Wie sich mit Bildung Geld verdienen lässt
Im wirtschaftlichen Wettbewerb zwischen Industrienationen und Schwellenländern kommt der Bildung eine Schlüsselrolle zu. Das eröffnet Chancen für Investoren.
von Andreas Höß und Stefanie Senfter, Euro am Sonntag
Ende April meldete der Verband Deutscher Ingenieure (VDI), dass 2009 in Deutschland trotz Wirtschaftskrise 34 000 Ingenieursstellen unbesetzt blieben. Zum einen, da die absolute Zahl der Bewerber gesunken ist, zum anderen mussten Bewerbungen mangels Qualifikation abgelehnt werden. Drei Milliarden Euro Wertschöpfung seien Deutschland dadurch entgangen, so VDI-Direktor Willi Fuchs. In den kommenden Jahren werde sich dieses Problem noch verschärfen: „Infolge alternder Belegschaften werden ab 2018 rund 44 000 Ingenieure jährlich in den Ruhestand gehen“, warnt Hans-Peter Klös, Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln.
Der Mangel an Fachkräften ist nur ein Beispiel, wie das Zusammenspiel demografischer und bildungspolitischer Faktoren Einfluss auf die Leistungsfähigkeit von Volkswirtschaften nimmt. Wissen schafft Innovationsfähigkeit, die wiederum in Wertschöpfung und damit in Wohlstand umgemünzt werden kann.
Weiterbildung oder Ausbildung
Diese Faktoren wirken aber je nach demografischer Struktur und Bildungssystem eines Staats unterschiedlich: Während Japan oder Deutschland eine schrumpfende Erwerbsbevölkerung durch Weiterbildung kompensieren müssen, gilt es in China oder Indien, ein riesiges Arbeitskräftepotenzial für spezialisierte Tätigkeiten zu qualifizieren. Beides führt zu einem ähnlichen Resultat: Neben das staatliche Bildungssystem tritt ein privater Bildungsmarkt. Dieser ist zwar noch klein, doch tummeln sich dort mit den US-Hochschulbetreibern Apollo Group, ITT Educational Services und Devry sowie den Lernmaterialienherstellern BPP Holdings aus Großbritannien und der New Oriental Education & Technology Group aus China erste börsennotierte Unternehmen.
Besonders für rohstoffarme Länder wie Deutschland ist Bildung eine wichtige Produktivkraft, die bisher zu wenig gefördert wurde. Knapp 198 Milliarden Euro oder acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts wurden 2006 in Deutschland laut aktuellem OECD-Bildungsbericht insgesamt für Bildung und Forschung ausgegeben. 2007 waren es nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamts 204 Milliarden. Damit liegt Deutschland unter dem Durchschnitt der OECD-Länder und hinter dem von der Bundesregierung für 2015 anvisierten Ziel von zehn Prozent. Der Anteil der Hochschulabsolventen lag 2007 mit 23 Prozent sogar um 16 Prozent unter dem OECD-Mittel. Schlechter waren nur die Türkei und Österreich. „Die Qualität des deutschen Bildungssystems wurde zu lange vernachlässigt“, bestätigt der Bevölkerungswissenschaftler Professor Herwig Birg.
Deutschland darf den Anschluss nicht verlieren
Die Exportnation läuft deshalb Gefahr, in Zukunft an Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen). Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) exportierte Deutschland allein 2007 forschungsintensive Güter im Wert von fast 800 Milliarden US-Dollar. Schmilzt das Reservoir an gut ausgebildetem Nachwuchs, könnte es auch für deutsche Vorzeigebranchen wie den Maschinenbau schwer werden, ihren Innovationsvorsprung zu konservieren. „Ohne junge Talente können wir den Hightechstandort Deutschland kaum aufrechterhalten“, so Charles Blankart, Leiter des Instituts für öffentliche Finanzen der Humboldt-Universität in Berlin.
Zwei Wege zur Kompensation des Arbeitskräftemangels werden nun verstärkt diskutiert. Erstens soll das Rentenalter heraufgesetzt werden. Die Bundesregierung überprüft derzeit ein Gesetz zur Rente mit 67. Nach Ansicht des Bevölkerungswissenschaftlers Birg gibt es aber noch Luft nach oben: „Ich könnte mir vorstellen, dass das Renteneintrittsalter nach Berufen gestaffelt bis auf über 70 Jahre ansteigt.“
Zweitens sollen ältere Erwerbstätige durch lebenslanges Lernen ständig weitergebildet werden, was einen Markt für private Anbieter etwa von Sprach- und IT-Kursen oder Lernmaterialien schafft. Bei einer Umfrage des Industrie- und Handelskammertages (DIHK) im April gaben 53 Prozent der befragten Unternehmen an, mittelfristig durch Fortbildungsmaßnahmen auf das altersbedingte Ausscheiden von Fachkräften reagieren zu wollen. Mehr als die Hälfte der Betriebe organisieren schon jetzt Nachhilfe für ihre Mitarbeiter.
Schwellenländer machen Deutschland Konkurrenz
Doch all diese Maßnahmen dienen nach Ansicht von Professor Michael Heise allein zur Kompensation, nicht zur Beseitigung des Standortnachteils: „Alternde und schrumpfende Gesellschaften können den Rückgang der Erwerbsbevölkerung nur zum Teil über eine Ausweitung der Erwerbsbeteiligung und eine Erhöhung der Produktivität auffangen“, so der Allianz-Chefvolkswirt. „Sie werden daher langfristig niedrigere Wachstumsraten haben als Volkswirtschaften mit wachsender Bevölkerung. Und das wird die Gewichte in der Weltwirtschaft weiter verschieben.“ Denn Konkurrenz droht aus Indien oder China, das Deutschland kürzlich den Titel des Exportweltmeisters abgenommen hat. Doch trotz riesigem Arbeitskräftepotenzial besteht in den Emerging Markets noch Aufholbedarf in Sachen Qualität des sogenannten Humankapitals.
Indien musste kürzlich erkennen, dass mehr Hochschulabsolventen nicht automatisch höheres Wachstum bedeuten. Denn die Alphabetisierungsquote in Indien liegt lediglich bei etwa 50 Prozent. „Das Land hat die Eliten, aber nicht die breiten Bevölkerungsschichten ausgebildet“, sagt Demografieforscher Wolfgang Lutz vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse. Deshalb habe die indische Regierung eine Initiative gestartet, um Angehörigen aller Kasten Schulbildung zu ermöglichen – eine Herausforderung für das staatliche Schulsystem.
Privater Bildungsmarkt boomt
Auch deshalb explodiert seit einiger Zeit der private Bildungsmarkt in Indien, in dem Kinder der gesellschaftlichen Eliten nach besseren Ausbildungschancen suchen. Marktanalysten von Firstcall Research schätzen, dass die Ausgaben für private Bildungsangebote in Indien von aktuell jährlich 50 auf 80 Milliarden US-Dollar 2012 steigen werden. Ein attraktiver werdender Markt für die Private-Equity-Branche: Deren Investitionen in indische Schulen und Universitäten verdreifachten sich zwischen 2008 und Oktober 2009 nahezu auf 108 Millionen Dollar, so Marktforscher der Wirtschaftsberatung Grant Thornton.
China hat anders als Indien mit Erfolg früher auf Breiten- statt Elitenbildung gesetzt. Für Demografieforscher Lutz ist das breitere Bildungsniveau der chinesischen Bevölkerung ein wichtiger Grund für das dort im Vergleich zu Indien höhere Wirtschaftswachstum. Im Reich der Mitte habe in den vergangenen 30 Jahren fast jedes Kind eine Volksschule besucht. Erst seit zehn bis 15 Jahren treibe Beijing den Ausbau der Universitäten voran und trete damit in eine neue volkswirtschaftliche Entwicklungsphase ein. Ablesbar ist der Erfolg der chinesischen Bildungspolitik auch an der gestiegenen Zahl der Ingenieure, wissenschaftlichen Publikationen und Patente.
Dass Bildung für die neue chinesische Mittelschicht ein wichtiges Gut ist, hat auch die chinesische New Oriental Education & Technology Group erkannt, die zum Beispiel Lernsoftware, Fremdsprachentrainings und Vorbereitungskurse für Aufnahmeprüfungen anbietet. Aber auch international agierende Bildungsunternehmen entdecken den chinesischen Markt. Unlängst eröffnete der US-Konzern Apollo durch sein Tochterunternehmen Apollo Global eine Filiale in Beijing und will sein Geschäft in den Schwellenländern weiter ausbauen.
Den Löwenanteil des jährlichen Umsatzes von über vier Milliarden US-Dollar erwirtschaftet der Konzern aber auf dem Heimatmarkt. Dort betreut Apollo etwa 450 000 Studenten, betreibt unter anderem die University of Phoenix und übernahm im April die Western International University. Auch der Konkurrent Devry unterhält mit der Devry University und der Ross University zwei US-Hochschulen.
Wer nun Risiken an den Börsen scheut, für den sind Investitionen in die Bildung der eigenen Kinder eine sichere Anlage. Eine Studie des DIW zeigt, dass Bildungsinvestitionen langfristig höhere Renditen abwerfen als Wertpapiere. Denn reicht es beim Filius für ein Ingenieurstudium mit Auslandsaufenthalt, zahlt sich das später beim Einkommen aus. Genug offene Stellen sollte es zumindest in Deutschland geben.
Innovationen in Deutschland: Mangelnde Bildung als Bremse
Im Vergleich mit 17 Industrienationen befindet sich Deutschland im aktuellen Innovationsranking des DIW in Berlin lediglich in der zweiten Tabellenhälfte. Trotz Verbesserungen wirkt sich besonders der schlechte Rang in der Kategorie Bildung negativ auf die Innovationsfähigkeit im Standort Deutschland aus. Zudem bremsen Finanzierungsengpässe die Innovationskraft.
Alphabetisierungsquoten: Aufholjagd der Schwellenländer
Bis 2030 wird sich laut Schätzungen der UNESCO der Anteil der Menschen in den Emerging Markets halbieren, die nicht lesen und schreiben können. Besonderes Aufholpotenzial hat Südasien, wo 39 Prozent der Männer und 66 Prozent der Frauen Analphabeten sind. Teil der Region ist Indien mit über einer Milliarde Einwohnern.
Apollo Group: Größter US-Bildungskonzern
Lebenslanges Lernen und der Aufholbedarf bei Bildung in den Schwellenländern sind die Trends, auf die der US-Bildungskonzern Apollo setzt. Eine langfristig vielversprechende Strategie. Doch trotz besserer Quartalszahlen als erwartet steht die Apollo-Aktie unter Druck: Unsicherheiten über eine mögliche rechtliche Verschärfung der Kreditvergabebedingungen für Studenten privater US-Hochschulen führten in den vergangenen Wochen zu Kursschwankungen bei der US-Bildungsaktie. In den kommenden Wochen ist vom Seitwärtstrend bis zu weiteren Korrekturen alles möglich. Grundsätzlich interessanter Titel – nächste Entscheidungen erst abwarten.
Zertifikat Bildung & Wissen: Globaler Bildungs-Basket
Bildung ist der wichtigste Rohstoff für die Verwandlung von Agrar- und Industriegesellschaften in Wissensgesellschaften. Das Zertifikat Bildung & Wissen der WestLB (ISIN: DE 000 WLB 7DB 3) ermöglicht Privatanlegern, in die Bildungsmärkte Asiens, Europas und Nordamerikas zu investieren. Aktien von Lernmittelherstellern und Unibetreibern sind ebenso im Korb enthalten wie Titel aus der Erwachsenenbildung. Der Basket legte in den vergangenen zwölf Monaten etwa 30 Prozent an Wert zu.
Nächste Folge: Demografie, Gesundheitssektor und Medizintechnik
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Nachrichten zu Apollo Education Group Inc (A)
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Analysen zu Apollo Education Group Inc (A)
Datum | Rating | Analyst | |
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23.10.2015 | Apollo Education Grou a Neutral | Compass Point | |
30.06.2015 | Apollo Education Grou a Neutral | Compass Point | |
26.03.2015 | Apollo Education Grou a Hold | Deutsche Bank AG | |
26.03.2015 | Apollo Education Grou a Buy | Stifel, Nicolaus & Co., Inc. | |
25.03.2015 | Apollo Education Grou a Neutral | Compass Point |
Datum | Rating | Analyst | |
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26.03.2015 | Apollo Education Grou a Buy | Stifel, Nicolaus & Co., Inc. | |
27.06.2012 | Apollo Group outperform | Barrington Research | |
22.06.2012 | Apollo Group overweight | Barclays Capital | |
10.04.2012 | Apollo Group overweight | Barclays Capital | |
28.03.2012 | Apollo Group outperform | Barrington Research |
Datum | Rating | Analyst | |
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23.10.2015 | Apollo Education Grou a Neutral | Compass Point | |
30.06.2015 | Apollo Education Grou a Neutral | Compass Point | |
26.03.2015 | Apollo Education Grou a Hold | Deutsche Bank AG | |
25.03.2015 | Apollo Education Grou a Neutral | Compass Point | |
08.01.2015 | Apollo Education Grou a Neutral | Compass Point |
Datum | Rating | Analyst | |
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29.03.2010 | Apollo Group "underperform" | Wedbush Morgan Securities Inc. | |
04.01.2006 | Apollo Group underperform | Harris Nesbitt | |
03.01.2006 | Update Apollo Group Inc.: Underperform | Harris Nesbitt |
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