Merkel spaltet Europa!

Mit ihrer öffentlichen Kritik an den Peripherieländern der Eurozone gibt unsere Bundeskanzlerin ...
... ihre ganze Unkenntnis in Sachen Finanzmärkte preis. Der Schaden ist beträchtlich.
André Kostolany riet bereits Anfang der 80er Jahre, Regierungen sollten in Ihrem Beraterstab auch mindestens einen erfahrenen Spekulanten haben. Zu oft lösten Sie in Unkenntnis dessen, wie Finanzmärkte funktionieren, Kursbewegungen aus, die Wirtschaft und Wohlstand vollkommen unnötig Schaden zufügen würden. Beherzigt wurde der Ratschlag des Grand Seigneur der Börse leider nicht. Das wird dieser Tage am Beispiel der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich. Sie hat ganz offenbar nicht verstanden, dass nicht nur Wähler aufgrund nicht gehaltener Versprechen, sondern auch die Finanzmärkte den Aussagen von Politikern in hohem Maße misstrauen. Doch während der Wähler nach dem Urnengang zur Passivität verdammt ist, testen die Finanzmärkte den Wahrheitsgehalt von Politiker-Versprechen. Merkels Forderung nach einem „Krisenbekämpfungsmechanismus“ musste deshalb unweigerlich den nächsten Krisenfall in der Eurozone heraufbeschwören. Zwar greift der Euro-Rettungsschirm im Fall von Irland und enttäuschte die Finanzmärkte somit nicht, doch noch bevor die Iren diesen akzeptiert hatten, stellte man sich bereits die Frage, ob denn auch ein Land in der Größenordnung von Spanien so einfach aufgefangen werden könne. Das Ergebnis war einer weiterer Anstieg der Zinsen und damit der Refinanzierungskosten für die Peripherieländer.
Durch das öffentliche Tadeln der betroffenen Länder knüpft Kanzlerin Merkel an ungute und eigentlich der Vergangenheit angehörenden deutsche Traditionen an. In besserwisserische Manier erklärt sie dem Rest Europas, in den 40% unserer Exporte gehen, wie sie zukünftig zu wirtschaften haben - nach dem Motto am deutschen Finanzwesen soll die Welt genesen. Spart oder ihr werdet bestraft lautet die Botschaft, die es den betroffenen Regierungen, weil sie eben öffentlich geschieht, es noch schwerer Macht, die drakonischen Sparmaßnahmen der eigenen Bevölkerung zu verkaufen. Kein Volk lässt sich gerne Entbehrungen von seiner Regierung aufzwängen, noch viel weniger aber vom ohnehin als oft übermächtig empfunden Deutschland.
Die Kritik am unsoliden Haushaltskurs vieler Mitgliedsländer ist sicher berechtigt und es ist auch blanker Unsinn, Deutschland vorzuhalten, dass es im globalen Konkurrenzkampf seine Wettbewerbsfähigkeit gestärkt hat. Doch so wie in einer guten Familie intern hart gerungen und gestritten werden darf, muss sie nach außen geschlossen auftreten. Da sich die Eurozone ja offenbar entschlossen hat, klamme Mitglieder nicht im Regen stehen zu lassen, sollte sie gegenüber den Finanzmärkten hieran nicht den geringsten Zweifel lassen. Alles andere erhöht nur die Kosten und zwar für alle. Auch die Forderung, die Banken sollten Verantwortung in Form von Kreditausfällen übernehmen, wirkt in die gleiche Richtung. Mag sie auch berechtigt sein, öffentlich geäußert grenzt sie schon an Dummheit und vergrößert den Schaden. Denn je mehr Zinsen die schwachen Länder aufwenden müssen, desto weniger Einnahmen können sie auf den Schuldenabbau verwenden. Hält ein Land sich am Ende partout nicht an die intern verabredeten Sparauflagen, kann man es immer noch fallen lassen.
Angela Merkel aber setzt auf die populistische Karte der öffentlichen Kritik, die im eigenen Land gut ankommen mag, Europa jedoch spaltet. Dabei scheint ihr auch nicht bewusst zu sein, dass die vermeintlichen Hilfen seitens Deutschlands im Grunde eine Subventionierung unserer Exportindustrie sind. Denn durch den Euro haben wir eine künstlich tiefe Währung. Gäbe es die D-Mark noch so hätten die in der Schuldenkrise befindlichen Euroländer mit Sicherheit schon um mindestens 30 Prozent abgewertet. Über Aufschwung XXL müssten wir uns dann momentan nicht unterhalten, denn mag China auch der Wachstumsmarkt sein, noch immer gehen 40 Prozent unserer Exporte nach Europa.
Stefan Riße, ist Deutschlandchef und Chefstratege von CMC Markets. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, ist bereits jetzt ein Bestseller.
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