Boris Johnson wird britischer Außenminister: Warum?

Kaum im Amt, hat Theresa May in der Downing Street 10 bereits kräftig umsortiert. Die absolute Überraschung: Boris Johnson ist der neue britische Außenminister. Das muss jedoch nicht zwangsläufig schlecht sein.
Die Briten und Europa erleben zurzeit ein Wechselbad der Gefühle. Erst das große Aufatmen: Die ursprünglich aus dem Bremain-Lager stammende Theresa May beerbt Cameron als Premierministerin. Dann jedoch sogleich der Schlag in den Magen: Umgehend ernennt May ausgerechnet Brexit-Gallionsfigur Boris Johnson zum Außenminister. Die Reaktionen auf diesen Paukenschlag reichten von offenem Entsetzen bis hin zu Sarkasmus. Dies sei "ein sehr schlechtes Signal für den Austrittsprozess", wurde umgehend aus dem SPD-Lager prophezeit. Auf Twitter wird sarkastisch dem trockenen britischen Humor applaudiert.
Making Boris Johnson the foreign minister is just the latest example of the dry British wit we all know and love
- Bobby Big Wheel (@BobbyBigWheel) July 13, 2016
Aus dem Lager der Grünen schallt der verzweifelte Ausspruch von Parteichefin Simone Peter, May habe nun "den Bock zum Gärtner gemacht". Der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner konnte sich den Zynismus ebenfalls nicht verkneifen. "Jetzt verhandelt er den Brexit. Gute Reise!", sagte er kurz nachdem sich die Nachricht von Johnsons Ernennung verbreitet hatte. Doch ganz so weit wird es wohl nicht kommen.
May zaubert einen "Brexit-Minister" aus dem Hut
Wer sollte die Brexit-Verhandlungen führen, wenn nicht der Außenminister? Theresa May hat auf diese Frage kurzerhand eine Antwort gefunden: Der "Brexit-Minister". Dieses neu geschaffene Amt soll in ihrem Kabinett nicht etwa Boris Johnson, sondern David Davis begleiten. Davis ist damit der Staatssekretär für den Austritt aus der Europäischen Union, wie das Büro der neuen Regierungschefin mitteilte. Damit ist Davis, nicht Johnson, der britische Chefunterhändler in den Verhandlungen mit Brüssel. Doch auch wenn sich Davis im Vorfeld keine peinlichen Patzer wie der Brexit-Wortführer Johnson erlaubt hat: Auch er zählte zum "Leave-Lager" und ist damit ebenfalls ein EU-Skeptiker.Was bedeutet ein Boris Johnson als Außenminister?
Wenn aber nun Boris Johnson nicht den Brexit verhandeln soll - was wollte May mit der Ernennung des umstrittenen Politikers bezwecken? Fakt ist: Johnson ist immer noch sehr beliebt im Brexit-Lager. Doch dies ist sicher nicht der einzige Grund, weshalb May dem schrägen Brexit-Befürworter einen so überraschend hohen Posten eingeräumt hat. Denn damit lastet nun doch Verantwortung auf Johnsons Schultern. Zwar nicht Premierminister, doch immerhin Außenminister: Das bedeutet, dass Johnson um die Konfrontation mit der EU und damit Brüssel nicht herum kommen wird. May hat mit ihrer Ernennung dafür gesorgt, dass das Brexit-Lager auch für die Folgen des Brexit-Votums, für das es so öffentlichkeitswirksam gekämpft hat, gerade stehen muss. Sicher ist: Johnson steht keine einfache Zeit bevor, denn in Brüssel wird man den streitbaren Brexiteer sicher nicht unbedingt gerne sehen. Er sei dankbar für diese Chance, sagte er am Mittwoch sichtlich erstaunt in die Kamera des britischen Senders BBC. Offenbar war die Ernennung auch für ihn selbst eine Überraschung.Weitere EU-Skeptiker ziehen ins Kabinett ein
Theresa May hatte noch vor ihrer Wahl erklärt, sie sei die beste Kandidatin, um das Bremain- und das Brexit-Lager miteinander zu vereinen. Nun hat sie Nägel mit Köpfen gemacht. Neben Davis und Johnson besetzen nun weitere Brexiteers Posten in Mays Kabinett: Der ehemalige Schatzkanzler George Osborne war der erste, der seinen Stuhl räumen musste, um Platz für den bisherigen Außenminister Philip Hammond zu machen, der ein enger Vertrauter Theresa Mays ist. Außerdem wurde der ebenfalls europaskeptische Liam Fox auf den neu geschaffenen Posten des Ministers für internationalen Handel gehievt.Theresa Mays Plan für die Zukunft
Damit ist klar: May nimmt die Brexiteers nun in die Pflicht. Sie selbst begleitet das höchste Amt und fungiert als Kontrollorgan über beide Lager. Doch wohin soll die Reise gehen? In ihrer Antrittsrede kurz nach ihrer offiziellen Ernennung durch die Queen verkündete May, sie wolle Großbritannien nach dem EU-Austritt eine "kühne, neue, positive Rolle" verschaffen. Es komme darauf an "ein besseres Britannien zu bauen". Besonders wolle sie in ihrer Amtszeit gegen "die brennende Ungerechtigkeit" kämpfen. Worte, die mehrere Deutungen zulassen. In der Zeit vor ihrer Ernennung hatte May bereits angekündigt zwar die engen Wirtschaftsbeziehungen zur EU beibehalten zu wollen, doch auch die Begrenzung des Zuzugs von Ausländern ins Vereinigte Königreich stehe auf ihrer Agenda - was Brüssel missfällt. Die britische Zeitung "The Telegraph" hat zumindest schon einmal eine optimistische Sicht auf Mays erste Amtshandlungen. May habe Johnson "in einem begeisternden Schachzug zum Außenminister gemacht", lobt die Zeitung. Johnsons Ernennung sei eine exzellente Idee gewesen. Er glaube an den Brexit, sei aber proeuropäisch. Dies wird nun im Zuge der kommenden Verhandlungen zu beweisen sein.Christina Fischer, Redaktion finanzen.net
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