolex am Handgelenk. Sie trägt überhaupt keine Uhr mehr. Santa Suzana? Nein, ganz bestimmt nicht.
Sie wird wieder in der City anheuern, sobald sich die Chance bietet – Feminismusaktivitäten hin, Läuterungsprozess her. „Geld machen und ein angenehmes Leben haben, ist doch der Plan von jedem von uns“. Schuld an der Misere waren eh’ die Männer, dem vermeintlich schwachen Geschlecht wäre das nicht passiert. Das auf dem Daytrading Floor erworbene Handwerk zu Hause am Computer umzusetzen, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen und es den Boys zu zeigen, fände sie zwar reizvoll. Aber der Zeitpunkt ist schlecht. „Die Jungs haben so viel Geld verblasen, da kommt noch was nach. Die Rezession ist nicht vorbei, Schmerzen und Insolvenzen werden zunehmen“, analysiert Suzana-Barbara mit dem messerscharfen Verstand ihrer Ex-Kollegen aus den volkswirtschaftlichen Abteilungen der City. Außerdem sei es schon etwas anderes, mit eigenem Geld zu zocken als mit dem der Bank. „Da tut’s halt doch mehr weh, wenn’s weg ist“. Oh, Barbara.
Barbara Stcherbatcheff hat ihr Buch „Die City. Das Girl. Die Geschichte“ unter dem Pseudonym Suzana S. veröffentlicht (Börsenmedien AG, Kulmbach, 24,90 Euro). Titel der englischen Originalausgabe: „Confessions of a Citygirl - The old men have lost it. The city boys have blown it. Here comes the girl.“