Auch Slowenien könnte um EU-Hilfen bitten
Jörg Krämer: Der Chefvolkswirt der Commerzbank über die nächsten Pleitekandidaten, neue Sorgen um Spareinlagen und die wahren Leidtragenden der Eurokrise.
von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag
€uro am Sonntag: Zypern hat nach massivem Druck durch die Eurozone beigedreht. Die größte Bank des Landes wird komplett dichtgemacht, Sparer mit Einlagen über 100.000 Euro verlieren 40 Prozent oder sogar ihre gesamten Einlagen oberhalb von 100.000 Euro. Wie beurteilen Sie diese Einigung?
Jörg Krämer: Zypern hat sich mit der Staatengemeinschaft geeinigt und damit einen Staatsbankrott und einen Zusammenbruch seiner Wirtschaft abgewendet. Das ist positiv. Problematisch ist jedoch, dass die zyprische Regierung ursprünglich entschieden hatte, auch Bankeinlagen unter 100.000 Euro an den Rettungskosten zu beteiligen, um die meist ausländischen Besitzer großer Bankeinlagen zu schonen. Die Staatengemeinschaft hätte dem nicht zustimmen dürfen. Denn ein Belasten von Bankeinlagen unter 100.000 Euro widerspricht dem Sinn des gesetzlichen Einlagenschutzes und verunsichert die Bürger in den anderen Krisenländern.
Allerdings: Laut einer Umfrage hat das Vertrauen der Bundesbürger in die Sicherheit ihrer Spareinlagen wegen Zypern spürbar gelitten. Wie lange wird der jüngste Tabubruch in Deutschland und Europa nachwirken?
Das müssen die Bürger in den Krisenländern erst mal verdauen. Aber ich gehe nicht davon aus, dass sie in großem Stil Einlagen von ihren Banken abziehen und in die Kernländer des Euroraums überweisen. Zum einen ist Zypern mit seinem völlig überdimensionierten Bankensystem und seinen laxen Geldwäscheregeln erkennbar ein Sonderfall. Zum anderen könnte die EZB den Banken in den Krisenländern im Fall der Fälle sogenannte ELA-Notkredite gewähren.
Der Chef der Eurozone, Jeroen Dijsselbloem, hat die Zypern-Einigung mit der Beteiligung von Gläubigern als Blaupause für mögliche weitere Rettungsaktionen bezeichnet. Das hat Investoren verunsichert. Droht die Eurozone ihr Vertrauen bei Investoren dauerhaft zu verspielen?
Die europäischen Staatschefs haben schon vor einiger Zeit beschlossen, dass neue Staatsanleihen Umschuldungsklauseln enthalten müssen. Damit lassen sich die Besitzer von Staatsanleihen einfacher an den Kosten eines staatlichen Zahlungsausfalls beteiligen. Außerdem hat die EU die Hilfen für die spanischen Banken an die Möglichkeit geknüpft, die Besitzer bestimmter Bankeinlagen an den Rettungskosten zu beteiligen. All das sollte in einer Marktwirtschaft selbstverständlich sein. Allerdings hat der Eurogruppenchef bedauerlicherweise den Eindruck erweckt, als gebe es bald ein zweites Zypern. Das müssen die Anleger erst mal wegstecken.
Es gibt ja tatsächlich Warnungen, dass auch Malta und Slowenien demnächst Hilfen der Eurozone benötigen könnten. Welches Land ist als Nächstes dran?
Slowenien hat kaum noch Zugang zum Kapitalmarkt. Es ist gut möglich, dass das Land am Ende die Staatengemeinschaft um Hilfe bittet. Wir halten es aber für unwahrscheinlich, dass die Besitzer von Staatsanleihen oder großen Bankeinlagen an den Rettungskosten beteiligt werden. Denn Slowenien ist eher gering verschuldet, die Staatsschulden entsprechen nur 54 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Slowenien hat genügend Spielraum, sich bei der Staatengemeinschaft zu verschulden und mit dem aufgenommenen Geld sein Staatsdefizit und das notwendige frische Kapital für seine Banken zu finanzieren.
Die Eurokrise ist also noch längst nicht ausgestanden?
Die Anleger müssen erst einmal die Begleitumstände der Zypern-Rettung verdauen. Mittelfristig sollte die Staatsschuldenkrise jedoch wieder abklingen. Schließlich steht die EZB bereit, im Notfall Staatsanleihen der Krisenländer zu kaufen. Den europäischen Politikern dürfte
es mit ihrem indirekten Zugriff auf die Notenpresse gelingen, genügend Nachfrage für die Staatsanleihen der Krisenländer zu schaffen. Sie verschieben das Problem damit auf die Sparer. Die werden langfristig die Rechnung zahlen — durch künstlich gedrückte Zinsen und eine langfristig höhere Inflation.