Euro am Sonntag-Meinung

Reederei Rickmers: Letzte Chance für Gläubiger

25.06.17 15:00 Uhr

Reederei Rickmers: Letzte Chance für Gläubiger | finanzen.net

Die Reederei Rickmers ist mehr als 180 Jahre alt und eine Traditionsmarke. Doch nun ist sie insolvent - und mehrere Zehntausend Anleger sind betroffen.

von Niels Andersen, Gastautor für €uro am Sonntag

Die Rickmers Holding AG - eine der großen und traditions­reichen Reedereien - hat am 1. Juni überraschend einen Insolvenzantrag gestellt. Der Schaden für private Kapitalanleger, die 2013 Rickmers-Anleihen erworben haben, wird immens sein: Befürchtet werden muss ein Totalverlust von 250 Millionen Euro. Was können Anleger jetzt tun?

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Zunächst: Die Talfahrt des Anleihekurses der Rickmers AG ist leider nichts Neues. Stand die Anleihe Ende Herbst 2015 noch bei knapp 100 Prozent, fiel sie im April 2016 auf die Hälfte, dann immer weiter und erreichte Anfang 2017 bereits nur noch einen Wert von unter zehn Prozent ihres Ausgabekurses. Insofern hat der Insolvenzantrag - der in gewisser Hinsicht durch den früheren Kursabsturz angekündigt worden ist -nur das letzte Lichtlein ausgeblasen.

Die Gläubiger müssen sich beim Anmelden ihrer Ansprüche jedoch nicht beeilen. Der Sachwalter wird dies zu gegebener Zeit übernehmen und einschlägige Vordrucke verteilen. Aktuell ist auf diesem Gebiet also noch nichts zu tun - und es dürfte auch nichts mehr zum Verteilen da sein. Denn Anleihegläubiger werden zwar gleichrangig bedient, doch die kreditgebenden Banken dürften ihre Forderungen durch Sicherheiten geschützt haben. Sind diese einmal aufgebraucht, bleibt nichts mehr für die anderen Gläubiger übrig.

Wichtiger wäre es daher, den sogenannten gemeinsamen Vertreter einmal genau unter die Lupe zu nehmen: Frank Günther, Partner bei One Square Advisors, wurde in der vergangenen Woche auf der Gläubigerversammlung gewählt - und weist unserer Meinung nach eine zu große Nähe zu Rickmers auf, schließlich hat er vorher die Rickmers AG bei der nun gescheiterten ­Sanierung beraten.
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Interessenkonflikte sind also programmiert. Daher sollten Gläubiger eine Neuwahl des gemein­samen Vertreters initiieren, um eine ­unabhängige Vertretung im Gläubigerausschuss zu erreichen. Ähnliche Pro­bleme sieht unsere Kanzlei beim Sachwalter, der die aktuellen Geschäfte ­abwickelt. Auch dort gibt es starke ­Überschneidungen mit früheren Geschäftsbeziehungen. Die gesamte Gemengelage der beteiligten Akteure ist aus unserer Sicht sehr unglücklich.

Neben der - wenig Erfolg versprechenden - Anmeldung von Ansprüchen am übrig gebliebenen Kapital sind für Anleihebesitzer jedoch individuelle Schadenersatzforderungen viel interessanter. Dort gibt es zwei Ansätze, einer davon ist leider verjährt: Drei Jahre nach Begebung einer Anleihe verjähren Ansprüche in puncto "Prospekthaftung im engeren Sinne". Diese viel zu kurze Frist für öffentlich gehandelte Wertpapiere ist natürlich nicht sachgerecht, aber der Gesetzgeber hat dies so eingeführt, und daran lässt sich nicht rütteln.

Probleme der Schifffahrt waren bei der Emission schon bekannt
Glücklicherweise gibt es eine zweite Möglichkeit, auch wenn sie juristisch kniffelig ist: Man kann Schadenersatz­ansprüche dahingehend untersuchen, inwiefern den Beteiligten bei Rickmers und HSH-Nordbank - welche die geschlossenen Schiffsfonds maßgeblich finanziert hat - nicht schon bereits bei Begebung der Anleihe im Jahr 2013 die massiven Probleme auf dem Schiffsmarkt bekannt waren; also nicht nur die üb­lichen unternehmerischen Risiken. Schließlich gab es bereits weit vor 2013 bei den Schiffsfondsgesellschaften zahlreiche Insolvenzen - auch bei jenen, die übrigens von Rickmers eigenem Emissionshaus Atlantic initiiert worden waren. Rickmers und die HSH-Nordbank - damals der größte Schiffsfinanzierer der Welt - wussten also über die desolate Marktlage genau Bescheid.
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Für solche denkbaren Schadenersatz­ansprüche gilt eine Verjährungsfrist von drei Jahren ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von Informationen, die solche Vorwürfe stützen. Es liegt in der ­Natur der Sache, dass dieses Datum sehr schwer nachzuweisen ist. Dennoch sehen wir hier den besten Ansatzpunkt für eine Kompensation der entstehenden Schäden. Betroffene Anleger sollten sich dabei möglichst gemeinsam vertreten lassen - und dies können sie bei ­jeder Kanzlei ihrer Wahl tun, denn die Tätigkeit des gemeinsamen Vertreters bezieht sich nur auf die Gläubiger­ansprüche im Insolvenzverfahren.

Kurzvita

Niels Andersen
Geschäftsführender Gesellschafter der Andersen Rechts­anwalts GmbH
Andersen ist spezialisiert auf die außer­gerichtliche und auch ­gerichtliche Vertretung von Investoren unterschiedlichster Kapitalanlagen. Ein langjährig gewachsener Fokus im Bereich Kapitalanlagerecht ist der Schifffahrtsbereich. Die Sozietät von Andersen ist eine auf das Kapitalanlage- und Privatversicherungsrecht ­sowie auf das jeweilige ­Aufsichtsrecht ­spezialisierte Kanzlei.

Bildquellen: Federico Rostagno / Shutterstock.com