Markus Hill-Kolumne Markus Hill

Fondsboutiquen, Private Label Fonds und Kapitalverwaltungsgesellschaften - Digital schlägt Analog?

02.04.20 10:30 Uhr

Fondsboutiquen, Private Label Fonds und Kapitalverwaltungsgesellschaften - Digital schlägt Analog? | finanzen.net

"Selbst heute finden es die meisten von uns unmöglich, mehr als 150 Individuen wirklich zu kennen, ganz gleich, mit wie vielen Facebook-Freunden wir uns brüsten" (Yuval Noah Harari, 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert).

Xing, LinkedIn, Facebook und mehr - die Ökonomie der Aufmerksamkeit gilt auch für die Asset Management-Industrie. Liegt in der Digitalisierung die Zukunft der Kommunikation in diesem Bereich?

Fondsboutiquen und Berufung

Konzernunabhängige Unternehmer im Asset Management-Segment werden oft als Fondsboutiquen bezeichnet. Besondere Merkmale dieser Asset Manager sind in der Regel Unabhängigkeit von Konzerninteressen (U), ein hoher Spezialisierungsgrad und "Skin in the Game" sowie die Eigenschaft der Authentizität (A): Diese Unternehmer sind Überzeugungstäter, "brennen für ihre Sache". Sie lieben, was sie tun - eine gewagte Behauptung an dieser Stelle: Viele sind keineswegs primär pekuniär motiviert, monetäre Kompensation stellt eher eine Form von Hygienefaktor dar - im Sinne von: "Ein exzellenter Job wird zu Recht exzellent honoriert!"

Digitalisierung und Information Overflow

Soziale Netzwerke stellen eine gute Möglichkeit dar, mit persönlich bekannten wie unbekannten Marktteilnehmern (Fondsmanager, Vertrieb, Investoren) in Kontakt zu kommen und in Kontakt zu bleiben. Sie ersetzen jedoch nicht den persönlichen Kontakt, Stimme, Körper, Mimik. Dieser Sachverhalt wird vielleicht manchmal etwas zu wenig betont. Man kann Kontaktdaten austauschen, durch Postings und andere Aktivitäten über lange Zeit mehr oder weniger in "passiver" Verbindung mit einer großen Anzahl von Menschen bleiben. Man kann den Eindruck gewinnen, dass bei komplexeren Dienstleistungen der Begriff Social Selling kommunikativ in eine "Schieflage" führen kann. Warum? Content mit Fachinformation wird oft als ein Angebot, natürlich auch mit der Option "Nichtbeachtung", betrachtet. Wird jedoch diese Art des Verkaufens über die Schiene "Abladen von Produktpromotion" betrieben, werden oft zwangsläufig Erwartungen enttäuscht werden. Mit dem Wachsen der Plattformen in diesem Bereich "schreien" sich die Anbieter von Promotionen oft selbst nieder, da die Kanäle mit Sales-Info so überfüllt erscheinen, dass viele Investoren weder Zeit noch Energie haben, diese Informationsflut zu bewältigen.

"Back to the roots" - Chancen für die analoge Welt

Im Bereich der Roboadvisor-Anbieter erscheint die anfängliche Euphorie etwas abgeklungen. Mittlerweile besteht wieder das Verlangen nach persönlichem Kontakt in der Beratung. Neben Enttäuschung im Bereich Performance erscheint der Markt zu fragmentiert. Diese Fragmentierung gibt es im Bereich der Fondsboutiquen ebenso. Eine Stärke, die Nicht-Normierung, das heterogene Angebot von Persönlichkeiten, Investmentansätzen und Asset-Klassen bietet reichlich Content der fachlichen Art, welcher auf Investorenseite oft als bereichernd empfunden wird: Bei Investorenveranstaltungen und Managergesprächen gilt immer noch: Der Mensch kommuniziert gegenwärtig immer noch lieber mit Menschen, als sich durch Menüs zu klicken. Vielleicht wandelt sich dieses Verhalten in Zukunft. Jedoch: Die Alternative zur digitalen Neutralisierung im Bereich Soziale Medien wie auch im Bereich Mailings besteht für viele Anbieter immer noch im persönlichen Kontakt mit dem Investor, mit dem Nachteil im Bereich Skalierbarkeit: Beziehung lässt sich nicht auf Knopfdruck herstellen.

Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) als "Kommunikations-Hubs"

Veranstaltungsformate von KVGen (Ampega, Axxion, Hansainvest, Universal Investment etc.) zeigen, dass der persönliche Kontakt in Zeiten der digitalen Übersättigung zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Digitale Formate sind hilfreich, erscheinen jedoch limitiert durch das Bedürfnis nach Bequemlichkeit und die Kapazitätsgrenzen in der Informationsaufnahme seitens der Kunden. Häuser, die hier kreativ den Dialog zwischen Fondsinitiator und Investor fördern, erschaffen sich hier auch Verhandlungsmacht bei Fondsprojekten ("Added Value"). Beide Welten ergänzen sich, ersetzen sich jedoch nicht. Im Sinne von: Es geht weiterhin nichts über einen gepflegten persönlichen Gedankenaustausch!