Bekommen wir Anleger wieder einmal nicht den Hals genug voll?

Von Daimler, soliden Zahlen und Schaukelbörsen
Seit meinem letzten Beitrag ist am Aktienmarkt einiges passiert. Die Fülle an Quartalszahlen hat zugenommen, mittlerweile befinden wir uns auch in Deutschland auf dem Höhepunkt der Ergebnis-Veröffentlichungen. Nicht zuletzt hatten wir ja als Anleger auch noch den Banken-Stresstest und dessen Ergebnisse zu bestaunen gehabt. Alles in allem waren die Daten bisher völlig in Ordnung oder besser noch: Die Markterwartungen konnten überwiegend übertroffen werden und nicht wenige Konzerne hoben ihre Ausblicke für das Gesamtjahr an.
Die Gier der Anleger…
Das klingt bis hierher sehr gut. Doch sieht man an der aktuellen Zahlenwelle auch wieder einmal mehr, dass das Gros der Anleger immer mehr erwartet. Wenn man böse ist, würde man die Formulierung „den Hals nicht vollbekommen“ nehmen. Denn es gab auch hier in Deutschland - gerade aus dem DAX ein paar Beispiele, die aufzeigen, dass der Markt ein bisschen an Realismus verloren zu haben scheint. Die Messlatten hängen schon wieder sehr weit hoch, so dass Konzerne die Anleger nur mit noch gigantischen Zahlen-Überraschungen positiv stimmen können.
So ein Beispiel wäre Daimler. Jüngst hatte eine Emnid-Umfrage im Auftrag von PricewaterhouseCoopers herausgefunden, dass die Daimler AG das beliebteste Unternehmen in Deutschland sei. Damit hat der schwäbische Welt-Konzern den Mitbewerber VW von der Spitze verdrängt. Soweit die Beliebtheits-Skala der Wirtschaftsprüfer.
Der Erfolg der Schwaben wird nicht honoriert
Aber auch als Anleger sollte man sich an Daimler erfreuen können. Meint man. Denn der schwäbische Konzern hat meiner Meinung nach letzte Woche mehr als solide Zahlen vorgelegt. Und was noch viel wichtiger ist – der Ausblick wurde deutlich nach oben revidiert. Die Zahlen wurden ja letztlich nur noch einmal bestätigt. Das Komische und Tragische zugleich war: An der Börse wurde dies alles ganz und gar nicht honoriert, während die Deutsche Bank am gleichen Tag mit ein paar netten Worten von Vorstandschef Ackermann und einem Einbruch in der Investment-Sparte die DAX-Spitze mit erklomm, schmierte die Daimler-Aktie ab. Zeitweise um mehr als 4,7%.
Dabei zahlte sich Daimlers Strategie in den letzten drei Monaten aus. Der Konzern hat bekanntlich in allen Geschäftsfeldern beim Absatz und beim Umsatz eine sehr dynamische Entwicklung zu verzeichnen. “Nach einem bereits guten ersten Quartal konnten wir nun im zweiten Quartal ein exzellentes Ergebnis erwirtschaften, sagte damals Dieter Zetsche, Vorstandschef der Daimler AG.
Und der Ausblick? Der war ebenfalls gut. “Wir rechnen für das Jahr 2010 mit einem deutlichen Umsatzanstieg und streben ein EBIT aus dem laufenden Geschäft von 6 Mrd. EUR an. Die positive EBIT-Entwicklung im zweiten Quartal führte zu einer signifikanten Verbesserung des Konzernergebnisses auf 1.312 (i.V. -1.062) Mio. EUR. Das Ergebnis je Aktie lag bei 1,18 (i.V. -0,99) EUR”. Bisher hatte sich Daimler deutlich zurückhaltender geäußert und nur vier Milliarden anvisiert.
Das Übliche? „Sell on good News”….
Klingt für mich und für einen langfristig orientierten Anleger nicht nur plausibel, sondern auch nach einer guten Investment-Möglichkeit, zumal Daimler für die Zukunft seine Hausaufgaben gemacht haben sollte. Aber wie gesagt, die Aktie schmierte am gleichen Tag ab und wie immer konnten wir dann alle die üblichen Floskeln in den Medien lesen wie etwa „Gewinnmitnahmen bei Daimler“ oder „Sell on good News“. Anleger neigen anscheinend auch dazu, gerade bei (DAX-)Höhenflügen überheblich zu werden. Das mit dem Hals vollbekommen scheint auch nach der (Auto-)Krise nicht vorbei zu sein.
Fortsetzung der Schaukelbörse?
Man darf wirklich gespannt sein, was nach der großen Zahlenwelle hierzulande und auch in den USA passiert. Zumal diese Woche allein 12 Konzerne aus dem DAX ihre Zahlen präsentieren.
Heute unter anderem auch BMW, Fresenius Medical Care und die Aktie Geld, sprich die Deutsche Post. Interessant wird dann auch sein – wenn die Konzerne dann größtenteils gute Ergebnisse bringen - welche Anleger sich einmal mehr an den Spruch „Sell on good News“ erinnern.
Ich persönlich rechne auch in den kommenden Wochen mit einer Fortsetzung der Schaukelbörse auf den Parketts, da die Unsicherheit einmal mehr, einmal weniger bei den Anlegern präsent ist. Oder um auf die letzte Kolumne noch einmal zurückzugreifen: Es ist weiterhin in diesen Tagen nicht einfach, sich ein seriöses Bild vom Aktienmarkt zu machen. Eine Fülle an Informationen prasselt auf den Anleger ein und der Versuch, diese irgendwie sinnvoll zu filtern und daraus seine Schlüsse zu ziehen, ist sehr schwer…
Christoph Scherbaum schreibt für dieboersenblogger.de, das einfache und direkte Sprachrohr von Journalisten und deren Kollegen, die teils schon mit jahrzehnterlanger Arbeits- und Börsenerfahrung aufwarten können. Auch als professionelle Marktteilnehmer und natürlich als Börsenfans. In ihrem Blog vertreten sie eine ganz simple Philosophie: Sie schreiben unabhängig von irgendwelchen Analysten, Bankexperten oder Gurus, was sie zum aktuellen (Börsen-)Geschehen denken.