Ministerium setzt beim AfD-Ausschluss auf den Einzelfall
MAINZ/SPEYER (dpa-AFX) - Mit der Ankündigung AfD-Mitgliedern den Zugang zum öffentlichen Dienst zu verwehren, hat der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) bundesweit für Aufsehen gesorgt. Es hagelte Kritik aus der Opposition, von Fachleuten und sogar aus der eigenen Partei. Daraufhin betonte das Innenministerium, auch künftig gelte doch die Einzelfallprüfung. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ändert sich?
Rheinland-Pfalz will AfD-Mitgliedern den Zugang zum öffentlichen Dienst verwehren. Künftig werde bereits im Einstellungsverfahren eine schriftliche Belehrung über die Verfassungstreue verpflichtend sein, hatte Ebling angekündigt. Alle Bewerberinnen und Bewerber müssten erklären, dass sie keiner extremistischen Organisation angehören oder in den vergangenen fünf Jahren angehört haben.
Die überarbeitete Verwaltungsvorschrift zur Verfassungstreue liegt noch nicht vor, soll aber noch im Juli fertig sein. Neu ist, dass auf der dazu gehörenden Liste der mehr als 100 als extremistisch eingestuften Gruppen und Organisationen - wie etwa al-Qaida, die Muslimbruderschaft oder die KPD - jetzt auch die AfD steht.
Gilt die Einzelfallprüfung?
Zweifel an der Verfassungstreue von Bewerbern könnten auch künftig im Einzelfall ausgeräumt werden, teilte das Ministerium jetzt mit. Es geht also nicht um eine pauschale Zugangssperre.
"Wenn das Ministerium jetzt doch eine Einzelfallprüfung durchführen will, bestehen rechtlich keine Bedenken", sagt der Verfassungsrechtler Joachim Wieland von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer.
Wie kam es zu dem falschen Eindruck eines pauschalen Verbots?
"Das Ministerium hat kommuniziert, dass bei einer Parteimitgliedschaft kein Raum für eine Einzelfallprüfung sei", stellt unter anderem Professor Wieland fest. Der Experte hatte das Vorhaben deshalb kritisiert, weil es dann aus seiner Sicht "rechtlich problematisch" gewesen wäre.
Beim SWR heißt es zur Kommunikation: "Damit zieht das Ministerium seine bisherige Darstellung zurück. Jeder Fall werde einzeln geprüft, heißt es nun. Vergangenen Freitag dagegen hatte das Innenministerium dem SWR noch schriftlich bestätigt: Für Bewerber und Bewerberinnen, die aktuell Mitglied in der AfD sind, sei eine Einstellung in den Staatsdienst künftig ausgeschlossen."
Wie erklärt dies das Ministerium?
Die Pressestelle des Innenministeriums sagt, es sei nach der Kritik an dem pauschalen Verbot nichts geändert worden, und schon immer von einer Einzelfallprüfung die Rede gewesen. Auf den Widerspruch hatte es aber nicht aufmerksam gemacht. Kommunikationsfehler sieht es auch nicht und verweist auf seine Pressemitteilung vom 10. Juli 2025 (vergangenen Donnerstag).
Darin heißt es: "Wer diese Erklärung [über die Verfassungstreue] verweigert und Zweifel an der eigenen Verfassungstreue nicht ausräumen kann, wird nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt. Für bereits bestehende Mitarbeitende kann die Mitgliedschaft in einer solchen gelisteten Organisation ein disziplinarrechtlich relevantes Dienstvergehen darstellen. Entscheidend ist und bleibt der jeweilige Einzelfall."
Warum ist die Einzelfallprüfung so wichtig?
"AfD-Mitglieder haben sowohl nach dem Grundgesetz als auch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention Anspruch auf eine Prüfung im Einzelfall, ob ihre Mitgliedschaft in der AfD gegen ihre Pflicht zur Verfassungstreue verstößt", erläutert Fachmann Wieland.
Wie eine solche Einzelfallprüfung konkret aussehen könnte, erklärt das Innenministerium nicht. Dies sei von Fall zu Fall unterschiedlich.
Warum hat sich Rheinland-Pfalz für einen Alleingang entschieden?
Das Innenministerium antwortet darauf zunächst nicht, muss aber viel Kritik dafür einstecken. Ein Alleingang von Rheinland-Pfalz in dieser Frage sei juristisch zulässig, betont Wieland. "Ob ein solcher Schritt politisch klug ist, ist aber eine offene Frage."
Der Bremer Innensenator und Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Ulrich Mäurer, zeigte sich enttäuscht über Eblings Vorstoß. "Wir haben auf der Innenministerkonferenz in Bremerhaven viele Stunden damit verbracht, eine gemeinsame Linie zwischen allen Ländern und dem Bund zu entwickeln", sagte der SPD-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Im Ergebnis herrsche große Einigkeit darüber, dass wir noch vor einer Gerichtsentscheidung eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einsetzen. Diese sollte unter anderem regeln, wie künftig mit AfD-Mitgliedern im Staatsdienst umgegangen wird, nachdem der Verfassungsschutz die Gesamtpartei als "gesichert rechtsextrem" eingestuft hatte. "Leider hat diese Vereinbarung keine 14 Tage gehalten", kritisierte Mäurer deutlich.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD zur "gesichert rechtsextremistischen Bestrebung" hochgestuft. Die Partei wehrt sich juristisch dagegen, die Einstufung liegt deshalb vorerst wieder auf Eis.
Wie wird die Einstufung der AfD begründet?
Diese sogenannte Stillhaltezusage des Bundesamts für Verfassungsschutz ändere an der Bewertung als solcher nichts, heißt es im Innenministerium in Mainz. Die AfD bleibe Verdachtsfall. Sie befinde sich in einem Richtungsstreit, bei dem sich die verfassungsfeindlichen Bestrebungen durchsetzen könnten.
Ebling hatte kürzlich bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts gesagt, die AfD habe keinen gemäßigten Flügel mehr, die Radikalisierung nehme zu. Die Partei wird in Rheinland-Pfalz vom Verfassungsschutz beobachtet.
Was sagt die Opposition?
CDU-Generalsekretär Johannes Steiniger kritisierte den Innenminister scharf: "Das Hin und Her zum Ausschluss von AfD-Mitgliedern aus dem Staatsdienst ist ein Brandbeschleuniger für die Rechtspopulisten in Rheinland-Pfalz." Der AfD-Bundestagsabgeordnete und Landes-Vize Sebastian Münzenmaier sprach davon, dass der Innenminister nach der zahlreichen Kritik von Staatsrechtlern nun kleinlaut den Rückzug angetreten habe. AfD-Partei- und Fraktionschef Jan Bollinger erklärte, Ebling sei im Amt nicht mehr tragbar.
Welche Möglichkeiten hat ein abgelehnter Bewerber?
"Wer meint, zu Unrecht nicht eingestellt worden zu sein, kann das gerichtlich klären lassen", betonte der rheinland-pfälzische Justizminister Philipp Fernis (FDP). Maßstab für die Gerichte seien dann nicht Verwaltungsvorschriften, sondern Gesetze und die Verfassung. "Und die Entscheidung erfolgt in unserem Rechtsstaat unabhängig von politischer Einflussnahme." Die Pflicht zur Verfassungstreue der Staatsbediensteten sei schon seit jeher im Grundgesetz verankert. "Für die Chance auf Einstellung gilt dasselbe." Über sie werde nach unserer Verfassung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung entschieden./wo/DP/jha