ROUNDUP 2: Neue Grundsicherung bringt Härten für Arbeitslose

17.12.25 15:46 Uhr

(neu: Zahlen, Reaktionen)

BERLIN (dpa-AFX) - Es ist das Ende des Bürgergelds in heutiger Form: Das Bundeskabinett hat mit einem Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) das neue Grundsicherungsgeld beschlossen. Auf die 5,3 Millionen Bezieherinnen und Bezieher von Bürgergeld kommen verschärfte Regeln zu.

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Der Name "Bürgergeld" soll nach dem Willen der Union nach drei Jahren wieder gestrichen werden. Das Gesetz soll großteils am 1. Juli 2026 in Kraft treten. Zunächst wird der Entwurf nun in Bundestag und Bundesrat beraten. Neuer Streit und Änderungen sind nicht ausgeschlossen. An der SPD-Basis gibt es große Widerstände gegen die Reformpläne.

Bas sagte im ARD-Morgenmagazin: "Wir wollen, dass die Menschen wieder auf eigene Füße kommen, wenn sie arbeiten können, dass sie auch Maßnahmen bekommen und auch Unterstützung und Hilfe." Gegenüber jenen, "die könnten, aber nicht wollen", solle der Staat aber Mitwirkung einfordern. Kanzler Friedrich Merz (CDU) betonte auf X: "Es gilt das Prinzip: "Fördern und Fordern". Damit sich Arbeiten lohnt und diejenigen, die den Sozialstaat brauchen, nicht im Stich gelassen werden."

Streit um Komplettwegfall der Leistung

In der Regierung waren bis zuletzt Details zum geplanten Komplettentzug von Leistungen umstritten gewesen. Das Wirtschaftsministerium unter Katherina Reiche (CDU) und das Innenressort von Alexander Dobrindt (CSU) hatten den Entwurf vergangene Woche zunächst nicht für das Kabinett freigegeben.

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Die Grundsicherung soll nun gestrichen werden, wenn Beziehende des staatlichen Gelds nicht erreichbar sind: Bei drei versäumten Einladungen zu Terminen sollen Jobcenter die Überweisungen einstellen; auch der Verlust der Wohnkostenübernahme droht dann. Vorher müssen die Behörden den Betroffenen den Plänen zufolge Gelegenheit zur persönlichen Anhörung geben - etwa durch einen Telefonanruf oder einen Besuch. Psychisch Kranke sollen vor einem Wegfall der Leistungen geschützt werden.

Die Befürchtung im Wirtschaftsministerium war gewesen, dass jemand, der sich nicht erreichen lässt, die Sanktion vereiteln kann. Nun soll klar sein: Betroffene sollen den Leistungsentzug nicht durch Abtauchen verhindern können.

Sanktionen sollen das verfassungsmäßig Erlaubte ausschöpfen

Die neuen Sanktionsregeln sollen das verfassungsmäßig Erlaubte ausschöpfen. Die Grundsicherung soll sofort für drei Monate um 30 Prozent gemindert werden, wenn künftig ein Arbeitsloser zum Beispiel keine Bewerbungen schreibt oder Förderkurse ablehnt. Rund 150 Euro im Monat fließen dann weniger. Bei versäumten Jobcenter-Terminen soll gelten: Nach dem zweiten Mal greift die 30-Prozent-Kürzung für einen Monat. Nach dem dritten Mal folgt der Mechanismus zur Komplettstreichung.

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2019 hatte das Bundesverfassungsgericht die Sanktionen begrenzt: Es untersagte damals mögliche höhere Kürzungen. 30 Prozent weniger blieben erlaubt.

Nur wenige Leistungsberechtigte von Sanktionen betroffen

Vorübergehend waren die Sanktionen in Folge ganz ausgesetzt. Heute gilt: Wenn Arbeitslose Termine, zumutbare Jobangebote oder Weiterbildungen nicht wahrnehmen, gelten Kürzungsstufen von 10, 20 oder 30 Prozent. Dabei betreffen die Sanktionen nur einen Bruchteil der Leistungsberechtigten. Vergangenes Jahr gab es pro Monat im Schnitt weniger als 30.000 solcher Kürzungen.

Härteres Vorgehen und Vermittlung

Härter vorgehen soll der Staat künftig auch beim Vermögen. So sieht der Gesetzentwurf die Abschaffung einer festen Karenzzeit für dessen Schonung vor. Vorrangig soll eigenes Einkommen und Vermögen eingesetzt werden, bevor Grundsicherung fließt. Künftig richtet sich die Höhe von Schonvermögen nach Lebensalter. Kosten der Unterkunft sollen in geringem Maß anerkannt werden.

Vorrangiges Ziel der Jobcenter soll Vermittlung in Jobs sein. Wenn eine Weiterbildung erfolgversprechender erscheint, soll dem weiter der Vorzug gegeben werden. Angebote an die Betroffenen sollen sie in einem gemeinsamen Kooperationsplan zusammenstellen.

Geringe Einsparungen

Ursprünglich vor allem seitens der Union erhoffte große Einsparungen werden nicht erwartet. 2026 sollen bei Bund, Ländern, Kommunen und Bundesagentur für Arbeit unterm Strich 86 Millionen Euro weniger fällig werden, dann 70 Millionen. Dagegen sollen in den Folgejahren sogar 11 beziehungsweise 9 Millionen Euro mehr anfallen.

Auf die schärferen Regeln einigten sich Union und SPD zunächst im Koalitionsvertrag und dann in einem Spitzentreffen im Oktober.

Heftige Kritik an den Reformplänen

Teile der SPD-Basis wollen die Reform noch per Mitgliederbegehren stoppen. Sie sorgen sich vor einer Zunahme sozialer Härten bis hin zur Obdachlosigkeit.

Mehrere Sozialverbände und Linke und Grüne im Bundestag lehnen die geplante Reform ebenfalls ab: Sie steigere die Not Betroffener, lautet ein Hauptkritikpunkt. Nach Einschätzung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi steigt zudem der Druck "auf die Beschäftigten in den Jobcentern", wie Verdi-Vizechefin Christine Behle sagte. So müsse mehr dokumentiert werden, ob Arbeitslose Pflichten nachkommen.

Die Vorgeschichte

Mit dem 1. Januar 2023 gestarteten Bürgergeld hatte die damalige Ampelregierung auf Betreiben der SPD hin ein "neues System weg von Hartz IV" schaffen wollen, wie es Bas' Amtsvorgänger Hubertus Heil (SPD) damals ausdrückte. Der Hintergrund: Fachkräftemangel und Rekordbeschäftigung. Auch die Union war an der Gestaltung des Hartz-IV-Nachfolgers beteiligt - über ein nötig gewordenes Vermittlungsverfahren von Bundestag und Bundesrat.

Kaum in Kraft, geriet das Bürgergeld in die Kritik, auch weil die Leistungen - heute 563 Euro für Alleinstehende - Anfang 2024 überproportional anstiegen und die Wirtschaft in Deutschland schwächelte. Im Juli gab es 5,29 Millionen sogenannte Regelleistungsberechtigte, im vergangenen Jahresdurchschnitt waren es rund 5,50 Millionen./bw/DP/stw