Frankreich schimpft laut über NSA-Spionage
Nach neuen Enthüllungen über die mutmaßliche Spionagearbeit des amerikanischen Geheimdienstes NSA hat Frankreich den USA scharfe Vorwürfe gemacht.
Das Ausspähen französischer Bürger und Unternehmen sei "inakzeptabel" sagte der französische Präsident François Hollande in einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama am Montagabend. Zuvor hatte die französische Regierung den amerikanischen Botschafter in Paris einbestellt und heftig Kritik an der Geheimdienst-Bespitzelung geübt.
Frankreich reagiert damit auf neue Artikel in der führenden französischen Tageszeitung Le Monde, die sich auf geheime Dokumente des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden stützen. Demnach hat die Geheimbehörde NSA zwischen Anfang Dezember 2012 und Januar 2013 mehr als 70 Millionen französische Telefongespräche abgehört.
US-Botschafter Charles Rivkin musste am Montag im französischen Außenministerium Rede und Antwort stehen, nachdem die Tageszeitung Le Monde neue Geheimdienst-Enthüllungen veröffentlicht hatte.
Die US-Spionageaktivitäten seien "zwischen Freunden und Verbündeten inakzeptabel, weil sie die Privatsphäre der französischen Bürger verletzen", sagte Hollande laut dem Elysée-Palast. Der französische Staatschef habe Obama um "Erklärungen" gebeten. Auch Frankreichs Premierminister Jean-Marc Ayrault hatte sich "zutiefst schockiert" gezeigt, während Außenminister Laurent Fabius die NSA-Aktivitäten in seinem Land als "vollkommen inakzeptabel" verurteilt hatte.
Das Weiße Haus erklärte, einige Aktivitäten seien von der Presse "verzerrt" dargestellt worden. Andere würden dagegen "bei unseren Freunden und Verbündeten legitime Fragen darüber aufwerfen", auf welche Weise die Überwachung stattfinde.
Obama habe deutlich gemacht, dass die USA bereits begonnen hätten, "die Art und Weise, in der wir Geheimdienstinformationen sammeln, zu überprüfen, damit wir ein Gleichgewicht finden zwischen den legitimen Sicherheitsbedenken unserer Mitbürger und Verbündeten sowie dem Schutz der Privatsphäre, der alle beschäftigt". Obama und Hollande seien sich einig darüber, dass solche Fragen weiterhin über diplomatische Kanäle besprochen werden sollten, hieß es in der Mitteilung der US-Präsidentschaft.
Obamas Sicherheitsberaterin Caitlin Hayden hatte am Montag trotz der empörten Reaktionen aus Paris kühl reagiert und gesagt, die USA würden "wie alle Nationen" im Ausland Informationen sammeln. Am Abend kündigte US-Außenminister John Kerry während eines Besuchs in Paris an, das Thema noch einmal bei einem Treffen mit Fabius am Dienstag zu erörtern. Kerry weilt zurzeit für ein Treffen mit der Arabischen Liga in der französischen Hauptstadt.
Die neuesten Vorwürfe könnten die EU dazu bewegen, ihre Gesetze zum Schutz der Privatsphäre zu verschärfen. Ende dieser Woche findet ein Gipfel des Europäischen Rates in Brüssel statt. Ein Ausschuss des Europäischen Parlaments hat am Montag schon eine Maßnahme gebilligt, wonach Aufsichtsbehörden künftig mehr Macht bekommen sollen, um Internetfirmen bei Verstößen gegen die Privatsphäre zu bestrafen.
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