ROUNDUP: Umfrage ergibt Mehrheit gegen Losverfahren beim Wehrdienst
BERLIN (dpa-AFX) - Eine Mehrheit der Deutschen ist gegen ein Losverfahren im Zuge eines neuen Wehrdienstgesetzes. In einer Umfrage des Instituts Insa für die "Bild am Sonntag" hielten 60 Prozent eine Regelung für falsch, bei der - wenn es zu wenige Freiwillige gibt - gelost werden soll, wer gemustert und unter Umständen zu einem sechsmonatigen Wehrdienst verpflichtet wird. Nur 21 Prozent der Befragten befürworteten eine solche Lösung. Elf Prozent gaben an, ihnen sei die Regelung egal, acht Prozent machten keine Angaben.
Was passiert bei zu niedrigen Freiwilligenzahlen?
Die Bundesregierung ringt um ein neues Wehrdienstgesetz, das zum 1. Januar in Kraft treten soll. Der Wehrdienst soll zunächst auf Freiwilligkeit beruhen. Der Streit der vergangenen Tage drehte sich vor allem darum, wie verfahren werden soll, wenn sich nicht genügend Freiwillige für die Bundeswehr finden und ob künftig alle jungen Männer wieder gemustert werden sollen. Dafür setzt sich Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ein.
Fachpolitiker von Union und SPD schlugen stattdessen vor, bei zu niedrigen Freiwilligenzahlen junge Männer per Losverfahren zur Musterung und, wenn nötig, später auch per Zufallsauswahl für einen Pflichtdienst heranzuziehen.
Pistorius sieht Abschreckung durch allgemeine Musterung
Pistorius hält eine Musterung aller jungen Männer für ein abschreckendes Signal gegenüber Russland. "Wenn wir wieder alle Männer eines Jahrgangs mustern und die Daten aller Wehrfähigen erheben, wird das auch in Russland wahrgenommen. Anders ausgedrückt: Auch das ist Abschreckung!", sagte der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag".
Sollte der Verteidigungsfall eintreten, den es zu verhindern gelte, trete nach dem Grundgesetz die 2011 ausgesetzte Wehrpflicht unmittelbar wieder in Kraft. "Dann müssen wir wissen, wer einsatzbereit ist und wer nicht", sagte der Minister.
Wehrdienstdebatte lässt offenbar Sorgen von Eltern steigen
Eine Folge der Wehrdienstdebatte: Beratungsstellen für Kriegsdienstverweigerung registrieren nach eigenen Angaben immer mehr Zulauf von besorgten Eltern. "Wir werden gerade nahezu überflutet von Anfragen", sagte der politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFGVK), Michael Schulze von Glaßer, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Die Aufrufzahlen der Website seien im September auf über 125.000 gestiegen - im Vergleich zu 55.000 im August. Der Anteil der anfragenden Eltern wachse.
Auch die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) verzeichnet mehr Zulauf, wie ihr Sprecher Dieter Junker dem RND sagte: "Was in diesem Jahr auffällt, ist, dass es eine spürbare und deutliche Zunahme an Beratungsanfragen durch Eltern gibt, die sich wegen ihrer minderjährigen Söhne und Töchter besorgt zeigen bezüglich einer möglichen Wiedereinführung einer Wehrpflicht oder eines neuen Wehrdienstes."
Rückkehr zur Wehrpflicht?
Immer wieder wird auch eine Rückkehr zur 2011 ausgesetzten Wehrpflicht diskutiert. Auf die Frage, ob diese eher wieder eingesetzt werden solle oder ob es stattdessen eher ein Freiwilligenmodell geben soll, sprachen sich 44 Prozent der Befragten für die Rückkehr zur Wehrpflicht aus. 38 Prozent bevorzugen jedoch ein Freiwilligenmodell. Zwölf Prozent wollen beides nicht, sechs Prozent machten keine Angabe./sk/DP/he