Zinsen für die Katastrophe
ILS-Papiere, zu denen auch Katastrophenanleihen gehören, zeichnen sich durch geringe Korrelationen mit traditionellen Anlageklassen und attraktive Renditen aus. Nicht nur das macht sie für Anleger interessant.
von Rolf Dreiseidler, Euro am Sonntag
Das Konzept der Rückversicherung — der Versicherung für Versicherer — entstand 1842 nach einem Großbrand in Hamburg, bei dem die städtische Brandversicherungsgesellschaft nicht in der Lage war, die bei ihr geltend gemachten Versicherungsansprüche zu befriedigen. Daraufhin wurde 1846 die Kölnische Rück, die erste Rückversicherungsgesellschaft der Welt, gegründet.
Das Modell der direkten Rückversicherung funktionierte 150 Jahre relativ gut, erwies sich aber bei großen Schadensfällen infolge von Naturkatastrophen als unzureichend. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Die zunehmend strengeren Eigenkapitalanforderungen der letzten Jahrzehnte sowie auch zukünftig (Stichwort: Solvency II) zwingen Versicherer und Rückversicherer, ihre Kapitalkosten zu optimieren. Im Zuge dessen entsteht für die Versicherungsbranche ein Anreiz, ihre Spitzenrisiken zu verbriefen und auf dem Kapitalmarkt zu veräußern.
Genau dies ermöglicht die Emission von Insurance Linked Securities (ILS). Technisch handelt es sich dabei in der Regel entweder um Rückversicherungskontrakte oder aber um konventionelle Wertpapiere, die in vier Hauptkategorien unterteilt werden können.
• Katastrophenanleihen (Cat Bonds): Diese Wertpapiere verbriefen das Risiko von Katastrophen wie Erdbeben und Wirbelstürmen über eine Anleihestruktur mit festgelegtem Auslöser („Trigger“).
• Rückversicherungen: Sie stellen die traditionellste Form der Risikoübertragung dar. Dieses bei Weitem größte Marktsegment der ILS stellen vorwiegend in Bermuda gehandelte Over-the-Counter- Kontrakte (OTC) dar. Deren Gewinne/Verluste berechnen sich nach den vom Erstversicherer regulierten Schadensforderungen.
• Retrozessionen (Retros): Hierbei handelt es sich vereinfacht gesagt um Rückversicherungen für Rückversicherer. Dies ist das volatilste Segment des ILS-Markts im Hinblick auf Preisschwankungen sowie verfügbarer Kapazitäten.
• Industry-Loss Warranties (ILWs): Diese Spezialpapiere sind eine Art von OTC-Rückversicherungsoptionen. Ihre Auszahlung hängt vom Umfang eines Verlusts ab, den die Versicherungsbranche bei einem bestimmten Schadensereignis erleidet. Man kann in diesem Marktsegment sowohl Long- als auch Short-Positionen eingehen.
Attraktive Anlagealternative
im aktuellen Marktumfeld
ILS erlauben es dem Versicherer oder Rückversicherer, Spitzenrisiken — also Risiken mit niedriger Eintrittswahrscheinlichkeit, kombiniert mit hohem Schadenspotenzial — aus seiner Bilanz zu nehmen. Der Anleger erhält im Gegenzug attraktive Erträge, solange das auslösende Ereignis („Trigger Event“) ausbleibt. Die Ertragskomponenten der ILS setzen sich aus variablen Zinsströmen (Drei-Monats-USD-Treasuries) und fixen Versicherungsprämieneinnahmen zusammen. Bei einem breit diversifizierten und defensiven ILS-Portfolio kann langfristig mit sehr attraktiven Renditen gerechnet werden. Damit sind ILS im aktuellen Niedrigzinsumfeld eine interessante Anlagealternative.
Bisher sind ILS zwar hauptsächlich Instrumente, die institutionelle Anleger wie die Verwaltungen großer Privatvermögen nutzen. Doch mittlerweile gibt es auch schon mehrere Publikumsfonds, die auch in Papiere wie Cat Bonds anlegen dürfen (Anm. d. Red.).
Die vom ILS-Markt abgedeckten Versicherungsrisiken lassen sich in drei Kategorien einteilen: Naturkatastrophen, Lebensversicherungen und von Menschen verursachte Schadensereignisse. Die größten Risiken stellen für die Versicherungsbranche hierbei sehr große, seltene Naturkatastrophen wie etwa aktuell der Hurrikan Sandy in den USA oder das große Erdbeben in Japan von 2011 dar. Im Vergleich dazu sind Schadensereignisse, die von Menschen ausgelöst werden (z. B. Flugzeug- oder Schiffsunglücke) mit deutlich tieferen Risikoprämien behaftet.
Milliardenschäden erfordern
mehr Risikotransfer
Gerade nach aufsehenerregenden Schäden nimmt der Bedarf an Katastrophenversicherungen zu. So stieg etwa nach der Hurrikansaison 2005 die Nachfrage sprunghaft an. Das Bestreben der Versicherer, dieses Interesse zu befriedigen und die damit verbundenen Risiken auf externe Investoren zu übertragen, führte 2006 und 2007 zu einem starken Anstieg von Cat-Bond-Neuemissionen mit attraktiven Risikoprämien.
Das im historischen Vergleich hohe Angebot fiel mit einer wachsenden Anlegernachfrage nach alternativen Anlagen mit geringen Korrelationen zu traditionellen Anlageklassen zusammen. Dass ILS diese Grundeigenschaft besitzen, erklärt sich daraus, dass sich der Zins des ILS nach der Eintrittswahrscheinlichkeit des Versicherungsrisikos bemisst und nicht durch die allgemeinen Kapitalmarktzinsen bestimmt wird. Diese Eigenschaft macht ILS zu einer der wenigen wahrhaftig unkorrelierten Anlageklassen. Des Weiteren verbrieft jeder Cat Bond klar definierte Risiken, zum Beispiel bezogen auf die Schadensursache und die Region. Dies erlaubt erfahrenen Managern die sinnvolle Kombination von Bonds zu einem nach Risikofaktoren (Sturm, Erdbeben, Region etc.) diversifizierten Portfolio.
Von Mitte 2010 bis Ende 2011 sind weltweit versicherte Schadensfälle von über 100 Milliarden US-Dollar eingetreten. Dies bedeutete für die Versicherungsindustrie die zweithöchste Schadensumme nach 2005. Die Prämien verschiedener Risiken sind in der Folge erneut und teilweise signifikant gestiegen. Einen ähnlichen Effekt könnte auch der Hurrikan Sandy bewirken. Um von dem Potenzial der ILS sowie den aktuell attraktiven Prämien aus Investorensicht zu profitieren, ist es wesentlich, das gesamte ILS-Spektrum zu nutzen, da das Angebot in den einzelnen ILS-Segmenten mitunter recht dünn sein kann.
Eine große Bedeutung kommt zudem dem direkten Zugang zum traditionellen Rückversicherungsmarkt zu. Denn er stellt in Bezug auf den jährlichen nominellen Risikotransfer von rund 150 Milliarden US-Dollar, wie bereits angedeutet, das größte Segment dar.
Aufgrund der Komplexität und der Besonderheiten des Markts, insbesondere auch in der Preisfindung der Instrumente, ist es ratsam, auf das Know-how eines in diesem Bereich spezialisierten Vermögensverwalters zurückzugreifen, der den Zugang zu attraktiven Anlagemöglichkeiten im Bereich der ILS ermöglicht und in der Lage ist, maßgeschneiderte Risiko-Rendite-Profile gemäß den Wünschen der Investoren anzubieten. Die Man Group zum Beispiel hält 25 Prozent an Nephila Capital, einem der ältesten und erfahrensten Manager auf dem ILS-Markt.
Das Portfolio wird mit ILS diversifizierter, stabiler und kann liquider gestaltet werden. Institutionelle Anleger oder Manager von Publikumsfonds sollten bei einem Engagement in diesem vergleichsweise noch recht jungen Marktsektor aber auf jeden Fall auf einen erfahrenen Partner achten.
Renditestark
Der Index Swiss Re Cat Bond, der hier zur Darstellung der Renditeentwicklung von ILS verwendet wurde, weist eine starke Gewichtung von US-Windrisiken auf. Er ist daher als Benchmark zwar mit etwas Vorsicht zu genießen, stellt allerdings mangels adäquater Alternativen in diesem speziellen Markt die Chancen gut dar.
Renditestarke Cat-Bonds (pdf)
zur Person:
Rolf Dreiseidler,
Leiter Institutionelle
Kunden Deutschland bei der Man
Der Autor ist verantwortlich für die Betreuung von Versicherungen, Pensionskassen, Corporates, Banken, Treasuries sowie Stiftungen und Family Offices in Deutschland. Seit 2010 ist er zudem stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands Alternative Investments e. V.
Man ist einer der weltweit führenden alternativen Investmentmanager und verfügt über Fachwissen in einem breiten Spektrum von liquiden Anlagestilen, einschließlich Managed Futures, Aktien, Unternehmensanleihen, Schwellenländer, Global Macro und Multi-Manager. Man verwaltete zum 30. September 2012 ein Vermögen von 60 Milliarden US-Dollar. Die Ursprünge des Unternehmens reichen bis 1783 zurück.