Pressestimmen zu Leo XIV. - 'Anti-Trump der leisen Töne'

09.05.25 09:48 Uhr

ROM/WASHINGTON/BERLIN (dpa-AFX) - Ein US-Amerikaner, der lange als Missionar in Peru gearbeitet hat, ist neuer Papst. Was schreibt die internationale Presse über Robert Francis Prevost?

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Italien:

"La Stampa": "Leo XIV. ist der erste amerikanische Papst. Er kommt aus einem Amerika, dessen Existenz wir vergessen hatten. Ein Amerika, das sich um den Weltfrieden sorgt - der erste Satz, der vom Balkon des Petersdoms gesprochen wurde - und nicht nur um die Sicherheit im eigenen Land. Sichtlich bewegt kam er direkt zum Kern des Problems, das die Welt plagt: die Notwendigkeit des Friedens. Eine größere Kontinuität zu Papst Bergoglio, den er mehrfach erwähnte, hätte es nicht geben können. Es ist auch nicht sicher, dass die Machthaber, die in der Ukraine, in Gaza, im Sudan und jetzt in Kaschmir Krieg führen, ihm mehr Beachtung schenken als sie es bei Papst Franziskus taten. Oder besser gesagt: nicht taten. Aber einen Amerikaner zu haben, der vom Vatikan aus vom Frieden spricht und sich der Welt öffnet, ohne auf die Nationen zu schauen, macht einen großen Unterschied zu dem anderen Amerikaner im Weißen Haus."

USA:

"CNN": "Es scheint ein außergewöhnlicher Zufall zu sein, dass der erste amerikanische Papst genau zu dem Zeitpunkt eintrifft, in dem die USA - unter ihrem neuen Präsidenten Donald Trump in zweiter Amtszeit - viele ihrer außenpolitischen Ansätze, Bündnisse und sogar innenpolitische Werte aufgeben, die sie als mächtigste Nation der Welt seit langem verfolgt haben. Zwei Amerikaner werden nun auf der Weltbühne enorme Macht ausüben - der eine politisch, der andere spirituell -, und die impliziten Vergleiche und potenziellen Meinungsverschiedenheiten zwischen Trump und Papst Leo werden nicht zu ignorieren sein."

"Washington Post": "Leos eigene Verbindungen zum "Rest der Welt" werden durch seine doppelte Staatsbürgerschaft unterstrichen - in den USA geboren, nahm er auch die peruanische Staatsbürgerschaft an. Ob er es anstrebt oder nicht, dieser Papst wird unweigerlich eine übergroße Rolle in den amerikanischen politischen Debatten und den konfessionsübergreifenden Überlegungen darüber spielen, was es bedeutet, Christ zu sein. (...) Doch Papst Leo ist keine Kopie von Papst Franziskus. Die bemerkenswerte Geschwindigkeit seiner Ernennung deutete darauf hin, dass unter den gemäßigten Kardinälen die Ansicht herrschte, er könne in einer gespaltenen Kirche als Versöhner wirken."

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"Wall Street Journal": "Es wird angenommen, dass Papst Leo den Fokus seines Vorgängers auf die Bedürftigen teilt. In seiner Rede vom Balkon des Petersdoms plädierte er für eine Kirche, die "besonders den Leidenden" nahe sein will. Zu den jüngsten Zitaten von Kardinal Prevost gehört eines von 2023, in dem er sich gegen die Ordination von Frauen aussprach. (...) Auf diese Debatten einzugehen, ist nun Aufgabe von Papst Leo. Ebenso die Beseitigung der finanziellen Schlamassel des Vatikans, was nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch des Vertrauens ist. Gefragt ist ein geschickter Verwalter."

"New York Times": "Sollte er tatsächlich durch die von Franziskus geöffnete Reform-Tür schreiten, ist ungewiss, wie lange die von ihm herbeigeführte Versöhnung mit den Traditionalisten halten wird. (...) Eine andere Lektion, die Konservative auf dem vor ihnen liegenden Weg lernen können, ist der Wert der Diversität. Im heutigen politischen Klima ist das ein aufgeladener Begriff, doch im Kontext einer globalen Kirche impliziert er ausgeprägte Vielfalt und Komplexität. Sie anzunehmen ist der einzige Weg, wie die Kirche wachsen und eins bleiben kann."

Großbritannien:

"Financial Times": "Papst Leo XIV. steht vor einer Fülle von Herausforderungen, darunter die prekären Finanzen des Vatikans und Forderungen, Kinder vor sexuellem Missbrauch durch Priester zu schützen. Und er wird die Kirche auch durch die geopolitischen Turbulenzen steuern müssen, die von seinem Heimatland unter Präsident Donald Trump ausgehen. (...) Die Kardinäle haben sich für ein Oberhaupt entschieden, das zwar ideologisch eher mit der relativ progressiven Weltsicht seines Vorgängers Franziskus übereinstimmt, aber dem US-Präsidenten die Stirn bieten könnte."

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Spanien:

"El País": "Prevost ist weder Argentinier noch Jesuit, sondern Augustiner - daher wird er wenig sprechen, seine Worte abwägen, nicht improvisieren. Aber in der Leitung, in der Amtsführung, wird er nicht zurückrudern. Das hat er zu Beginn seiner Ansprache deutlich gesagt: "Ohne Angst, um weiterzugehen.""

"El Mundo": "Mit Prevost hat sich die katholische Kirche für einen Amerikaner - den ersten in der Geschichte - mit tiefen lateinamerikanischen Wurzeln entschieden, der offensichtlich weit entfernt von (Donald) Trumps Thesen ist (...) Prevost steht vor gewaltigen inneren - wie der Spaltung der Kirche - und äußeren Herausforderungen."

Österreich:

"Die Presse": "Friede, Dialog, Caritas, Einsatz für die Armen: In seiner ersten Ansprache ließ er in einer Hommage an seinen Vorgänger viele Werte anklingen, die Franziskus hoch und heilig waren. Er schwor, dessen Erbe weiterzuführen - weniger emotional, bedächtiger, strukturierter. (...) Donald Trump mag über die Wahl des Mannes aus Chicago jubeln, doch Leo XIV. verkörpert ein Kontrastprogramm zum US-Präsidenten: ein Anti-Trump der leisen Töne."

Schweiz:

"NZZ": "Der neue Papst hat sich den Namen Leo XIV. gegeben und knüpft damit an profilierte, reformorientierte Päpste vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert an. Was er auch tut, eine seiner schwierigsten Aufgaben wird es sein, mit den Erwartungen umzugehen, die an ihn gestellt werden. Progressive Katholikinnen und Katholiken in Europa und Amerika wünschen sich, dass er die Reformen seines Vorgängers umsetzt: die Zulassung verheirateter Männer zur Priesterweihe beispielsweise, die Weihe von Frauen als Diakoninnen, wenn nicht sogar als Priesterinnen, mehr Kompetenzen für die Bischöfe und mehr Mitbestimmungsrecht für die Laien. Außerhalb von Europa, in Afrika, Asien und Südamerika, wo mittlerweile der Großteil der Katholiken lebt, stoßen solche Forderungen auf wenig Verständnis, zum Teil auf entschiedenen Widerstand."

Niederlande:

"De Volkskrant": "Brücken bauen und auf den Frieden hinarbeiten: Diese Botschaft vermittelte der neu gewählte Papst Robert Francis Prevost der Welt. Der 69-Jährige muss dafür sorgen, dass die sanfte Macht des Vatikans in einer komplexen Welt strategisch klug eingesetzt wird. (...) Die große Frage ist, ob der sympathische neue Papst in der Lage sein wird, die "Soft Power" des Vatikans zu nutzen, um den russischen Staatschef Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump zu beschwichtigen. Auf jeden Fall sieht die Kirche in Prevost trotz seiner Nationalität keineswegs eine Marionette des US-Präsidenten: Der neue Papst gilt als Vertrauter des Erzbischofs von Chicago, der ein ausgesprochener Kritiker von Donald Trump ist."

"De Tijd": "Dass ein Amerikaner nicht Papst werden kann, war jahrelang eine weit verbreitete Ansicht. Die Vorstellung, dass die stärkste Weltmacht auch das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche stellen würde, galt als nicht erstrebenswert. Doch mit Donald Trump im Weißen Haus schien nun die große Mehrheit der Kardinäle bereit, mit dieser ungeschriebenen Regel zu brechen. Neben internationaler Erfahrung und Kenntnis der USA kann Prevost auch Erfahrung in der Vatikanstadt vorweisen. Seine Südamerika-Kenntnisse und sein soziales Engagement lassen viele erwarten, dass er den Kurs von Franziskus fortsetzen wird, der die Kirche vor allem als Feldlazarett für verletzliche Menschen sah."

Polen:

"Rzeczpospolita": "Der päpstliche Thron für einen US-Bürger ist eine außergewöhnliche Ehre, eine Ehre, die es in der Geschichte der USA noch nie gab. Noch dazu geschieht dies unter Präsident Trump, was den US-Bürgern einen weiteren Beweis für die absolute Einzigartigkeit ihres Führers liefert. Aber halten wir hier inne: Wird er ein Verbündeter von Donald Trump? Das ist kaum vorstellbar. Nach den ersten Annäherungsversuchen von Trump und seinen Wählern werden die Welt und Amerika erkennen, dass Leo XIV. für den 47. US-Präsidenten eher ein Problem als eine Perle in seiner Kaiserkrone sein wird."

Frankreich:

"Le Monde": "Robert Francis Prevosts Zugehörigkeit zum Bettelorden der Augustiner, der dafür bekannt ist, der Tradition ebenso verbunden zu sein wie der Nächstenliebe, seine fundierten Kenntnisse des Kirchenrechts und der Kurie tragen zu einem beruhigenden Bild bei. Verankert in der Moderne und besorgt um die Ausgegrenzten verspricht sein Pontifikat "Einheit" und Kollegialität."/juw/DP/jha