Griechenland-Anleihen: Juristisches Neuland
DSW-Geschäftsführer Thomas Hechtfischer über die geplante Klage deutscher Anleger gegen den Anleihezwangsumtausch vom März.
von Julia Groß, Euro am Sonntag
Anleger hatten keine Wahl: Auch wenn sie dem Angebot zum Umtausch griechischer Staatsanleihen nicht zugestimmt hatten, wurden ihnen die Papiere im März aus dem Depot ausgebucht und durch einen Strauß neuer Bonds ersetzt, die weit weniger wert sind. So drückte Griechenland seine Schuldenlast um 100 Milliarden Euro und sicherte sich ein zweites Rettungspaket. Viele deutsche Investoren wollen die einseitige Änderung der Anleihebedingungen durch Griechenland nicht hinnehmen.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz hat deshalb eine Arbeitsgemeinschaft Griechenland-Anleihen (AGA) gegründet, in der sich Anleger zusammengeschlossen haben. €uro am Sonntag sprach mit DSW-Geschäftsführer Thomas Hechtfischer über die weiteren Pläne.
€uro am Sonntag: Herr Hechtfischer, wie viele Anleger haben sich bisher in der AGA zusammengeschlossen?
THomas Hechtfischer: Die AGA hat rund 1.000 Mitglieder, die jeweils zwischen etwa 3.000 und einer Million Euro in Griechenland-Anleihen investiert hatten.
Wie ist der aktuelle Stand der Dinge?
Wir haben uns dafür entschieden, dass Anleger an dem für ihren Wohnort zuständigen Gericht Klage gegen Griechenland erheben. Der Vorteil dabei ist, dass Klagen von Anlegern aus dem gleichen Landgerichtsbezirk gebündelt werden können, sodass sich bis zu 80 Prozent Anwaltskosten sparen lassen. Das erscheint uns der günstigste Weg, um Ansprüche geltend zu machen. Denn leider gibt es in Deutschland keine Möglichkeit für eine Sammelklage.
Was wollen Sie auf diesem Weg vor Gericht konkret erreichen?
Die Anleger sollen die alten Anleihen zurückbekommen oder, sofern die schon ausgelaufen sind, das investierte Geld.
Hat bereits jemand geklagt?
Nein. Wir werden den AGA-Mitgliedern Anfang kommenden Jahres mitteilen, wie viele Kläger in ihrem jeweiligen Landgerichtsbezirk zusammenkommen, wie hoch der Gesamtstreitwert wäre und wie hoch entsprechend die anteilige Anwaltsvergütung ausfallen könnte. Im Frühjahr 2013 müssen die Anleger entscheiden, ob sie sich der Klägergemeinschaft in ihrem Bezirk anschließen wollen, und dann wird geklagt.
Das heißt, es ist noch nicht zu spät, um sich einer Klage anzuschließen?
Nein. Noch kann jeder, der damals dem Umtauschangebot nicht zugestimmt hat, mitmachen.
Haben sich denn bisher schon genug Anleger pro Gerichtsbezirk bei der AGA gemeldet, damit sich die Kostenersparnis bei ihrer Klagevariante wirklich lohnt?
In den Landeshauptstädten und vielen weiteren Großstädten sieht es sehr gut aus. Auf dem Land nicht unbedingt, aber da suchen wir nach Auffanglösungen.
Ist es möglich, dass verschiedene Gerichte unterschiedliche Urteile fällen werden?
Ja, die Urteile könnten theoretisch unterschiedlich ausfallen.
Wie lange wird so ein Verfahren dauern?
Wir sind uns sicher, dass die Gegenseite auf Zeit spielen wird. Durch alle Instanzen kann das durchaus mehr als drei Jahre dauern.
Da brauchen Anleger aber wirklich einen langen Atem — seit dem Zwangsumtausch ist ja schon fast ein Jahr vergangen ...
Wir betreten hier weitgehend juristisches Neuland. Deshalb mussten wir zunächst die verschiedenen Möglichkeiten für Klagen ausloten. Wir haben zum Beispiel die Alternative einer Staatshaftungsklage gegen Deutschland aufgrund des Investitionsschutzabkommens verworfen, weil sie uns noch viel langwieriger erschien, ebenso wie eine Klage in Griechenland selbst. Und ein Schiedsverfahren in Washington, wie es manche Anwaltskanzleien anstreben, war uns zu teuer.
Angenommen, Griechenland wird am Ende wirklich verurteilt — wer sagt, dass es auch zahlt?
Bislang hat es sich noch kein EU-Staat leisten können, ein rechtskräftiges Urteil zu ignorieren.
Richtig hoffnungsvoll klingt das alles nicht: ein langes Verfahren mit unsicherem Ausgang, das die Anleger auch noch Geld kosten wird. Warum soll man trotzdem klagen?
Ich sage immer, wer nichts tut, hat gar keine Chance, sein Geld jemals wiederzubekommen. Außerdem kann es nicht sein, dass ein EU-Staat damit durchkommt, einseitig die Anleihebedingungen zu ändern und so die Rechtssicherheit und das Geld der Anleger zu opfern. Bezüglich der Kosten: Natürlich sind Inhaber einer Rechtsschutzversicherung hier im Vorteil.