Frankreichs Regierung bringt Sparhaushalt auf den Weg - Premier setzt umstrittene Rentenreform aus

Inmitten der politischen Krise in Frankreich hat Premier Sébastien Lecornu einen Haushaltsentwurf vorgelegt, mit dem eine Sanierung der Finanzen des hoch verschuldeten Landes eingeleitet werden soll.
Die neue Regierung brachte den Budgetentwurf in der ersten Kabinettssitzung auf den Weg. Ziel sei es, das Haushaltsdefizit damit von erwarteten 5,4 Prozent im laufenden Jahr auf unter 5 Prozent im kommenden Jahr zu senken, sagte Regierungssprecherin Maud Bregeon.
Der noch nicht öffentlich gemachte Haushaltsentwurf sehe Einsparungen von rund 30 Milliarden Euro vor, berichteten französische Medien. Lecornus Amtsvorgänger François Bayrou war über einen Haushaltsentwurf mit geplanten Einsparungen von knapp 44 Milliarden Euro gestürzt.
Wird Rentenreform ausgesetzt?
Am Nachmittag wird die Regierungserklärung von Lecornu erwartet, von deren Ausrichtung es abhängen dürfte, ob die neue Regierung ein Misstrauensvotum der Opposition übersteht oder bereits wenige Tage nach ihrem Antreten fällt.
Frankreichs Linkspartei und die nationale Rechte stellten bereits Misstrauensanträge, über die am Donnerstagmorgen in der Nationalversammlung abgestimmt werden soll. Die Sozialisten machten eine Duldung der neuen Regierung davon abhängig, ob Lecornu in seiner Regierungserklärung ein Aussetzen der umstrittenen Rentenreform ankündigt.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte in der Kabinettssitzung davor, dass die Misstrauensanträge ihn zur Auflösung der Nationalversammlung und dem Ausrufen von Neuwahlen veranlassen könnten, sagte die Regierungssprecherin. Macron habe während der Kabinettssitzung gesagt, dass manche der Politiker nicht zur Debatte bereit seien, denn die Misstrauensanträge seien Anträge zur Auflösung des Parlaments.
Frankreichs Premier setzt umstrittene Rentenreform aus
Frankreichs Regierungschef Sébastien Lecornu will die umstrittene Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron aussetzen und geht damit in der politischen Krise einen Schritt auf die Opposition zu. Wie Lecornu in seiner Regierungserklärung ankündigte, werde die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre bis Januar 2028 ausgesetzt. "Diese Aussetzung soll das notwendige Vertrauen schaffen, um neue Lösungen zu entwickeln", sagte Lecornu vor den Abgeordneten der Nationalversammlung in Paris.
Mit der Ankündigung steigen die Chancen des Premiers, ein Misstrauensvotum zu überstehen, über das am Donnerstag im Parlament abgestimmt wird. Da das Regierungslager in der Nationalversammlung keine Mehrheit hat, ist Lecornu auf die Unterstützung oder Duldung von Parteien angewiesen, die an seiner neu formierten Regierung nicht beteiligt sind. Ansonsten droht seiner Mitte-Rechts-Regierung schon nach wenigen Tagen im Amt der Sturz.
Misstrauensantrag der Sozialisten droht
Frankreichs Linkspartei und die nationale Rechte hatten bereits vor der Regierungserklärung zwei Misstrauensanträge gestellt und angekündigt, die Regierung auf jeden Fall stürzen zu wollen. Das rechte Rassemblement National (RN) hatte zudem gesagt, auch für den Antrag der Linkspartei zu stimmen.
Die Sozialisten machten eine Duldung der neuen Regierung unterdessen davon abhängig, ob Lecornu in seiner Regierungserklärung ein Aussetzen der umstrittenen Rentenreform ankündigt. Dies ließen die Sozialisten 40 Minuten vor Beginn von Lecornus Rede in einer Erklärung wissen.
Trotz des Kurswechsels des Premiers ist die politische Krise in Frankreich damit noch nicht gelöst. Seit der vorgezogenen Parlamentswahl im Sommer 2024 ist die Nationalversammlung in mehrere politische Blöcke geteilt, die jeweils allein keine regierungsfähige Mehrheit besitzen, aber auch keine tragfähigen Bündnisse bilden und sich gegenseitig blockieren. Koalitionen wie etwa in Deutschland sind in Frankreich unüblich. Lecornus neues Kabinett ist bereits die vierte Regierung seit der Wahl.
Reform löste Massenproteste aus
Die im Frühjahr 2023 ohne Abstimmung durchs Parlament durchgebrachte Rentenreform hatte in Frankreich zu monatelangen Massenprotesten geführt. Begründet wurde das Schlüsselvorhaben von Macrons zweiter Amtszeit mit einem Loch in der Rentenkasse. Mit der vor zwei Jahren in Kraft getretenen Reform steigt das frühestmögliche Renteneintrittsalter in Etappen von 62 auf 64 Jahre. Inzwischen ist das Renteneintrittsalter bereits auf 62 Jahre und neun Monate angestiegen. Wer nicht lange genug eingezahlt hatte, musste aber schon bisher länger arbeiten, um Anspruch auf eine volle Rente zu haben.
Lecornu rief nun zu einer erneuten Debatte über ein Reformieren des Rentensystems auf. Das System müsse dabei aber langfristig im Gleichgewicht bleiben und dürfe das ohnehin schon hohe staatliche Defizit Frankreichs nicht erhöhen. "Die Kosten des Rentensystems belaufen sich auf 400 Millionen Euro im Jahr 2026 und 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2027. Diese Aussetzung wird letztlich 3,5 Millionen Franzosen zugutekommen. Sie muss daher finanziell ausgeglichen werden, auch durch Einsparmaßnahmen."
Lecornu schlug vor, in Absprache mit den Sozialpartnern eine Konferenz zum Thema Renten und Arbeit zu organisieren. Wenn diese zu einem Ergebnis komme, werde die Regierung die Vereinbarung in ein Gesetz umsetzen und das Parlament darüber entscheiden. "Ansonsten ist es Aufgabe der Präsidentschaftskandidaten, ihre Vorschläge zu unterbreiten, und Aufgabe der Franzosen, darüber zu entscheiden", sagte er.
Lecornu hat Sparhaushalt vorgelegt
Am Morgen hatte Lecornu einen Haushaltsentwurf vorgelegt, mit dem eine Sanierung der Finanzen des hoch verschuldeten Landes eingeleitet werden soll. Die neue Regierung brachte den Budgetentwurf in der ersten Kabinettssitzung auf den Weg. Ziel sei es, das Haushaltsdefizit damit von erwarteten 5,4 Prozent im laufenden Jahr auf unter 4,7 Prozent im kommenden Jahr zu senken, sagte der Premier in der Nationalversammlung.
Frankreichs Haushaltsdefizit lag 2024 bei 5,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und übertraf damit deutlich die Grenze von 3 Prozent, die sich die Europäische Union im Stabilitätspakt gesetzt hat. Die EU hat bereits im Juli 2024 ein Defizitverfahren gegen Frankreich eröffnet.
PARIS (dpa-AFX)
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