Exklusives Interview: Eignen sich Zertifikate für jedermann, Lars Brandau?

Lars Brandau, Geschäftsführer des DDV, zum zehnjährigen Jubiläum des Deutschen Derivate Verbands über dessen Meilensteine, den Wandel der Derivate-Welt und das Interesse der Deutschen an Zertifikaten.
finanzen.net: Der DDV wird am 14. Februar zehn Jahre alt. Welche Meilensteine stechen für Sie besonders heraus?
Lars Brandau: Rückblickend lässt sich eindeutig festhalten, dass wir von Anfang an einer erhöhten Transparenz und Standardisierung großen Stellenwert beigemessen haben. Wesentliche Projekte der zurückliegenden Dekade folgten diesem Leitgedanken. So war der DDV der erste Verband strukturierter Wertpapiere, der regelmäßige und fundierte Statistiken zu Volumen, Umsätzen und Marktanteilen herausbrachte. Es wurde eine einheitliche Produktklassifikation verabschiedet, die Branche einigte sich auf eine freiwillige Selbsterklärung im Derivate Kodex, der heute Fairness Kodex heißt. Es wurde ebenso an einheitlichen Fachbegriffen gearbeitet, wie auch an umfangreichen Materialien der Wissensvermittlung.
finanzen.net: Wie hat sich die Welt der Derivate in den vergangenen Jahren gewandelt?
Lars Brandau: Zur Verbandsgründung im Februar 2008 waren die ersten Boten der Wirtschafts- und Finanzkrise bereits spürbar, aber natürlich traf uns die Lehman-Pleite hart. Insofern waren wir von der ersten Minute an gefordert. Vorurteile entkräften, Standards setzen, Transparenz einfordern und umsetzen und nicht zuletzt zahlreiche Weiterbildungsinitiativen für Anleger - das alles haben wir nach und nach umgesetzt. Nach wie vor sind wir fortwährend gefordert, insbesondere wenn es um die Umsetzung regulatorischer Initiativen geht. Wichtig ist, dass wir mit vielfältigen Aktionen entscheidend dazu beitragen, den Sinn und Nutzen strukturierter Wertpapiere nachhaltig erkennbar zu machen. Der Zertifikatemarkt ist insgesamt durch viel Wettbewerb gekennzeichnet. Davon profitieren häufig die Endkunden durch bessere Produkte, Preise und Service.
finanzen.net: Zu den Zielen des DDV zählen unter anderem die Verbesserung der Verständlichkeit sowie die Transparenz von Strukturierten Produkten. Wie groß ist aktuell das Interesse in Deutschland an Zertifikaten?
Lars Brandau: Die Zertifikate-Branche steht im natürlichen Wettbewerb mit anderen Produktklassen. Zudem ist das Interesse der meisten Bundesbürger an Finanzprodukten und Altersvorsorge generell zu hinterfragen. Das vorausgeschickt lässt sich an den erhobenen Zahlen der jüngeren Vergangenheit ablesen, dass insbesondere Teilschutz-Zertifikate sehr stark nachgefragt wurden. Das hat natürlich auch mit dem globalen Umfeld, den Niedrigzinsen, etwas zu tun. Insbesondere Aktienanleihen und Express-Zertifikate wurden zuletzt überdurchschnittlich gekauft. Mit den zahlreichen Aktivitäten, wie auch der aktuell laufenden "DDV on Tour", wollen wir die Sinnhaftigkeit für die Anleger verdeutlichen. Es geht immer um die Plausibilität des Einsatzes entsprechender Produkte in einem breit aufgestellten Depot. Das Zertifikate-Universum ist derart reichhaltig, dass für jedes Bedürfnis und jede Risikobereitschaft passende Produkte zu haben sind.
finanzen.net: Eignen sich Zertifikate für jedermann?
Lars Brandau: Grundsätzlich ja. Allerdings sollten Beratungskunden in jedem Fall vor dem Kauf mit ihrem Bankberater Rücksprache halten. Bei den sogenannten Selbstentscheidern setzt der Einsatz von strukturierten Wertpapieren ein fundiertes Produktverständnis voraus. Die Anleger sollten sich die Charakteristika der jeweiligen Produkttypen aneignen (Auszahlungsprofil) und dann schauen, welche Produktidee zu ihrer eigenen Marktmeinung passt und wie sich diese ganz konkret im Portfolio einsetzen lässt. Eine gute Orientierung bietet da die Derivate-Liga, die anschaulich und leicht verständlich auf die unterschiedlichen Kategorien eingeht und das jeweilige Chance-Risiko-Profil beleuchtet. Auch der Kompass Strukturierte Produkte ist ein Standardwerk über die Welt der Anlagezertifikate und Hebelprodukte.
finanzen.net: Was hat es mit dem sogenannten Fairness-Kodex auf sich?
Lars Brandau: Es handelt sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung der Mitglieder des DDV, die strenge Leitlinien für strukturierte Wertpapiere beinhaltet. Hierzu zählt besonders der Transparenz-Gedanke, und so spielt beim Fairness-Kodex neben der Produkttransparenz auch die Kostentransparenz eine zentrale Rolle.
finanzen.net: Nicht nur mit der Online-Präsenz ist der DDV für Anleger mit zahlreichen Informationen präsent - auch bei YouTube wurde ein Kanal geschaffen. Was erwartet Anleger hier?
Lars Brandau: Natürlich muss auch der DDV als Verband mit der Zeit gehen. Das schließt die Social-Media-Präsenz mit ein. Insofern war es nur konsequent, dass wir auch über diesen Kanal Wissensvermittlung betreiben. Ganz zentral sind dabei die im vergangenen Jahr produzierten Erklärfilme für Zertifikate-Einsteiger. Die ersten fünf Videos widmen sich zunächst dem Basiswissen und einfachsten beliebten Fragen zum facettenreichen Thema der Zertifikatewelt. Darauf aufbauend erläutern die weiteren Filme Funktionsweise und Ausgestaltungsmerkmale einzelner Produkttypen. In der Summe sind die Erklärfilme ein wesentliches Element in der breiten Wissensvermittlung zum Thema strukturierte Wertpapiere in Deutschland.
finanzen.net: Mit DDV on Tour haben Sie jüngst eine Seminarreihe für Privatanleger ins Leben gerufen. Was wird den Teilnehmern dort geboten?
Lars Brandau: Die "DDV on Tour"-Veranstaltungsreihe mit dem versierten Börsenkenner Holger Scholze reiht sich nahtlos ein in unsere diversen Weiterbildungsinitiativen. Hier geht es um Finanzbildung in einer ausgesprochen praxisnahen Art. Den Teilnehmern wird ein breit gefächertes Angebot über die Möglichkeiten der Anlageformen und - stile geboten. Geldschwemme, Zinstief und Aufkaufprogramme der Notenbanker verunsichern mitunter die Anleger und machen Anlageentscheidungen und den Vermögensaufbau nicht einfacher. Genau da setzen wir an. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt natürlich bei strukturierten Wertpapieren, deren Ausgestaltungsmerkmalen und Einsetzbarkeit im Portfolio. Insgesamt bieten wir zwischen 40 und 50 Veranstaltungen bundesweit pro Jahr an.
finanzen.net: Über zurückliegende Initiativen haben wir bereits gesprochen. Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Was hat sich der DDV für die nächsten zehn Jahre vorgenommen?
Lars Brandau: Der stete Tropfen höhlt den Stein. In diesem Sinne werden wir unsere Anstrengungen um Anlegerausbildung, Produkttransparenz und -klarheit weiter intensivieren. Ebenso wird auf der regulatorischen Seite das Engagement des DDV im Bemühen um tragfähige Lösungen gefragt bleiben.
Redaktion finanzen.net
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