Börse Frankfurt-News: Marktstimmung: "Wenn Angst die Skepsis ablöst"
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 19. Juni 2025. FRANKFURT (Goldberg & Goldberg). Nur die Allerwenigsten dürften seit unserer vergangenen Sentimenterhebung damit gerechnet haben, dass die Diskussionen um Handelszölle durch ein ganz anderes Thema überschattet würden: durch den seit dem 13. Juni im Brennpunkt der Schlagzeilen stehenden israelisch-iranischen Krieg. Hatte sich bis zu jenem Tag die Stimmung bei den internationalen Fondsmanagern, so die jüngste Umfrage der Bank of America (BofA), hinsichtlich der Weltwirtschaft, Rezession und Inflation auf ein Niveau normalisiert, das zuletzt vor dem sogenannten US Liberation Day vom 2. April festzustellen war, dürfte nun vieles anders wahrgenommen werden. Auch weil die Umfrage einen Tag vor Kriegsbeginn abgeschlossen wurde.
Und so wundert es nicht, dass der DAX gegenüber der Vorwoche einen Verlust von 2,3 Prozent hinnehmen musste. Obwohl die Mehrheit der von uns befragten institutionellen Investoren bereits Vorbehalte gegen die für bis vergangenen Mittwoch "zu positive" DAX-Entwicklung hatten und sich entsprechend skeptisch generierten, hat sich die Stimmung noch einmal verschlechtert. Denn unser Börse Frankfurt Sentiment-Index ist um 10 Punkte auf einen neuen Stand von -25 gefallen. Dabei ist nicht einmal das Bärenlager neuerlich besonders stark angestiegen - wir messen einen Zuwachs von 2 Prozentpunkten - sondern dieses Mal waren es die Optimisten, die kalte Füße bekommen haben. Das Bullenlager ist nämlich um 8 Prozentpunkte gefallen. Anders ausgedrückt haben es drei Viertel der wechselwilligen Bullen lediglich zu den neutral gestimmten Investoren geschafft - womöglich nicht ganz freiwillig.
Keine Gewinnmitnahmen
Auf der anderen Seite haben sich vor allem die Pessimisten, die sich gerade erst in der Vorwoche (es handelte sich immerhin um 15 Prozent aller Befragten) auf die Bärenseite geschlagen hatten, bestenfalls temporär von Gewinnmitnahmen leiten lassen. Was anfangs mancherorts lediglich wie ein zeitweiser Rücksetzer des Börsenbarometers für einen schnellen Gewinn eingeschätzt wurde, scheint sich nun in echte Angst gewandelt zu haben. Zumal unser Börse Frankfurt Sentiment-Index auf den niedrigsten Stand seit Februar gefallen ist.
Einen massiven Stimmungsumbruch gab es auch bei den Privatanlegern. Denn der Börse Frankfurt Sentiment-Index in diesem Panel fällt um 13 Punkte auf die neutrale 0-Linie. Interessanterweise waren es vor allem die über Social Media befragten Anlegenden, die ihre bullishe Ansicht um 180 Grad direkt auf bearish drehten. Wir dürfen nicht vergessen, dass sich diese Untergruppe im Gegensatz zu den übrigen Privatanlegenden die überwiegende Zeit in diesem Jahr ausgesprochen bullish gezeigt hatte. Bei Letzteren gab es vermutlich sogar ein paar Käufe in die Schwäche, aber unter dem Strich hat sich in dieser Untergruppe wenig am mehrheitlichen Pessimismus geändert.
Hausgemachte DAX-Schwäche
Insgesamt bleibt aber festzuhalten, dass trotz der geopolitischen Ereignisse die Volatilität des DAX nicht dramatisch gestiegen ist. Aber der zeitweise Rückgang des Börsenbarometers um 3 Prozent hat nicht zu Gewinnmitnahmen der Bären geführt; mancherorts dürften die Buchgewinne sogar noch höher gewesen sein. Aus verhaltensorientierter Sicht ist die Weigerung, Gewinne in dieser Größenordnung zu realisieren, in erster Linie durch neue?"ngste zu erklären, die offenbar größer sind als der Drang, die Chips vom Tisch zu nehmen.
Die jüngste Kursentwicklung des DAX scheint in erster Linie übrigens hausgemacht. Denn das Interesse an Aktien der Eurozone seitens internationaler Fondsmanager hat sich kaum verringert. Zumindest gaben bei der jüngsten BofA-Umfrage netto 34 Prozent (Vormonat 35 Prozent) der Vermögensverwalter an, in Aktien der Eurozone übergewichtet zu sein.
Mit der heutigen Umfrage ergibt sich zumindest ein Hoffnungsschimmer, denn das heimische Nachfragepotenzial für den DAX ist während der vergangenen beiden Wochen deutlich gestiegen. Potenzial, das vor allen Dingen dann - möglicherweise auch recht heftig - zum Tragen kommt, wenn erste Gewöhnungseffekte an die?"ngste eingetreten sind.
von Joachim Goldberg
19. Juni 2025, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)