Ökonomen-Stimmen zur Zinssenkung durch die EZB

05.06.25 16:39 Uhr

FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zum achten Mal seit Juni 2024 die Leitzinsen im Euroraum gesenkt. Der Einlagensatz wird um 0,25 Prozentpunkte auf 2,0 Prozent verringert, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte. Dies war von Ökonomen erwartet worden. EZB-Präsidentin Christine Lagarde signalisierte jedoch ein vorläufiges Ende der Zinssenkungen. Man sei mit dem aktuellen Leitzins gut positioniert.

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Einschätzungen von Ökonomen zu den geldpolitischen Entscheidungen im Überblick:

Jörg Krämer, Chefvolkswirt Commerzbank

"Auf der heutigen Pressekonferenz betonte EZB-Präsidentin Lagarde, dass die EZB zum Ende des Zinssenkungszyklus komme. Trotzdem überwiegen noch die Argumente für einen weiteren, letzten Zinsschritt nach der Sommerpause. Die Kerninflation sollte wegen des gefallenen Ölpreises und der Euro-Aufwertung zunächst weiter sinken. Dieses Argument für eine weitere Zinssenkung werden sich die vielen Tauben im EZB-Rat wohl nicht entgehen lassen."

Ulrich Kater, Chefvolkswirt Dekabank

"Wir sind langsam am Ende der Zinstreppe nach unten angekommen. Ein oder maximal zwei Schritte könnten noch folgen, dann hat die EZB ein neues Gleichgewicht erreicht. Damit kann auch vorläufig ein Haken an den Inflationsschock von vor zwei Jahren gemacht werden. Zwar sind immer noch nicht alle Inflationsviren ausgeschwitzt, denn insbesondere bei Dienstleistungen steigen die Preise noch zu schnell. Aber in den kommenden Monaten sollten vor allem die Energiepreise für weitere Entlastung bei der Inflationsentwicklung sorgen. Die Geldpolitik unterstützt mit ihren niedrigen Leitzinsen nun auch die Konjunktur im Euroraum, wo gegenwärtig erste Aufschwungshoffnungen aufkommen."

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Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust

"Mit der achten Zinssenkung seit Juni 2024 hat die EZB eine neutrale Ausrichtung der Geldpolitik erreicht: Konjunktur und Inflation im Euroraum werden weder gefördert noch gebremst. Richtig so, kann man sagen, nachdem die Inflationsrate im Euroraum unter zwei Prozent gesunken ist. Zudem bringt der ungelöste Handelsstreit mit den USA nach wie vor erhebliche Konjunkturrisiken mit sich. Da der Zinsschritt weithin erwartet wurde, werden sich die Konditionen für Sparer und Kreditnehmer kaum ändern. Auch im Wechselkurs des US-Dollar dürfte der Schritt bereits berücksichtigt sein. Ohnehin wird der Dollar derzeit weit stärker von den politischen Entwicklungen in den USA als von der Zinsdifferenz zum Euro geprägt."

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank

"Daher könnte die EZB zunächst eine Pause im Zinssenkungszyklus einlegen und die weitere Inflationsentwicklung abwarten. Auch die Notenbank selbst signalisiert Zurückhaltung: Die meisten Indikatoren für die zugrunde liegende Inflation deuten darauf hin, dass sich die Teuerung nachhaltig im Bereich des mittelfristigen Zielwerts von 2 Prozent stabilisieren dürfte. Eine Inflationsrate von 2 Prozent spricht somit gegen weitere deutliche Zinssenkungen."

Jens-Oliver Niklasch, Analyst Landesbank Baden-Württemberg

"Das war das erwartete Ergebnis. Die EZB ist mitten im neutralen Bereich ihrer Geldpolitik - da wollte sie offenbar hin. Zunächst wird sie daher eine Pause einlegen. Der Zeitpunkt dürfte geschickt gewählt sein. Niemand weiß, ob die US-Zollpolitik noch zu tieferen Verwerfungen für Realwirtschaft und Inflation führt, oder ob am Ende gilt: TACO - Trump always chickens out! Vermutlich nach der Sommerpause wird dieser Punkt klarer sein. Deutliche Schrammen wird die US-Politik aber schon nach heutigem Wissen im Konjunkturbild des Euroraums hinterlassen. Wir rechnen daher damit, dass die EZB noch einmal um 25 Basispunkte senken wird. Dann hätte sie wohl den maximalen Spielraum der Geldpolitik ausgelotet. Für weitergehende Schritte bräuchte es einen härteren Einbruch der Konjunktur."/jsl/zb