Börse Frankfurt-News: Marktstimmung: "Wie der Frosch im Kochtopf"
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - News verlieren ihren Schrecken, erwartete Kursverluste bleiben aus. Dennoch: das verhaltenstechnische Szenario bleibt stabil.
23. Juli 2025. Es sind nach wie vor die Nachrichten zu Präsident Donald Trump, die die Diskussionen der Analysten und Strategen an den Finanzmärkten beherrschen. Ein Kernthema war sicherlich die Zukunft des Fed-Präsidenten Jerome Powell, dessen Entlassung in der Vorwoche vielerorts befürchtet wurde. Aber der US-Präsident beteuerte erneut, er beabsichtige nicht im geringsten, dergleichen zu tun. Auch wenn Trump und sein Finanzminister Bessent (vgl. dessen Interview mit CNBC am vergangenen Montag) möglicherweise gleich die ganze US-Notenbank umbauen möchten, schien dies die Börsianer nicht wirklich zu beunruhigen. Die Angst, eine Entlassung Powells könnte ein Beben an den Finanzmärkten auslösen, schien nie wirklich zu bestehen. Und an einen Umbau der Fed, zu dem vermutlich auch der Verlust von deren Unabhängigkeit gehören wird, kann man sich nun allmählich gewöhnen.
Das ganze erinnert an die Parabel vom Frosch im Topf (auch bekannt unter den Namen "Boiling Frog Syndrom"), der, wenn er in kochendes Wasser geworfen wird, sofort wieder herausspringt. Setzt man das arme Tier indes in kaltes Wasser und erhitzt dieses nur langsam, adaptiert sich der Frosch langsam an die steigende Temperatur, mit der Folge, dass er keinen Fluchtversuch unternimmt und am Ende elendig zugrundegeht. Mit anderen Worten: Gewöhnungseffekte scheinen die Marktteilnehmer peu à peu einzulullen, bevor sie das wahre Ende der Geschichte erkennen. Und so konnte der DAX am Ende gegenüber der vergangenen Stimmungserhebung sogar 0,8 Prozent an Wert zulegen, ein Kursgewinn, der möglicherweise auch dem jüngsten Zoll-Deal zwischen den USA und Japan zuzuschreiben ist.
Glücklose Bären
Nun ist die zurückliegende Sentiment-Woche vor allem für die deutlich in der Mehrheit befindlichen Pessimisten alles andere als glatt verlaufen. Denn das Börsenbarometer stieg zunächst einmal zeitweise um 1,7 Prozent, bevor es dann doch zu einem deutlichen Kursrückgang kam. Zumindest ist unser Börse Frankfurt Sentiment-Index um 15 Punkte auf einen neuen Stand von -15 gestiegen. Und zwar weil sich das Bullenlager um 9 Prozentpunkte vergrößert hat. Zwei Drittel davon kommen von ehemaligen Pessimisten, die ihre bearishen Engagements direkt um 180 GRad auf bullish gedreht haben - der weitere bullishe Zuwachs speist sich aus vormals neutral eingestellten Akteuren. Unter dem Strich zeigt sich dabei, dass nur rund 35 Prozent der in der Vorwoche eingegangenen bearishen Positionen wieder zurückgenommen worden sind.
Bei den Privatanlegern hat sich die Stimmung indes weiter verschlechtert: Unser Börse Frankfurt Sentiment-Index fällt um weitere 3 Punkte auf einen neuen Stand von -9. Die treibende Kraft kam hier von vormals neutral eingestellten Anlegenden, die sich mehrheitlich zu den Pessimisten schlugen. Die Gruppe der neutral Gestimmten befindet sich mit einem Anteil von nur noch 15 Prozent aller Befragten erneut auf dem niedrigsten Stand des Jahres.
Stimmungseinbruch
Bemerkenswert: Der Optimismus ist vor allen Dingen bei denjenigen Privatanlegern gesunken, die wir über Social Media befragen. Normalerweise ist diese Gruppe viel bullisher als die übrigen Anlegenden in diesem Panel eingestellt.
Mit der heutigen Befragung hat sich die Stimmungskluft zwischen Privatanlegern und institutionellen Investoren wieder deutlich verringert, vor allem weil Letztere in der Vorwoche sehr bearish eingestellt waren. Auch wenn sich ihre Stimmung aufgehellt hat, bleibt festzuhalten, dass immer noch knapp zwei Drittel der Pessimisten aus der Vorwoche, trotz zwischenzeitlicher Performance-Rückschläge, an ihren Engagements festgehalten haben. Damit bleibt die Unterseite beim DAX im Falle erneuter Rückschläge vermutlich vor allem im Bereich von 23.750/800 Zählern ordentlich unterstützt, wenn die verbleibenden Short-Positionen/Absicherungen wieder aufgelöst werden sollten. Auf der anderen Seite hat sich die Gefahr einer Shortsqueeze im Falle eines deutlichen DAX-Anstiegs etwas verringert, genauso wie die Zahl der Pessimisten, die in diesem Fall dem Markt mit neuerlichen Verlusten hinterherlaufen müssten. Mit anderen Worten: Die Situation für den DAX scheint nicht ungünstig zu sein.
von Joachim Goldberg
23. Juli 2025, © Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)