OTS: Genossenschaftsverband Bayern e.V. / Bayerns Genossenschaften trotzen ...
Bayerns Genossenschaften trotzen der Flaute - Gesamtumsatz trotz
schwacher Konjunktur - Rückgänge im Energie- und Agrarbereich,
Wachstum bei Milch und Dienstleistungen
München (ots) - Die deutsche Volkswirtschaft bewegt sich am Rande der Rezession.
Die 1.044 genossenschaftlichen Unternehmen in Bayern konnten sich im Jahr 2024
trotz des fehlenden konjunkturellen Rückenwinds abermals gut behaupten. Sie
steigerten ihre Umsätze von 16,6 Milliarden Euro (bereinigte Zahlen) um fast 3,2
Prozent auf knapp über 17 Milliarden Euro. "Die mittelständischen
genossenschaftlichen Unternehmen beweisen einmal mehr ihre Widerstandsfähigkeit
in wirtschaftlich schwierigen Zeiten", sagte Stefan Müller, Präsident des
Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), am Mittwoch in München.
Das Gründungsgeschehen blieb mit 33 Gründungen auf hohem Niveau - konnte aber
den außergewöhnlichen Gründungsboom des Vorjahres mit 51 Gründungen nicht ganz
erreichen. "Das Interesse an Genossenschaftsgründungen bleibt hoch. Denn das
Genossenschaftsmodell bietet Lösungen für viele aktuelle Herausforderungen der
Menschen und ihrer Regionen. Angesichts der hohen wirtschaftlichen Volatilität
stellen aber viele ihr Vorhaben zurück und warten erst einmal ab", betonte
Müller.
Energie
Einen Umsatz in Höhe von 431,1 Millionen Euro erwirtschafteten die 346 (2023:
329) Energiegenossenschaften, nach 461,5 Millionen Euro im Vorjahr - ein
Rückgang um 6,6 Prozent. Dieser Umsatzrückgang ist zum einen auf geringere
Strompreise, zum anderen auf eine geringere Stromausbeute zurückzuführen.
Gegenüber 2023 gingen die nutzbaren Sonnenstunden in 2024 deutlich zurück. Hinzu
kommt: An Tagen, an denen die Sonne scheint und der Wind weht, kommt es immer
wieder zur Abschaltung von Anlagen, da die Netze die Strommengen nicht aufnehmen
können. "Das zeigt deutlich, wo es derzeit bei der Energiewende hakt. Der
Netzausbau muss beschleunigt werden und die regionale Vermarktung von Strom gilt
es zu fördern", forderte Müller.
Während in zurückliegenden Jahren auch kleinere Anlagen wirtschaftlich errichtet
und betrieben werden konnten, geht der Trend inzwischen zu größeren Einheiten.
Zudem sind Windenergieprojekte aufwendiger und mit deutlich höheren Kosten
verbunden als Solarparks. Daher rechnet der GVB in den kommenden Jahren im
Bereich Energie mit Fusionen unter den Genossenschaften, damit diese die
notwendige kritische Größe erreichen und größere Projekte stemmen können. Offen
ist zudem die Zukunft von Anlagen, die nach 20 Jahren aus der Ausbauförderung
fallen.
Unter den Neugründungen hält der Trend zu Wärmegenossenschaften weiter an. Deren
Zahl legte von 143 auf 157 zu. Die Umsatzsteigerung fiel durch die
Nachverdichtung von Baugebieten und damit neue Anschlüsse höher aus als
erwartet. Im Zuge der kommunalen Wärmeplanung wird genossenschaftlichen
Wärmenetzwerken eine weiter steigende Bedeutung zuwachsen.
"Energiegenossenschaften stehen für echte Bürgerbeteiligung. Bürgerinnen und
Bürger profitieren unmittelbar von Projekten in ihrer Region. Das schafft
Akzeptanz und sorgt für Wertschöpfung vor Ort", sagte Müller. Er hofft auf die
Neuvorlage des kürzlich zurückgezogenen Entwurfs für ein bayerisches
Bürgerbeteiligungsgesetz und darauf, dass hier Genossenschaften als wesentliche
Akteure der Energiewende anerkannt werden.
Raiffeisen-Warengeschäft
Die 70 Raiffeisen-Warenunternehmen erwirtschafteten Umsätze in Höhe von rund 1,5
Milliarden Euro, nach 1,6 Milliarden Euro im Vorjahr. Der Rückgang bei Umsatz
(9,0 Prozent) und der Anzahl - im Jahr 2023 waren es noch 74 Unternehmen - ist
vor allem auf das schwächere Agrar- und Baustoffgeschäft zurückzuführen. Zudem
bleiben Strukturveränderungen in der Landwirtschaft sowie Begrenzungen beim
Stickstoffeinsatz nicht ohne Wirkung. Dies führt zu einem geringeren Absatz von
Düngemitteln, aber auch zu Einbußen in der Getreidequalität. Zudem wirken sich
der Klimawandel und damit verbundene Belastungen für die Pflanzen auf die
Erntemengen aus.
Im Bereich Landwirtschaftstechnik bleibt der Absatz der Händler stabil,
abgesehen vom deutlich rückläufigen Stallbau. Auch die gedämpfte Entwicklung am
Bau bleibt nicht ohne Folgen und führt zu einer geringeren Nachfrage nach
Baustoffen. An dieser Stelle zeichnet sich aber eine Besserung ab. Das
Neugeschäft für private Wohnungsbaukredite der bayerischen Volks- und
Raiffeisenbanken nimmt wieder Fahrt auf. Im März 2025 lag dieses 56 Prozent über
dem Vorjahresniveau. "Wir gehen davon aus, dass davon auch der Baustoffhandel
ebenso wie baunahe Handwerksleistungen profitieren werden", folgerte Müller.
"Für den ländlichen Raum sind und bleiben die Raiffeisen-Märkte eine wichtige
Stütze und machen die Bedeutung von Genossenschaften für die Regionen sichtbar",
ergänzte er.
Milchgenossenschaften
Einen Umsatz in Höhe von rund 4,0 Milliarden Euro (Vorjahr: 3,8 Milliarden Euro)
erwirtschafteten die 98 Milchgenossenschaften - ein leichtes Plus von 100
Millionen Euro beziehungsweise 2,6 Prozent. "Im Bereich Milch befinden wir uns
derzeit in einer Phase von Stabilität, wie wir sie in den vergangenen
Jahrzehnten nicht erlebt haben", sagte Müller. Allerdings steigt die Milchmenge
weltweit kaum noch an.
China legt in der Milchproduktion nicht mehr so zu wie in zurückliegenden Jahren
und auch die Produktion in Neuseeland kommt an ihre Grenzen. So steigt die
Nachfrage nach Käse und auch der Export von Milchprodukten hat sich solide
entwickelt. Neben Käse war der Absatz von Joghurt ein weiterer Treiber und das
Biosegment kommt nach einer Schwächephase in den beiden zurückliegenden Jahren
wieder in Schwung. "Die Verbraucherinnen und Verbraucher besinnen sich zunehmend
auf regionale Produkte und genossenschaftliche Qualität", folgerte Müller. Zudem
hat der Vegan-Trend weit weniger Schwung entwickelt als bislang angenommen.
Stattdessen greifen immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher zu
proteinhaltiger Nahrung und wissen wieder hochwertige tierische Eiweiße zu
schätzen.
Mit Sorge blickt die Branche auf die Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche.
Zwar blieb Bayern bislang verschont, doch der freizügige Personen- und
Warenverkehr birgt eine große Gefahr. Mitgebrachte Speisen aus dem Ausland
gelten als Hauptursache für die Verbreitung von Tierseuchen. Daher bleiben diese
Krankheiten eine Herausforderung für die Branche. Denn die Folgen sind
dramatisch. Bei zurückliegenden Fällen hat sich gezeigt: Betroffene Höfe
verschwinden oft dauerhaft vom Markt.
Mit Sorge blickt die Branche außerdem nach Brüssel. Die EU-Kommission plant
offenbar, den bislang freiwillig von den Mitgliedsstaaten angewandten Artikel
148 der EU-Verordnung 1308, Gemeinsame Marktorganisation (GMO), für alle
Mitglieder verpflichtend einzuführen. Dieser besagt, dass vor der Lieferung von
Milch an die Molkerei die Menge und der Preis festgeschrieben sein sollen.
"Gegen diese verpflichtende Einführung wehren wir uns, da sie
genossenschaftlichen Prinzipien zuwiderläuft und bei den Molkereien zu einem
gewaltigen bürokratischen Aufwand führen würde", kritisierte Müller.
Genossenschaftlicher Logik entspricht es, dass die Molkerei das Geld verdient
und an die Mitglieder weiterreicht. "Staatliche Lenkung und noch mehr Bürokratie
sind das Gegenteil dessen, was eine Marktwirtschaft braucht. Sie widersprechen
zudem den immer wieder wiederholten Bekenntnissen der EU-Kommission zu einer
freien Wirtschaft und weniger Bürokratie", sagte Müller.
Handel
Ein Umsatzplus um 6,9 Prozent von 6,6 Milliarden Euro auf 7,1 Milliarden Euro
verzeichneten die 65 Handelsgenossenschaften. Ein Unternehmen aus der
Arzneimittelbranche dominiert diese Sparte. Darüber hinaus zählen hierzu
Unternehmen aus dem Bereich Nahrungs- und Genussmittel sowie Dorfläden.
Durch das sehr preisempfindliche Verhalten von Verbraucherinnen und Verbraucher
tun sich Dorf- und Unverpacktläden zunehmend schwer. Die inflationsbedingten
Preissteigerungen und der steigende Druck durch Discounter haben dazu geführt,
dass sich die kostenbewusste Kundschaft umorientiert. Besser läuft es dagegen
für Dorfläden in besonders günstiger Lage und für solche mit einer klaren
Ausrichtung in Richtung Biosortiment.
Ländliche Genossenschaften
Die 223 ländlichen Genossenschaften erwirtschafteten einen Umsatz in Höhe von
1,6 Milliarden Euro und damit etwas mehr als im Jahr zuvor (1,5 Milliarden Euro)
- ein Plus von 1,9 Prozent. Zu diesem Segment zählen unter anderem Unternehmen
in den Bereichen Forst- und Holzwirtschaft, Trocknung, Weinbau, Brennerei, Vieh
und Fleisch sowie Maschinen.
Erfreulich ist, dass sich der Absatz von Schweinefleisch nach jahrelangem
Rückgang gefestigt hat. Beim Rindfleisch erleben die Erzeuger eine deutliche
Zunahme. Grund dafür: Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher entdecken
Burger für sich. Dieser Burgerboom trägt die hohe Nachfrage. Entscheidend für
die weiter positive Entwicklung der Fleischbranche ist jedoch eine tragfähige
Schlachthofstruktur. Nach dem Rückzug eines großen Akteurs hoffen die Erzeuger
nun auf eine Normalisierung.
Bei den Winzern bleibt die Lage angespannt. Drei Winzergenossenschaften zählt
der GVB zu seinen Mitgliedern. Steigende Kosten für Personal, Energie oder
Transport sowie Veränderungen bei den Trinkgewohnheiten tragen dazu bei, dass
perspektivisch voraussichtlich weitere Anbauflächen stillgelegt werden. Aufgrund
des Klimawandels vollzieht sich zudem ein fortschreitender Wechsel zu hitze- und
trockenheitsresistenteren Rebsorten.
Handwerksgenossenschaften
46 Handwerksgenossenschaften zählen zu den Mitgliedern des GVB. 2025
erwirtschafteten sie einen Umsatz in Höhe von 940 Millionen Euro, nach 981
Millionen Euro im Jahr zuvor - ein Rückgang um gut 4,2 Prozent. Zu dieser Gruppe
gehören Genossenschaften für das Bauhandwerk, aber auch für Kaminkehrer, Bäcker,
Metzger sowie Brauereigenossenschaften. Bemerkbar macht sich in diesem Segment
die Flaute im Baugewerbe.
Im Lebensmittelhandwerk spüren die Betriebe Druck durch Fachkräftemangel,
gestiegene Personalkosten und durch Inflation gestiegene Verkaufspreise. Dies
hat dazu geführt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend ausweichen.
Die anhaltende konjunkturelle Schwäche dämpft auch den privaten Konsum. Zwar ist
die Lage in einzelnen Betrieben weiter stabil, doch je kleiner die Einheiten
sind, umso schwerer ist es, weiter zu bestehen. Dies beschleunigt perspektivisch
den Strukturwandel weiter.
Gewerbliche Genossenschaften
Die 152 gewerblichen Genossenschaften erwirtschafteten einen Umsatz in Höhe von
1,7 Milliarden Euro - nach 1,6 Milliarden Euro im Vorjahr - ein Plus von über
5,3 Prozent. Auch hier ist ein einzelnes Unternehmen dominant, das der
Kommunikations- und IT-Branche angehört. Darüber hinaus zählen zu dieser Sparte
freie Berufsgruppen, Gastronomie, Gesundheit, Marketing und Tourismus sowie
Verkehr.
Eine Überblickskarte steht hier (https://www.gv-bayern.de/presse.html) zum
Download bereit
Der Genossenschaftsverband Bayern e.V. (GVB) vertritt seit mehr als 130 Jahren
die Interessen bayerischer Genossenschaften. Zu seinen 1.201 Mitgliedern zählen
Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie Unternehmen aus Branchen wie
Landwirtschaft, Energie, Handel, Handwerk und Dienstleistungen. Sie bilden mit
rund 50.000 Beschäftigten und 2,8 Millionen Anteilseignern eine der größten
mittelständischen Wirtschaftsorganisationen im Freistaat. (Stand: 31.12.2024).
Pressekontakt:
Dr. Gerald Schneider
Pressesprecher
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