Euro am Sonntag-Meinung

China ist kein Land für (Börsen-) Bären

19.08.18 01:00 Uhr

China ist kein Land für (Börsen-) Bären | finanzen.net
Sabrina Ren

In zwei Schritten, im Juni und nun im August, werden auch chinesische Aktien, die bisher nur im Land gehandelt wurden, in die wichtigen MSCI-Indizes aufgenommen. Was davon zu erwarten ist.

von Sabrina Ren, Gastautorin von €uro am Sonntag

Nach einer starken Erholung der chinesischen Aktien im Jahr 2017 war eine der am ­häufigsten gestellten Fragen während einer kürzlich durchgeführten europäischen Roadshow "Was nun?". Gehen wir auf eine drastische "Rückkehr zum Mittelmaß" zu oder war es der Anfang von etwas Großem? Unserer Ansicht nach war das, was 2017 geschah, nur der Beginn einer mehrjährigen Neubewertung chinesischer Aktien, die von einer Reihe von Faktoren getrieben wurde. Die grundlegende Änderung des chinesischen Wirtschaftswachstumsmodells ist die wichtigste Begründung.

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Nach der 40 Jahre dauernden Phase mit hohem Wachstum hat sich die chinesische Regierung für ein langsameres Wachstumsmodell entschieden, das auf Qualität und Nachhaltigkeit setzt. In anderen Worten: Chinas Wachstumsmodell ändert sich allmählich von hohem Wachstum mit niedriger Qualität zu niedrigem Wachstum mit hoher Qualität. Während dieses Prozesses werden eine Reihe von strukturellen Fragen, die in das bisherige, nicht nachhaltige ­Modell integriert waren - wie hohe ­Kreditfinanzierung, unausgewogene Immobilienmärkte, Überkapazitäten, Ressourcenknappheit und Umwelt­zerstörung - Schritt für Schritt angegangen. Währenddessen wird das Land weiterhin Innovation, Forschung und Entwicklung fördern, um die globale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.

Aufnahme der A-Aktien in die MSCI-Indizes treibt die Kurse

Während dieses Prozesses werden Investoren erkennen, dass die typischen Argumente, präsentiert von den "China-­Bären", keinen Bestand haben werden und die China-Story immer realer und nachhaltiger wird. Wir glauben, dass der Wandel in der fundamentalen Wahrnehmung von China durch Beobachter weltweit eine Neubepreisung der Risikoprämie chinesischer Aktien auslösen und zu einer nachhaltigen Neubewertung führen wird.

Wir glauben auch, dass die Einbe­ziehung von chinesischen Onshore- Aktien, auch bekannt als A-Aktien, in die MSCI-Indizes der Schwellen- und Welt­indizes ebenfalls zur Neubewertung beitragen wird. MSCI-Indizes gelten als vertrauenswürdig. Mit der Aufnahme von A-Aktien in die Indizes hat MSCI der Welt gezeigt, dass der A-Aktienmarkt nicht nur ein Markt ist, der aufgrund seiner Größe nicht vergessen werden sollte, sondern auch von ausländischen Investoren, entweder über die Stock-Connect-Plattform oder die QFII-Quoten, vollständig investierbar ist.

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Die Einbeziehung von A-Aktien in die MSCI-Indizes bedeutet, dass Investoren, die diese als Benchmark benutzen, chinesische Aktien kaufen müssen, um Performanceabweichungen zu vermeiden. Der MSCI startete im Juni 2018 ­unter teilweiser Berücksichtigung mit 2,5 Prozent Anteil. Bei vollständiger ­Berücksichtigung - die Rede ist von insgesamt 222 Titeln - werden die China-­A-Aktien etwa 20 Prozent des MSCI Emerging Markets Index ausmachen. Chinesische Aktien, einschließlich der in Hongkong gelisteten Aktien und American Depository Receipts, werden bei vollständiger Berücksichtigung voraussichtlich innerhalb der nächsten fünf bis sechs Jahre etwa 40 Prozent des MSCI Emerging Markets Index ausmachen.

Deshalb erwarten wir, dass Investoren sich mehr und mehr mit chinesischen Aktien, sowohl onshore als auch offshore, als einer vielversprechenden und investierbaren Anlageklasse aus­einandersetzen werden.

Für den mittel- bis langfristigen Ausblick bei chinesischen Aktien sind wir trotz der jüngsten Volatilität optimistisch. Wir, als fundamentale Stock­picker mit konzentrierten Strategien, glauben, dass der beste Weg, die Möglichkeiten Chinas zu nutzen, der ist, die Schlüsselthemen zu analysieren, die das künftige Wachstum vorantreiben, und die wettbewerbsfähigsten und am besten geführten Unternehmen zu identifizieren, die über einen längeren Zeitraum steigende Renditen liefern.
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Wir mögen das Thema innovative Technologien, da es die wichtigste Triebkraft für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung Chinas ist. Das Land hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2035 im Bereich Innovation Marktführer zu sein, da es bereits heute die zweithöchsten Ausgaben der Welt in Forschung und Entwicklung hat und die Nummer 1 in Sachen Patentanmel­dungen ist. Diese Bedrohung hat auch Washington bemerkt und versucht nun, diesen Anstieg zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen - mit aus unserer Sicht sehr geringen Erfolgsaussichten.

Wir mögen auch das Thema des steigenden Konsums. Unternehmen, die qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen für die aufstrebende Mittelschicht anbieten, die ein komfortableres Leben und eine bessere Umwelt fordern, sollten sich abheben. Moderne Fertigung ist ein weiteres Thema, das wir unterstützen. Wir glauben, dass China in die gleiche Ära der Importsubstitution eingetreten ist, wie Südkorea in den 90er-Jahren. Der Strategieplan "Made in China 2025" zielt eindeutig ­darauf ab, den Inlandsanteil von Kernmaterialien und -komponenten zu er­höhen. Dabei fokussiert man sich auf fortschrittliche Chips, Speicher und Software, für die derzeit noch ausländische Unternehmen zuständig sind.

Die Zusammenbruch-These von 2001 ist längst widerlegt

Das Buch "The Coming Collapse of China", das 2001 von Gordon G. Chang veröffentlicht wurde, hatte großen Einfluss. Es sagte den Zusammenbruch der chinesischen Wirtschaft neben dem politischen System bis 2006, spätestens aber bis 2011 voraus. Doch 17 Jahre später steht China viel stärker da als 2001 und ist auch auf politischer Ebene deutlich stabiler als eine große Zahl von Industrieländern, was den Vorhersagen der Pessimisten zuwider läuft.

Im Gegensatz zu den Ansichten von mittlerweile wenigen chinesischen Bären, die an die Zusammenbruch-Theorie glauben, denken wir, dass die chine­sische Wirtschaft über Mittel und ­Ressourcen verfügt, um aus ihren strukturellen Problemen herauszuwachsen, indem sie große Investitionsmöglichkeiten den Frühaufstehern unter den Anlegern bietet, die vielleicht erkennen, dass in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt etwas Großes passiert.

Wird das 21. Jahrhundert "das chinesische Jahrhundert" sein, wie es Oded Shenkar 2006 schrieb, als er in seinem Bestseller voraussagte, dass China die USA überholen und bis 2026 die größte Volkswirtschaft sein wird? Das ist viel wahrscheinlicher.

Kurzvita

Sabrina Ren
Fondsmanagerin bei JK Capital Management
Ren hat einen Bachelor of Arts von der Wuhan Universität in China und einen MBA von der Universität Maryland. Sie ist Portfoliomanagerin mit 17 Jahren Erfahrung in der Finanzindustrie.
Seit mehr als 40 Jahren entwickelt La Française Kernkompetenzen im Asset-Management für Dritte. Eine ihrer Tochtergesellschaften ist ­ JK Capital Management Ltd, die auf chinesische und asiatische Aktien- und Anleihefonds ­spezialisiert ist.




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Bildquellen: hxdbzxy / Shutterstock.com, JK Capital Management