HVB prognostiziert Preisverdopplung bei Emissionsrechten - Anstieg schon 2010 erwartet
Egal wie der Weltklimagipfel in Kopenhagen ausgehen wird, das billige Verschmutzen der Luft mit CO2 wird für die Industrie ab 2010 ein Ende haben. Davon ist zumindest die Hypovereinsbank (HVB) überzeugt und rechnet bereits Anfang nächsten Jahres mit einem Preisanstieg bei Emissionsrechten.
von Peer Leugermann, €uro am Sonntag
Denn unabhängig davon, ob in Dänemarks Hauptstadt erfolgreich ein Nachfolgeabkommen für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll verhandelt wird, hat Europa seine CO2-Grenzen bereits festgelegt. Bis 2020 soll der Kohlendioxidausstoß gegenüber 1990 um 20 Prozent sinken. Um das zu erreichen, wird die Industrie immer weniger Verschmutzungsrechte erhalten. Werden aktuell noch 2,08 Milliarden Zertifikate vergeben, die zum Ausstoß des Treibhausgases berechtigen, soll die Ausgabe bis 2020 auf gut 1,7 Milliarden sinken. Selbst unter der Annahme, dass die europäischen Konzerne Emissionsrechte aus dem Ausland zukaufen, schätzt die HVB, dass so über den gesamten Zeitraum eine Versorgungslücke von insgesamt 2 Milliarden Zertifikaten entsteht. Bereits 2012, taxiert die Bank ein Verschmutzungsrecht 27 Euro. Aktuell kostet ein einzelnes Verschmutzungsrecht, das zum Ausstoß je einer Tonne CO2 berechtigt, rund 13,14 Euro.
Dass es bereits ab Januar zu einem Preisanstieg kommen soll, liegt laut der HVB aber nicht ausschließlich an der Verknappung der Emissionsrechte. Denn diese bekommen die betroffenen Unternehmen noch bis 2013 zu 80 Prozent geschenkt. „Allerdings sind die im kommenden Jahr zu verteilenden Emissionssrechte erstmals übertragbar und zwar bis in das Jahr 2020 hinein“, erklärt Heiko Siemann, Experte für Emissionshandel der HypoVereinsbank. Hinzu kommt, dass es die Rechte ab 2013 für die Stromkonzerne nicht mehr gratis gibt, sondern diese zu 100 Prozent gekauft werden müssen. „Da die Energieerzeuger ihren Strom aber teilweise mit rund drei Jahren Vorlauf verkaufen, werden die Stromversorger bereits im kommenden Jahr die Zertifikate kaufen, die sie 2013 zum Ausstoß von Treibhausgasen brauchen. Denn nur so können sie sich ihre Margen sichern", so Siemann. „Die entscheidende Frage wird sein, ab wann die Energieversorger anfangen, sich im kommenden Jahr einzudecken. Die Nachfrage nach C02 würde dann steigen und damit vermutlich auch die Preise.“ Siemann´s These stützt, dass die Emissionsrechte bereits seit 2007 immer im Frühjahr eine Preissteigerung erfahren. Laut dem HVB-Banker liegt dies daran, dass die Energieversorger dann ihren Strom verkauft hätten und sich mit der entsprechenden Menge an Emissionsrechten eindeckten.
Lesen Sie auf Seite zwei: Wer von dem Preisanstieg besonders betroffen ist und welche Rsisiken wie Chancen der Handel mit dem Klimawandel bietet
Noch sind die Stromlieferanten der größte Abnehmer der Zertifikate, da bisher nur Energiekonzerne und energieintensive Branchen wie die Zement- oder Stahlindustrie zum Kauf der Emissionsrechte verpflichtet sind. Europaweit gibt es damit 12.476 Unternehmen die für ihren CO2-Ausstoß zahlen müssen. In Deutschland sind es insgesamt 1000. Ab 2012 soll aber auch die Luftfahrtsbranche dazu kommen. Ähnliche Überlegungen gibt es zudem für die Schifffahrt. Doch vor allem die Elektrizitätsanbieter werden nach wie vor zu den Großabnehmern zählen, denn sie emittieren bei weiten das meiste CO2 pro Jahr. Insgesamt verursacht ganz Europa eine jährliche CO2-Belastung von rund vier Milliarden Tonnen, durch den Emissionshandel sind bisher rund zwei Milliarden Tonnen abgedeckt.
Noch kleiner als die Käuferseite im Emissionsgeschäft ist aber die der Händler. An der European Energy Exchange (EEX) sind aktuell 189 Broker zugelassen. Die Gesamtzahl aller Akteure, die mit den Emissionsrechten handeln, wird von der HVB auf bis zu 300 geschätzt. Denn rund 50 Prozent des Handels findet im so genannten Over the Counter Geschäft (OTC) statt, also zwischen einzelnen Handelshäusern direkt und nicht über die Börse. Auf die Markteilnehmer verteilt sich dabei ein Handelsvolumen im Milliardenbereich. So wurde allein vom 25. November bis zum 2. Dezember ein Volumen von 1,76 Milliarden Euro umgesetzt, Tendenz steigend.
Die Wahrnehmung von Verschmutzungsrechten als Anlageklasse scheint also zuzunehmen. Dabei wird mit den Emissionsrechten eigentlich kein reales Gut sondern ein politischer Wille gehandelt. Denn CO2 bekam erst durch die Klimaschutzabsichten der EU-Politiker ein Preisschild in Form der Zertifikate. Wohin das im Zweifelsfall führen kann, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Denn als bekannt wurde, dass die Verschmutzungsrechte zur Einführung umsonst verteilt werden, waren die Emissionsrechte zwischenzeitlich nicht mal mehr das Papiere wert auf dem sie gedruckt wurden.
Kritiker sehen daher die Gefahr, dass einem freien Spiel von Angebot und Nachfrage die Lobbyistenriege in Brüssel im Weg steht. Denn sollten die Emissionsrechte zu teuer werden und somit zu einer überproportionalen Belastung der Unternehmen führen, könnte die Wirtschaft versuchen, die Politiker einfach zur Herausgabe von mehr Verschmutzungsrechten zu bewegen. Zudem ist die politische Absicht hinter dem Emissionshandel nicht unbedingt deckungsgleich mit marktwirtschaftlichen Prinzipien. Denn durch immer teuere Verschmutzungsrechte sollen die Konzerne zu Investitionen in Technologien zur CO2-Vermeidung bewegt werden. Denn wenn es mehr kostet, die Luft zu verschmutzen als sie von vornherein sauber zu halten, wird die Nachfrage nach den Emissionsrechten automatisch sinken. Alternativen wie die Speicherung von Kohlendioxid in der Erde kosten schätzungsweise 40 bis 45 Euro je Tonne. Allerdings ist diese Technologie noch sehr umstritten und gerade erst am Anfang ihrer Testphase.
Doch trotz der nicht unerheblichen Risiken beim Handel mit dem Klimawandel gibt es auch zahlreiche Chancen. So planen etwa Australien, Japan und die USA ebenfalls einen Emissionshandel einzuführen. Wann ist allerdings noch offen. Auf lange Sicht könnte es also zu einem globalen Emissionsmarkt kommen. Dafür kamen jüngst positive Signale aus Amerika für den Emissionshandel. Denn die Umweltbehörde erklärte Kohlenstoffdioxid jüngst zu einem Gift und gibt US-Präsident Barack Obama damit die Möglichkeit, auch ohne Erlaubnis des Senats den Kampf gegen das Treibhausgas aufzunehmen.