dieboersenblogger-Kolumne

Europas K(r)ampf mit den Ratingagenturen

20.04.12 13:57 Uhr

Europas K(r)ampf mit den Ratingagenturen | finanzen.net

Seit nunmehr fast vier Jahren bemüht man sich angesichts der unrühmlichen Rolle der amerikanisch...

... geprägten Ratingagenturen in der Finanzkrise um ein passendes Gegenstück in Europa. Aus Sicht der europäischen Politik hätte es so schön werden können, allerdings scheint das Ende der Idee einer europäischen Ratingagentur als Gegengewicht zu Standard & Poor’s (S&P), Moody’s und Fitch immer näher zu kommen, je weiter sich ein Anfang überhaupt abzeichnet.

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Im vergangenen Sommer machte die Unternehmensberatung Roland Berger einen medienwirksamen Vorstoß für eine europäische Ratingagentur. Doch glauben die Unternehmensberater offenbar nicht mehr daran, dass das dafür benötigte Startkapital von 300 Mio. Euro zusammenkommt, zumindest berichtete dies die Financial Times Deutschland diese Woche, ohne dass dem drohenden Scheiten wirkungsvoll ein "Wir schaffen das auf jeden Fall" entgegnet wurde.

Sollte also eines der Prestigeprojekte der europäischen Politik im Kampf gegen die als unfair empfundene Bewertung durch die drei großen US-Agenturen ausgerechnet am fehlenden Geld scheitern? Diese aus Sicht einiger europäischer Politiker unfaire Bewertung der Risiken einzelner Euro-Staaten hat nach deren Ansicht zu einer Verstärkung der Euro-Krise beigetragen. Somit wäre ein größerer Wettbewerb unter den Ratingagenturen einer der Bausteine für die endgültige Lösung in der Euro-Krise.

Nun müsste allerdings die europäische Politik doch wieder über eine Anschubfinanzierung nachdenken, was bisher jedoch, auch von der deutschen Bundesregierung, abgelehnt wurde. In diesem Fall müsste man sich die Frage stellen, ob eine durch die Staaten selbst finanzierte Agentur überhaupt unabhängige Bonitätsbewertungen für Staatsanleihen liefern könnte. Ähnlich sieht es ja auch bei dem von der Bertelsmann Stiftung in dieser Woche ins Gespräch gebrachten Stiftungslösung aus. Soll am Ende wirklich eine Ratingagentur über Staaten urteilen, deren Eigentümer und Financiers die Staaten selbst sind? Interessenkonflikte sind hier doch vorprogrammiert.

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Neben der Idee die Macht der führenden US-Agenturen durch mehr Wettbewerb zu beschränken, könnte man aber eventuell auch wieder einmal darüber nachdenken, die Entscheidungen über die Höhe der eingegangenen Risiken wieder mehr in die Hände der Anleger zu legen. Denn es waren gerade politische Entscheidungen, die den Ratingagenturen ihre Macht verliehen haben. Beispielsweise müssen sich Versicherer von einigen Papieren trennen, wenn sie bestimmte Bonitätsgrenzen unterschreiten.

Mein Fazit: Europa kapiert nicht, dass es nach wie vor ganz nah am Abgrund steht. Und was wären schon 300 Mio. Euro für eine Ratingagentur in Zeiten von Milliarden-Rettungsschirmen? Aber so hat man wenigstens die Gelegenheit auch in Zukunft auf die Ratingagenturen von über dem großen Teich zu schimpfen, ohne dass man sich selbst verantwortlich fühlen muss. Und gerade das scheint ja derzeit durchaus en Vogue zu sein...

Marc O. Schmidt schreibt für dieboersenblogger.de, das einfache und direkte Sprachrohr von Journalisten und deren Kollegen, die teils schon mit jahrzehnterlanger Arbeits- und Börsenerfahrung aufwarten können. Auch als professionelle Marktteilnehmer und natürlich als Börsenfans. In ihrem Blog vertreten sie eine ganz simple Philosophie: Sie schreiben unabhängig von irgendwelchen Analysten, Bankexperten oder Gurus, was sie zum aktuellen (Börsen-)Geschehen denken.

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