€uro-Interview

Fraport-Chef Schulte: "Eine Milliarde Gewinn in fünf Jahren"

20.07.10 17:00 Uhr

Der Flughafenbetreiber Fraport bekommt den Aufschwung voll zu spüren. Vorstandschef Stefan Schulte im Interview über die Aussicht auf höhere Gewinne, Engpässe im Luftverkehr und die Folgen einer Flugsteuer.

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Fraport-Chef Stefan Schulte, 50, im Interview mit Sabine Gusbeth, Euro-Magazin.

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Euro: Herr Schulte, im Rahmen des Sparpakets will die Bundesregierung ab 2011 eine Luftverkehrsteuer einführen. Sie soll für alle Passagiere gelten, die von einem deutschen Flughafen abfliegen. Fühlen Sie sich davon bedroht?
Stefan Schulte:
Es ist gut, dass die Bundesregierung sparen will. Aber unsere Branche, die viele tausend Arbeitsplätze geschaffen hat und schaffen will, mit einer Milliarde Euro zu belasten, halten wir für falsch. Der Luftverkehr finanziert sich durch die Entgelte der Passagiere vollständig selbst. Eine Milliarde Euro ist viel zu hoch – in Relation zur Größe der Luftfahrtindustrie wie auch im Vergleich zum Beitrag anderer Branchen. Das Problem ist zudem, dass es sich um einen nationalen Alleingang handelt. Das bedroht die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Flughäfen und Airlines – und damit letztlich auch der exportorientierten deutschen Wirtschaft. Um das zu verhindern, müssen auf jeden Fall Frachtgüter und Passagiere, die in Deutschland nur umsteigen, ausgenommen werden.

Euro: Wie viele der 51 Millionen Passagiere, die im vergangenen Jahr über den Frankfurter Flughafen geflogen sind, steigen nur um?
Schulte:
Rund 50 Prozent. Und von den Passagieren, die in Frankfurt umsteigen, fliegen etwa 40 Prozent von Europa über Frankfurt in die Welt und zurück. Wenn die in Deutschland eine Luftverkehrsabgabe bezahlen müssen, könnten sie morgen auch über Amsterdam, Paris oder London fliegen. Wenn das passiert, könnten wir die weltweiten Verbindungen für die deutsche Wirtschaft so nicht mehr aufrechterhalten.

Euro: Wenn die Luftverkehrsteuer Transferpassagiere aus Frankfurt vertreibt – inwieweit würde das Ihre Ausbaupläne gefährden?
Schulte:
Wir gehen fest davon aus, dass die Regierung, wenn sie eine Luftverkehrsabgabe beschließt, die Transferpassagiere ausnimmt.

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Euro: Und wenn nicht?
Schulte:
Dann hat Deutschland ein ganz anderes Problem: Das wäre ein unglaublicher Standortnachteil für die deutsche Wirtschaft. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Bundesregierung das berücksichtigt. Trotzdem wird eine Luftverkehrsabgabe Konsequenzen haben. Der Flughafenverband geht davon aus, dass sie die Branche etwa drei Prozent Wachstum kosten wird. Dennoch werden wir die Landebahn Nordwest wie geplant zum Winterflugplan 2011 in Betrieb nehmen, denn wir brauchen sie schon heute dringend. Der Neubau des dritten Terminals könnte sich allerdings um ein weiteres Jahr verschieben.

Euro: Die Flugverkehrssteuer soll „Anreize für umweltgerechteres Verhalten zu setzen“ heißt es beim Finanzministerium. Auch die Flughafengebühren am Frankfurter Flughafen sind nach ökologischen Aspekten gestaffelt. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Schulte:
Wir haben hier Lärmentgelte eingeführt, um Anreize zu geben, mit leisen Flugzeugen nach Frankfurt zu kommen. Das heißt: Leise Flugzeuge zahlen weniger, laute Flugzeuge zahlen deutlich mehr. Zudem haben wir emissionsbezogene Entgelte. Das ist eindeutig ein ökologischer Anreiz und der richtige Ansatz, den wir auch gerne verstärkt weitergehen würden. Und man darf nicht vergessen, dass ein Flughafen-Hub wie Frankfurt eine ökologische Funktion erfüllt.

Euro: Wie meinen Sie das? Schulte: Ein Hub konzentriert Passagiere und Fracht aus vielen verschiedenen Destinationen an einem Ort und verteilt sie von dort aus in die Welt. Wenn Sie das alles mit Direktverbindungen anbieten wollten, hätten Sie viel mehr Flüge und dementsprechend mehr Emissionen. Ein vollausgelasteter interkontinentaler Flug ist wirtschaftlich wichtig und ökologisch vernünftig. Auf interkontinentalen Flügen beträgt der Kerosinverbrauch pro Passagierkilometer etwa drei bis 3,5 Liter. Man kann sich sicher darüber unterhalten, ob ein Frühstück in Paris unter ökologischen Aspekten notwendig ist. Aber das muss am Ende der Markt entscheiden.

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Euro: Viel mehr als mit dem Flugbetrieb verdienen Sie aber mit Einnahmen aus Vermietungen, Einkaufsflächen und Parkgebühren – im vergangenen Jahr über 75 Prozent des Vorsteuergewinns von 290 Millionen Euro. Wozu brauchen Sie denn überhaupt eine neue Landebahn?
Schulte:
Auch die Shoppingzentren leben von Passagieren. Der Passagier ist unser Hauptgeschäft. Wir bieten ihm 300 Ziele, die von über 110 Airlines angeflogen werden. Wir haben kurze Umsteigezeiten und eine hervorragende Qualität: In 99 Prozent aller Fälle kommt das Gepäck mit dem gleichen Flieger an. Aber der Wettbewerb ist in diesem Bereich sehr hoch und wird stark über die Preise geführt. Deswegen verdienen wir heute unser Geld überwiegend mit Immobilien, Parken, Shopping und Werbung.

Euro: Während der deutsche Einzelhandel über Umsatzeinbußen klagt, planen Sie die Shoppingfläche am Frankfurter Flughafen bis 2015 von heute 19.000 auf 40.000 Quadratmeter ausbauen. Warum kaufen die denn am Flughafen ein und wer kauft bei Ihnen ein?
Schulte:
Wir verzeichnen in unserem Retail-Bereich nach wie vor sehr gute Umsätze. Das liegt natürlich auch daran, dass unser Angebot an Gastronomie und Shoppingflächen sehr vielfältig ist – insbesondere auf der Luftseite, also dort, wo die Passagiere zwischen zwei Flügen Zeit haben etwas zu essen oder einzukaufen.

Euro: Haben die Transferpassagiere bei einer garantierten Umsteigezeit von 45 Minuten überhaupt Zeit zum einkaufen?
Schulte:
Sie können am Frankfurter Flughafen zwar in 45 Minuten umsteigen, der durchschnittliche Passagier verweilt hier aber eher 90 Minuten. Da bleibt genug Zeit etwas Leckeres zu essen oder auch ein Geschenk für den Partner einzukaufen.

Euro: Die Bodenverkehrsdienste haben in den vergangenen Jahren trotz hoher Umsätze häufig mit Verlusten abgeschlossen. Warum wollen Sie diesen Bereich dennoch behalten?
Schulte:
Das integrierte Geschäftsmodell sichert die hohe Qualität am Frankfurter Flughafen. Das funktioniert nur, weil alle Stränge in einer Hand zusammenlaufen. Spätestens 2015 wollen wir auch in diesem Segment unsere Kapitalkosten verdienen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Fraport im Ausland so erfolgreich ist und in welchen Märkten Stefan Schulte weiter wachsen will. Euro: Fraport ist nicht nur der Flughafen Frankfurt. Sie sind an zwölf Flughäfen weltweit beteiligt und erzielen damit hohe Umsatz- und Gewinnzuwächse. Gibt es weitere interessante Ziele?
Schulte:
Gerade haben wir den Flughafen in St. Petersburg übernommen. Wir sehen uns zum Beispiel nach Flughäfen und Beteiligungen in China und Brasilien um. Das sind zwei Zielmärkte, in denen wir weiter wachsen wollen. Wir verfügen auch über ausreichend Liquidität, sollte ein attraktives Objekt in einem etablierten Markt „notverkauft“ werden müssen. Derzeit ist das aber nicht der Fall.


Stefan Schulte im Gespräch mit €uro-Redakteurin Sabine Gusbeth

Euro: Wie viel hätten Sie zur Verfügung?
Schulte:
Wir haben 2,6 Milliarden Euro in unserer Kasse. Dieses Geld ist in erster Linie für den Ausbau in Frankfurt gedacht. Aber wir haben an den Finanzmärkten eine hervorragende Reputation. Natürlich spielt dabei auch unsere Gesellschafterstruktur eine wichtige Rolle. Über 50 Prozent gehören dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt. Darum leihen uns Investoren – auch ohne Rating – zu niedrigen Zinssätzen Geld.

Euro: Durch diese Aktionärsstruktur ist Fraport für viele Privatanleger aber uninteressant. Warum sollten sie trotzdem investieren?
Schulte:
Frankfurt ist derzeit der einzige Flughafen in Europa, der so viel zusätzliche Kapazität schafft. Schon heute liegt die Nachfrage nach Start- und Landeplätzen deutlich über dem Angebot. Anleger können also in einen Flughafen investieren, der in den nächsten Jahren überproportional wachsen wird. Noch ist der Kurs aufgrund der Finanzkrise reduziert. Deswegen ist jetzt der richtige Zeitpunkt, in die Fraport-Aktie zu investieren.

Euro: Durch die Wirtschaftskrise ist im vergangenen Jahr die Zahl der Passagiere um fast fünf Prozent, die Frachtmenge um knapp zehn Prozent gesunken. Ist dieser Einbruch inzwischen kompensiert?
Schulte:
Frankfurt hat sich besser geschlagen als viele andere Flughäfen. Wir haben immerhin einen Gewinn von 157 Millionen Euro erzielt. Seit Ende 2009 konnten wir bei der Fracht über 30 Prozent zulegen und sind bereits wieder über Vorkrisenniveau. Das liegt auch daran, dass sich die Fracht immer stärker auf die großen Hubs konzentriert. Rund 40 Prozent der weltweiten Luftfracht werden bereits jetzt über die 20 größten Flughäfen verteilt. Wir zählen zu den zehn größten Fracht- und Passagierflughäfen weltweit. Im ersten Quartal wurden 2,7 Prozent des weltweiten Luftfrachtvolumens über den Flughafen Frankfurt abgewickelt. Auch bei den Passagieren wachsen wir derzeit fünf bis sieben Prozent pro Monat.

Euro: Dabei hat das Jahr mit vielen Problemen begonnen. Schneechaos im Januar, Pilotenstreiks bei der Lufthansa und die Aschewolke im April und Mai. Was macht Sie zuversichtlich, dass Sie Ihre Ergebnisprognose (EBITDA) von 635 Millionen Euro erfüllen werden?
Schulte:
Wenn der Verkehr weiterhin so stark wächst wie bisher, könnte es sogar mehr werden. Die Wachstumsraten im Luftverkehr sind deutlich höher als erwartet. Außerdem hat das Wirtschaftswachstum in Regionen wie China und Fernost sehr viel schneller wieder angezogen als erwartet – und sie waren nicht von einer Aschewolke betroffen. In den nächsten fünf Jahren wollen wir unser operatives Ergebnis von 550 Millionen im vergangenen Jahr auf Richtung eine Milliarde Euro steigern.

Euro: Die Start- und Landegebühren sollen bis Ende 2011 um 12,5 Prozent und in den folgenden vier Jahren um je 2,9 Prozent steigen. Was bezahlt eine Airline für das Recht, am Frankfurter Flughafen zu starten oder zu landen?
Schulte:
Die Flughafenentgelte betragen zwölf Euro pro Passagier und Flugbewegung.

Euro: Die Airlines haben beklagt, dass Fraport die Gebühren ausgerechnet jetzt erhöht.
Schulte:
Trotz Krise investieren wir derzeit eine Milliarde Euro pro Jahr, bis zum Jahr 2015 noch etwa vier Milliarden Euro in den Ausbau des Flughafens, von dem natürlich auch die Fluggesellschaften profitieren. Im Übrigen wurden die Entgelte in London in den letzten Jahren um fast 50 Prozent teurer – nur für ein neues Terminal. Bei uns ist es wesentlich weniger, aber wir steigern unsere Kapazitäten dafür um 50 Prozent.

Euro: 2012 soll der Großflughafen Berlin Brandenburg International eröffnen – mit einer Kapazität von 27 Millionen Passagieren pro Jahr. Fürchten Sie den neuen Konkurrenten?
Schulte:
Nein, das ist gut für Deutschland. Die Kapazitäten in der Luftfahrt müssen dringend weiter erhöht werden. In ganz Europa wird derzeit nur Frankfurt ausgebaut, in München läuft die Planfeststellung. Bei einem jährlichen Wachstum der Branche von drei bis vier Prozent reicht das aber nicht. Langfristig sehe ich sogar einen Engpass.

Euro: Was heißt langfristig?
Schulte:
Wenn man die eben genannten Wachstumsraten des Luftverkehrs zugrunde legt, brauchten wir in Deutschland in den nächsten 15 Jahren zusätzliche Kapazitäten für 90 bis 100 Millionen Passagiere. Frankfurt trägt dazu 30 bis 40 Millionen bei, dazu kommen München und Berlin. In Berlin werden aber gleichzeitig zwei Flughäfen geschlossen.

Euro: Das heißt, eine neue Landebahn in Frankfurt reicht nicht.
Schulte:
Nein, die reicht sicher nicht. Es müssen weitere Flughäfen ausgebaut werden. München und Berlin sind bereits auf dem Weg. Die Bundesregierung hat hierzu auch ein Flughafenkonzept erstellt.

Euro: Das könnte trotzdem knapp werden. Immerhin wird es in Frankfurt von ersten Plänen bis zur Inbetriebnahme der neuen Landebahn fast neun Jahre gedauert haben. Was passiert, wenn der Ausbau nicht rechtzeitig kommt?
Schulte:
Dann wird es entweder eng am Boden oder wir müssen die Start- und Landerechte effizienter nutzen, zum Beispiel durch den Einsatz größerer Flugzeuge.


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