ROUNDUP: Wadephul dringt auf humanitäre Hilfe für Gaza über Landweg
JERUSALEM (dpa-AFX) - Zur schnellen Verbesserung der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen hat Außenminister Johann Wadephul (CDU) Israel aufgefordert, Grenzübergänge in das Kriegsgebiet zu öffnen. "Nur über den Landweg können Hilfsgüter die Menschen in ausreichender Menge erreichen", sagte Wadephul zum Beginn einer zweitägigen Reise nach Israel und in die Palästinensergebiete. "Deswegen fordere ich die israelische Regierung dringend auf, den UN und den internationalen Hilfsorganisationen sicheren Zugang und vor allem auch sichere und effektive Verteilung zu ermöglichen."
Wadephul traf am Nachmittag in Tel Aviv ein und fuhr von dort weiter nach Jerusalem. Auf seinem Besuchsplan standen Gespräche mit seinem israelischen Kollegen Gideon Saar, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Staatspräsident Izchak Herzog.
Zentrale Themen des Besuches sind die Linderung der Not der Menschen im Gazastreifen und Wege zur Beendigung des bald zwei Jahre andauernden Krieges. Für diesen Freitag ist ein Treffen mit Verantwortlichen der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah im Westjordanland geplant.
Wadephul: Sterben in Gaza hat unfassbare Dimensionen
In seinem Statement beim Abflug betonte der deutsche Außenminister, Israel müsse "sofort, umfassend und nachhaltig für Abhilfe bei der katastrophalen Lage im Gazastreifen sorgen". Dort habe das Sterben und Leiden "unfassbare Dimensionen angenommen".
Deutschland werde an der Seite Israels weiter dafür eintreten, dass die islamistische Hamas endlich die Geiseln, darunter auch deutsche Staatsangehörige, freilasse, entwaffnet werde und keinen politischen Einfluss mehr in den palästinensischen Gebieten habe. "Von ihr darf nie wieder eine Bedrohung für Israel ausgehen."
Zugleich warnte Wadephul Israel vor einer weiteren Verschärfung der Lage. "Auf einseitige Schritte wird auch Deutschland gezwungen sein, zu reagieren."
Vorerst keine Anerkennung eines Palästinenserstaates
Dabei bekräftigte Wadephul, dass Deutschland - anders als etwa Frankreich und Großbritannien - derzeit nicht an eine Anerkennung eines palästinensischen Staates denke. Zwar bleibe aus deutscher Sicht eine verhandelte Zweistaatenlösung der einzige Weg, der den Menschen auf beiden Seiten ein Leben in Frieden, Sicherheit und Würde ermögliche. Aber: "Für Deutschland steht die Anerkennung eines palästinensischen Staates eher am Ende des Prozesses."
Berlin noch zurückhaltend in Sanktionsfrage
Auch bei der Frage von Sanktionen gegen Israel hält sich Deutschland anders als viele andere europäische Staaten zurück. Die Bundesregierung hält sich diesen Schritt aber offen. Die EU-Kommission hatte empfohlen, die Teilnahme Israels am Forschungsförderungsprogramm Horizon Europe in Teilen unverzüglich auszusetzen. Ob Deutschland solche Maßnahmen mitträgt, dürfte auch von den Ergebnissen der Reise Wadephuls abhängen.
SPD und Grüne fordern mehr Druck auf Israel
Vor Beginn der Wadephul-Reise drang die SPD auf mehr Druck auf die israelische Regierung, mehr Hilfe auf dem Landweg für die notleidenden Menschen im Gazastreifen zuzulassen. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Siemtje Möller sprach im ARD-"Morgenmagazin" von "echtem Druck", damit das Leiden im Gazastreifen beendet werden könne. Möller ist Teil der Delegation des Außenministers.
Die Co-Vorsitzende der Grünen, Franziska Brantner, erwartet vom deutschen Außenminister, dass er "mit aller Kraft" auf humanitäre Hilfe für den Gazastreifen, die Freilassung der Geiseln und auf einen politischen Prozess zur Beendigung des Krieges drängt. Wichtig wäre europäische Handlungsfähigkeit, diese sei wegen der deutschen Position derzeit blockiert, sagte Brantner im rbb-Inforadio.
Prominente für sofortigen Stopp deutscher Waffenlieferungen
Mehr als 200 Schauspieler, Musiker und Medienleute drängen Kanzler Friedrich Merz (CDU) zum Stopp der Waffenlieferungen an Israel und zu weiteren Sanktionen. In einem offenen Brief, der vor Wadephuls Abflug nach Israel veröffentlicht wurde, verweisen sie auf das Leid von Kindern im Gazastreifen und betonen: "Auch wir verurteilen die grauenvollen Verbrechen der Hamas aufs Schärfste. Aber kein Verbrechen legitimiert es, Millionen von unschuldigen Menschen auf brutalste Weise kollektiv zu bestrafen."
Zu den Erstunterzeichnern gehören unter vielen anderen die Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, die Musikerin Shirin David und der Musiker Zartmann, die Schauspielerinnen Katharina Thalbach, Jessica Schwarz, Heike Makatsch und Liv Lisa Fries, die Schauspieler Benno Führmann, Daniel Brühl und Jürgen Vogel sowie der Autor Marc-Uwe Kling. Organisiert hat die Aktion nach eigenen Angaben die Kampagnengruppe Avaaz./sk/DP/jha