diebörsenblogger.de-Kolumne

Warum wir alle anscheinend am Markt nur gewinnen können…

14.10.10 16:18 Uhr

Warum wir alle anscheinend am Markt nur gewinnen können… | finanzen.net

Hossa, Hossa, Hossa, Hossa, Fiesta, Fiesta Mexicana…”- frei nach Rex Gildo.

So oder so ähnlich geht es derzeit am Parkett zu. Ich habe am Mittwoch mit einem befreundeten Broker in Frankfurt gesprochen, der mir dringend riet „Long zu gehen, jetzt“. Tja, dachte ich, da sollte ich mal darüber nachdenken. Schließlich will man ja bekanntlich als Kleinanleger nichts verpassen. Heute ist Donnerstag und ich bin immer noch nicht großartig Long. Weil es ein „paar“ Faktoren gibt, die mich unverändert misstrauisch machen.

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Jeden Donnerstag das Gleiche…

Da ist einerseits die unverändert sehr unbefriedigende Situation in den USA bzw. deren wirtschaftliche Lage. Nehmen wir nur einmal die jüngsten Wirtschaftsdaten. Diese sagen ganz klar aus: Der Motor stottert bzw. kommt erst gar nicht zum Laufen. Es vergeht nicht ein Donnerstag, an dem es nicht schlechter als erwartete Daten bei den wöchentlichen Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe gibt.

Komisch, wenn man bedenkt, dass auf der anderen Seite die US-Banken und Finanzkonzerne an der Wall Street in New York dieses Jahr einer Studie zufolge Sonderzahlungen von insgesamt 144 Milliarden US-Dollar an Manager auszahlen. Dies entspricht einem neuen Rekord, wie das "Wall Street Journal" unter Berufung auf eine Auswertung der Daten von 35 Unternehmen der Finanzbranche berichtet. Dies seien vier Prozent mehr als im vergangenen Jahr, als die Branche 139 Milliarden Dollar in Form von Direktzahlungen, Boni, Prämien oder Aktienoptionen ausschüttete. Und wenn man dann noch bedenkt, dass viele Banken in der Krise nur mit Staatshilfe gestützt werden konnten, wird einem ganz anders. Da passt es dann auch gut rein, wenn das US-Außenhandelsdefizit im August mit 46,35 Milliarden Dollar höher als die Erwartungen der Analysten lag. Und die Teuerung der Erzeugerpreise im September um 0,4 Prozent stärker als erwartet ausfiel.

Gier ist gut?

Die Schere zwischen Arm und Reich – sie ist (mal) wieder da. Da klingt der berühmte Satz des Gordon Gekko aus „Wall Street“ „Gier ist gut“ nur zynisch. Aber lassen wir das. Schließlich wird an den Börsen nicht die Ethik sondern Kapital gehandelt. Wissen wir ja alle. Da ist es doch viel besser zu hören, dass die US-Notenbank genau diese Anleger- und Kapitalfreunde mit ihrer Politik unterstützt. Frei nach dem Motto „never change a winning team“ wollen die Fed-Jungs weitere Geldspritzen verteilen. Waren es früher die Notenbanken, die die Geldpressen anwerfen mussten, ist es heute ja „nur“ noch ein „Return“-Tippen auf unseren PCs. Schon Anfang November soll die Wiederaufnahme weiterer Anleihekäufe in Milliardenhöhe beschlossen werden. Der letzte Satz hat genau am Mittwoch dazu geführt, dass die Börsen abgehen, wie wir es als Formel-Eins-Fans vielleicht gerne wieder von Michael Schumacher sehen würden.

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Marc Faber warnt hingegen wieder einmal

Aber es gibt doch tatsächlich ein paar Miesmacher, die einem in die (Anleger-)Suppe spucken wollen. Einer davon ist Marc Faber. Der „Crash-Guru“, wie er von den US-Medien seit Jahren (ehrfurchtvoll) genannt wird, hat sich aus Asien gemeldet und ganz klar gesagt: Leute, die Liquidität am Markt kann nicht gut sein, und auf Dauer werden die Amerikaner unter gehen. Nun: Man kann das als zu negativ ansehen. Fakt ist, dass der gebürtige Schweizer als einer der wenigen die letzten großen Crashs ganz klar prognostiziert hat. Doch wer will so etwas schon hören, wenn gerade der Mini-Long auf den DAX im Depot große Sprünge tut oder die Fonds endlich wieder gen Norden streben? Die Antwort weiß jeder selbst. Wieso skeptisch sein, wenn es bergauf geht?

Die Sache mit der „Luft nach oben“

Das dokumentieren auch die jüngsten Studien. Laut deren hat sich die Stimmung der Anleger in Deutschland im dritten Quartal deutlich gewandelt. 48 Prozent der Befragten rechnen in den nächsten sechs Monaten mit steigenden Aktienkursen, ein Plus von 17 Prozentpunkten gegenüber dem zweiten Quartal 2010. Kursrückgänge befürchten dagegen nur noch 14 Prozent (Vorquartal 36 Prozent), konstante Kurse erwarten 29 Prozent (Vorquartal 25 Prozent). Die meisten Befragten rechnen auch mit einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in Deutschland. Dies zeigt eine Umfrage von Union Investment zum Anlegerverhalten im dritten Quartal 2010.

Tja, es ist schwierig zu sagen, was die kommenden Tage und Wochen bringen. Glaube ich meinem befreundeten Broker, „ist nun genügend Luft nach oben im DAX“. Aber vielleicht ist es ja auch so, wie es einst einmal Gerhard Delling bei einem Länderspiel unserer DFB-Jungs sagte: „Die Luft, die nie drin war, ist raus aus dem Spiel.“ Wir werden sehen…

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Christoph Scherbaum schreibt für dieboersenblogger.de, das einfache und direkte Sprachrohr von Journalisten und deren Kollegen, die teils schon mit jahrzehnterlanger Arbeits- und Börsenerfahrung aufwarten können. Auch als professionelle Marktteilnehmer und natürlich als Börsenfans. In ihrem Blog vertreten sie eine ganz simple Philosophie: Sie schreiben unabhängig von irgendwelchen Analysten, Bankexperten oder Gurus, was sie zum aktuellen (Börsen-)Geschehen denken.

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.