Nagel: Inflationsziel von 2% erreicht - EZB muss wachsam bleiben
Von Hans Bentzien
DOW JONES--EZB-Ratsmitglied Joachim Nagel ist nach eigenen Worten zuversichtlich, dass im Euroraum Preisstabilität erreicht ist, gleichwohl müsse die Europäische Zentralbank (EZB) wachsam bleiben. "Im Mai ist die Inflationsrate im Euroraum laut erster Schätzung auf 1,9 Prozent gesunken. Für die kommenden Monate erwarten wir vergleichbare Werte. Ich bin daher zuversichtlich, dass sich die Inflation nachhaltig bei 2 Prozent einpendeln wird und wir damit unser mittelfristiges Inflationsziel erreichen werden", sagte Nagel laut veröffentlichtem Text bei Frankfurt Euro Finance Summit.
Nagel zufolge gilt das auch, obwohl die Inflationsrate im nächsten Jahr vorübergehend unter 2 Prozent fallen könnte, vor allem getrieben von gesunkenen Energiepreise. "Ein dauerhaftes Unterschießen ist nicht wahrscheinlich. Dafür ist die zugrunde liegende Inflation und vor allem die Verteuerung der Dienstleistungen zu hoch", sagte er.
Für die künftige Preisentwicklung spielten neben Öl- und Gaspreisen die Zoll- und Fiskalpolitik eine wichtige Rolle. Allerdings seien deren momentan erwartete Auswirkungen auf die Inflation nicht eindeutig. So könne etwa das durch den Zollkonflikt geringere Wirtschaftswachstum den Inflationsdruck weiter mindern. Umgekehrt könne die zollbedingte Fragmentierung von Lieferketten höhere Kosten verursachen, die dann zu steigenden Preisen führen.
"Die deutsche Fiskalpolitik wird wahrscheinlich kurzfristig den Preisauftrieb spürbar dämpfen, wenn Entlastungsmaßnahmen wie die Senkung der Stromsteuer oder der Netzentgelte in Kraft treten". erläuterte er. Hingegen könnten höhere Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur mittelfristig die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und indirekt auch die Verbraucherpreise antreiben.
Die Geldpolitik wirkt mit den aktuellen Leitzinsen Nagel "wohl sicher nicht mehr restriktiv". "In meinen Augen haben wir mit diesem Zinsniveau eine sehr gute Ausgangsposition, um auf unterschiedlichste Entwicklungen reagieren zu können", sagte er. Die EZB könne sich aber keineswegs bequem im weichen Sessel zurücklehnen und die Hände in den Schoß legen. "Vielmehr gilt es, Augen und Ohren hinsichtlich der Risiken für die Preisstabilität offenzuhalten. Dies gilt auch angesichts der aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten."
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June 16, 2025 03:51 ET (07:51 GMT)