Marktbericht & Presseschau Ulrich Kirstein

Hauptsache grün

11.08.25 09:33 Uhr

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Hauptsache grün | finanzen.net

Ulrich Kirstein mit der Presseschau

Zumindest für eine Überraschung ist Trump immer gut, leider sind es selten positive. Eigentlich sollten die Zölle am 8. August einsetzen, da hat er sie doch flugs um einen Tag nach vorne verschoben - offensichtlich braucht das Weiße Haus dringend und sofort mehr Geld…

Light at the End of the Tunnel

Von Sommerloch kann zumindest nicht die Rede sein, weder in der Politik noch an der Börse. Es wird weitergekämpft und zurückgetreten und alles in allem kommt die deutsche Wirtschaft nicht recht voran: "Industrieproduktion bricht ein: Düstere Wolken über der deutschen Wirtschaft", schreibt die Börsen-Zeitung, wo doch endlich die Sonne herausgekommen ist nach regenreichen Wochen. Vielleicht passt zur gegenwärtigen Situation am besten eine weitere Headline aus der Börsen-Zeitung: "Katastrophenanleihen sind stark gefragt". Aber jetzt ist Urlaubszeit und danach wird alles besser, nicht nur im Döner-Laden: "Ich bin froh und habe nach der Unterschrift gestern geweint", textet die Frankfurter Allgemeine Zeitung über den ersten Tarifvertrag in der Dönerbranche.

Super Trouper

Technologie und Luxus und das während der Urlaubszeit, das waren die Anforderungen an die Gestalter der Titelbilder der obligatorischen Finanzmagazine. Was liegt näher, als ein goldenes Softeis (Börse Online), eine futuristisch blinkende E-Gitarre (Der Aktionär), die auch das Raumschiff eines musikliebendes Völkchens sein könnte, oder ein Quantencomputer, den wir, Schande über uns, auf Anhieb gar nicht als solchen erkannten (Focus Money). "Comeback der Luxusaktien" begleitet das goldene Eis von Börse Online und an manch Münchner Eisdiele fragt man sich, ob für die Kugel Eis bereits Luxussteuer berappt werden muss. "25 Tech-Stars der Zukunft", das verspricht uns Focus Money mit "bis zu 70 Prozent" Rendite. Schlicht mit "Tech Rocks" macht Der Aktionär auf und will uns "4 Aktien aus der 2. Reihe" nahebringen. Entspannung pur bietet uns dafür das Titelbild von Das Investment, stellt es doch einen zusammengekauert Schlafenden in Anzug und Krawatte dar, selig lächelnd: "Endlich ruhig schlafen", ist das Bild unterschrieben. Wie das geht? Mit Hilfe von "Low-Vola-Fonds", die "ruhigere Fahrten durch turbulente Märkte" versprechen sollen. Doch Das Investment hält den Alp bereit, denn es geht auch um "versteckte Risiken" dieser Anlageklasse.

Ich bereu es nie

Wer kennt das nicht: Wir wollen nur eine neue Hose kaufen und kommen mit drei Tüten (aus Papier selbstverständlich) nachhause. Und wir fühlen uns auch noch gut dabei und nicht als Konsumritter wider die Windmühlen unserer Sparsamkeit. Warum? Es gab doch alles günstiger, wenn wir jetzt nicht zugeschlagen hätten… "Warum wir immer wieder auf Rabatte hereinfallen", will uns die Frankfurter Allgemeine Zeitung aufklären und wir melden bekümmert Bedarf an. Höchste Zeit auch für die Wissenschaft, sich dem Thema zu widmen, dachte sich Marketing-Professor Martin Paul Fritze von der LMU München. Es gilt die "Theorie des Transaktionsnutzens", der sich rein auf die Preiswahrnehmung bezieht und nicht auf die Sinnhaftigkeit des Gekauften. Das Gehirn schüttet das Glückshormon Dopamin aus, wenn wir einen spontan-günstigen Einkauf gemacht haben - auch wenn wir ihn gar nicht brauchen. Der Anreiz zum Kauf wird noch durch Verknappung erhöht. Übrigens, weder Alter noch Einkommen spielen bei unnötigen Spontankäufen eine Rolle, nur das Geschlecht. Welches, da schweigt der Gentleman und summt leise: "Material Girl".

Es grünt so grün

Es ist ja eine unbestrittene Tatsache: Panzer sind grün. Schon immer. Jetzt hat die EU mit dem Defence Readiness Omnibus eine "Zeitenwende bei Sustainable Finance", so die Börsen-Zeitung, hingelegt und damit sind Panzer auch im übertragenen Sinne "grün", also sustainable. Nun ja, die Nachhaltigkeit im Kampfeinsatz ist oftmals zeitlich begrenzt und der Verbrauch von Diesel oder Kerosin ist immens - der Leopard 2 schluckt auf 100 km gerne mehr als 500 Liter. Aber wann kommt ein Panzer schon 100 Kilometer voran? Unter den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen fallen deshalb viele aus dem Raster, Bezug genommen soll insbesondere auf Ziel 16, "Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen". Je nach Panzerbesatzung käme vielleicht noch Ziel 5 "Geschlechtergleichheit" in Frage. Bisher durften Unternehmen nicht mehr als 10 Prozent ihres Umsatzes mit Verteidigungsgütern erwirtschaften, sonst fielen sie aus den ESG-Fonds - jetzt kommen manche überhaupt erst rein, wenn sie mehr Umsatz mit Waffen erzielen. O tempora, o mores, wie schon der Römer sagte. Und die neue Begeisterung für Rüstung schlägt sich an der Börse und bei den Unternehmensgewinnen nieder, "Rheinmetall schafft Rekordumsatz - Auch Deutz macht in Rüstung", klärt uns die Börsen-Zeitung auf. "Macht in Rüstung" ist ein interessantes Phänomen, während es einmal hieß: Helme zu Kochtöpfen werden jetzt vielleicht Kochtöpfe zu Helmen, mit oder von Henkel?

Die Überschriften in ihrer Reihenfolge:

Starlight Express von Andrew Lloyd Webber / Richard Stilgoe
Mamma Mia von Benny Andersson und Björn Ulvaeus / Catherine Johnson
A Chorus Line von Marvin Hamlisch und James Kirkwood Jr./Nicholas Dante
My Fair Lady von Frederick Loewe/Alan Jay Lerner

Ulrich Kirstein ist Pressesprecher der Börse gettex. Der Betriebswirt und Kunsthistoriker schreibt über Literatur und Börse, interviewt alle 14 Tage in Börse am Donnerstag den Leiter Marktsteuerung und hat u.a. mit Christine Bortenlänger Börse für Dummies und Aktien für Dummies verfasst.