Kriseninvestitionen

Wie in Krisenzeiten investiert werden könnte

18.01.17 15:22 Uhr

Wie in Krisenzeiten investiert werden könnte | finanzen.net

Anleger sollten eines wissen: Zu Krisen kam es immer, kommt es immer wieder und wird es wohl immer wieder kommen. Wie in Krisenzeiten beispielsweise investiert werden könnte.

Wir schreiben das Jahr 1637. In den Niederlanden konnten die Jahre zuvor mit Tulpenzwiebeln enorme Renditen erwirtschaftet werden. Tulpenzwiebeln waren teils so teuer wie ganze Wohnhäuser. Eine irre Manie hatte sich breitgemacht. Doch nun im Jahr 1637 blieben die ersten Tulpenzwiebelbesitzer auf ihren Investments sitzen. Die Spekulationsblase begann sich in einen wahren Crash zu verwandeln. Viele - die zu völlig übertriebenen Preisen eingestiegen waren - erlitten herbe Verluste und verloren nicht selten Haus und Hof. Mit dem Crash am Markt für Tulpenzwiebeln kam auch die allgemeine Wirtschaft unter die Räder.

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Die erste Spekulationsblase endete im Krach und die Generationen danach würden nicht daraus gelernt haben. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts kam es in den unterschiedlichsten Staaten und auf diversen Märkten immer und immer wieder zu Preisblasen, die von heftigen Krisen abgelöst wurden. Ein stets wiederkehrender Zyklus aus Boom und Crash, egal ob bei Land, Immobilien, Aktien, Anleihen, Rohstoffen oder anderen handelbaren Gütern.

Doch nicht jede Krise, nicht jeder Krach ist von gleich schlimmem Ausmaß gewesen - es scheint Unterschiede zu geben. Im Folgenden werden daher zwei Typen von Krisen näher beleuchtet. Bezogen wird sich hierbei im Speziellen auf die allgemeine Wirtschaft und den Aktienmarkt als Markt für handelbare Unternehmensbeteiligungen.

Szenario 1: Die typische zyklische Krise

Zu typischen zyklischen Wirtschaftskrisen kommt es regelmäßig auch in der vermeintlich stabilen westlichen Hemisphäre. Die allgemeine Wirtschaft erlebt scheinbar "naturgemäß" Phasen des Booms und des CRashs und die Zyklenforschung konnte zeigen, dass in gewissen Zeitabständen mit größeren Wirtschaftseinbrüchen zu rechnen ist. Bereits die Zyklenforscher Joseph Kitchin (1861-1932), Clement Juglar (1819-1905) und Simon Kuznets (1901-1985) konnten Zyklen mit unterschiedlichen Zeitlängen finden.

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Da die Wirtschaft mit den Aktienmärkten zusammenhängt, konnte auch an den Aktienmärkten ein zyklisches Auf und Ab beobachtet werden. So soll beispielsweise in der weltweit führenden Wirtschaftsmacht USA ein 4-Jahreszyklus existieren, wonach in etwa alle vier Jahre mit einem wichtigen Aktienmarkttiefpunkt und einer davor mal mehr oder weniger ausgeprägten Baissephase zu rechnen ist.

Als mögliche Erklärung für den 4-Jahreszyklus wird der US-Wahlzyklus herangezogen. So zeigt beispielsweise Marshall Nickles mit seinem Beitrag "Presidential Elections and Stock Market Cycles. Can you profit from the relationship?" (2004) im "Graziadio Business Review", dass in der Historie Vorwahl- und Wahljahre im Durchschnitt besser abgeschnitten haben als Nachwahljahre und Midterms und viele wichtige US-Aktienmarkttiefpunkte in Midterms ausgebildet wurden.

Warum das?

Als Erklärung für tendenziell positive Vorwahl- und Wahljahre werden oft konjunkturstimulierende fiskal- und geldpolitische Maßnahmen angeführt, die dann im Vorfeld vor Präsidentenwahlen eher zu einer guten Wirtschaft und damit auch zu eher steigenden Aktienpreisen führen können. Nach den Wahlen und in Midterms werden dann eher restriktivere und in der Bevölkerung unbeliebte Maßnahmen ergriffen, die dann zu wirtschaftlicher Schwäche und zu nachgebenden Aktienmärkten führen können. Hierauf verweisen u.a. auch Marshall Nickles in Zusammenarbeit mit Nelson Granados in "The Four-Year U.S. Presidential Cycle and the Stock Market - An Updated Analysis" (2012) - ebenfalls erschienen im Graziadio Business Review.

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Langfristig orientierte Aktienmarktanleger sollten sich wohl von der typischen zyklischen Krise nicht allzu sehr beängstigen lassen. Zwar gab es in der Historie durchaus mehrere ausgeprägte Baissephasen mit Aktienverlusten auf Indexebene von mehr als 50 Prozent; dies insbesondere wenn der Aktienmarkteinbruch von einer scharfen Rezession begleitet wurde. Vielmals standen die Standardwerte-Indizes zumeist jedoch schon einige Jahre später wieder höher und belohnten den langfristigen Anleger mit Durchhaltevermögen mit stattlichen Gewinnen.

Kurzfristige Anleger könnten dahingehend nach geeigneten Indikatoren Ausschau halten, mit denen typische zyklische Krisen gut prognostiziert werden können. Vor der Krise die Aktienpositionen zu reduzieren und ggf. das freiwerdende Kapital in den Anleihemarkt umzuschichten und in der Nähe der Tiefpunkte wieder in den Aktienmarkt einzusteigen; das war zumindest in der Historie eine ganz gute Idee, um vor bzw. während der Krise zu investieren. Der Anleihemarkt hat sich seit Jahrzehnten als sicherer Hafen erwiesen, wenn es an den Aktienmärkten krachte. Außerdem verrät die Marktlogik, dass in rezessiven Zeiten Anleihen bevorzugt werden sollten. In Rezessionen werden für gewöhnlich von den Notenbanken die Zinsen gesenkt, was den Anleihekursen Auftrieb geben sollte.

Eher problematisch ist jedoch zurzeit, dass eine Reihe von vermeintlich sicheren Industriestaaten eine drastische Staatsverschuldung aufweisen und es somit fraglich ist, ob diese Anleihemärkte auch in Zukunft noch als "sicherer Hafen" gelten können.

Szenario 2: Die totale Krise

Im Gegensatz zur im kapitalistischen System typischen und immer wiederkehrenden zyklischen Wirtschaftskrise existiert noch das hier als totale Wirtschaftskrise bezeichnete Szenario. Hiermit soll eine Krise gemeint sein, die im Endstadium durch ein schrumpfendes Wirtschaftswachstum gepaart mit Hyperinflation und nicht selten einer Währungsreform gekennzeichnet ist. Als aktuelles Beispiel dient dafür der südamerikanische Karibikstaat Venezuela. Hier ist die Wirtschaft, die im Wesentlichen am Erdölpreis hängt, in den letzten Jahren deutlich stark geschrumpft, bei einer der höchsten Inflationsraten weltweit. Teils war hierfür der Grund wohl in einem fallenden Ölpreis zu finden - teils präsentieren sich dem aufmerksamen Beobachter aber auch hausgemachte Gründe durch einen ständigen Schlagabtausch der sozialistischen Regierung mit der Opposition, eklatanter Misswirtschaft und Korruption.

Laut Transparency International weist Venezuela eine der höchsten Korruptionsraten weltweit auf. Doch dem noch nicht genug: Venezuela leidet zusätzlich massiv an der Holländischen Krankheit. Diese Krankheit befällt gern Staaten mit starker Abhängigkeit von einem Exportgut und ist im Endstadium gekennzeichnet durch eine zurückgehende Wirtschaft, hoher Inflation und damit zunehmender Geldentwertung, Importabhängigkeit lebenswichtiger Güter durch eine zu ambitionierte De-Industrialisierung anderer Wirtschaftszweige (abseits des Hauptexportgutes) sowie durch hohe Arbeitslosigkeit. Die Krankheit bekam ihren Namen, da Holland durch fossile Rohstofffunde in der 1960er Jahren mit den Symptomen der Krankheit zu kämpfen hatte. Wie das Ende für Venezuela aussehen mag, lässt sich nur erahnen. Doch es wird wohl eher kein Gutes sein.

Totale Krisen gehen ebenfalls häufig mit Kapitalverkehrskontrollen einher, wodurch es schwierig oder unmöglich sein könnte, Kapital ins "sichere" Ausland zu transferieren oder die heimische kollabierende Währung in stabileres ausländisches Geld umzutauschen. Auch in Venezuela sind Kapitalverkehrskontrollen bereits seit vielen Jahren ein ständiger Begleiter und auf den illegalen Umtausch der heimischen Währung in ausländische Währungen stehen harte Strafen.

In den letzten Jahren waren u.a. mit Griechenland, Spanien, Portugal auch Staaten der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von schweren - wenn auch nicht hyperinflationären oder totalen - Krisen betroffen, die zu einem drastischen Rückgang der Wirtschaftsleistung und zu hoher Arbeitslosigkeit führten. Hier zeigt sich wieder, dass kreditgetriebene Boom-Phasen irgendwann in den Crash übergehen.

Im Gegensatz zu den Entwicklungsstaaten und Schwellenländern wurde die Bundesrepublik Deutschland in den letzten Dekaden von totalen Krisen mit massiven Wirtschaftseinbrüchen gepaart mit Hyperinflation und Währungsreform verschont. Die Mehrheit der in Deutschland lebenden Menschen weiß heute vielleicht nicht mehr, dass totale Krisen auch in die vermeintlich stabile Welt zurückkehren können.

Wie in derartigen Krisen das zu investierende Kapital navigiert werden könnte, dazu geben zum Beispiel die Vertreter der österreichischen Schule mit dem Konzept der Katastrophenhausse interessante Hinweise.

Eines scheint möglich zu sein: Vor dem Endstadium der totalen Krise und im Zuge von überbordender Verschuldung im Staatssektor, könnte es zu massiven Inflationierungstendenzen kommen, die dann zu einer sogenannten Katastrophenhausse führen. Diese auf Ludwig von Mises - einem der bekanntesten Vertreter der österreichischen Schule - zurückgehende spezielle Hausse ist durch massive Kapitalumschichtungen in die liquiden Aktienmärkte gekennzeichnet - aus Angst vor einem drohenden Geldwertverlust. Andere Sachwerte - wie beispielsweise Immobilien - können nicht so leicht und schnell erworben, veräußert und ggf. transportiert werden, daher fällt die Wahl eher auf die liquiden Aktienmärkte. Die Kurse der Aktien können im Falle einer Katastrophenhausse trotz einer Überbewertung der Anteilsscheine sogar immer weiter ansteigen. Phantastische Bewertungen sind hierbei keine Seltenheit.

Auch Venezuela erlebte in den letzten Jahren eine gigantische Katastrophenhausse. Der venezolanische Aktienmarkt zählte Jahre in Folge zu den besten weltweiten Aktienmärkten - zumindest in Landeswährung gerechnet. Trotz einer sinkenden Wirtschaftsleistung und tendenziell schlechten Aussichten für die Unternehmen in einem vom Sozialismus geprägten Marktumfeld, stiegen die Aktienkurse in nahezu phantastische Höhen. Der aktuelle breite Konsolidierungsbereich zwischen 27.000 und 40.000 Indexpunkten spricht dafür Bände, was zuvor für ein fulminanter Anstieg am Aktienmarkt erlebt wurde. Laut der Indexansicht auf TradingEconomics stand der venezolanische Aktienindex IBVC noch zu Beginn des Jahres 2012 bei knapp über 100 Punkten.

Doch nach der Katastrophenhausse kommt es wie bei allen Boomphasen zum unvermeidbaren Krach. Eine Neuausgestaltung der Währung lässt sich vielmals nicht vermeiden. In Deutschland stehen dafür die frühen 1920er Jahre Pate. Nachdem der deutsche Aktienmarkt zunächst einen wahnwitzigen Anstieg verzeichnete, erfolgte 1923 die Währungsreform in Form der Ausgabe der Rentenmark und im Jahr 1924 der Reichsmark.

Was lehrt die Geschichte demnach?

In totalen Krisen mit wirtschaftlichem Zerfall und hyperinflationären Phasen scheinen Sachwertanlagen das Nonplusultra gewesen zu sein. Dabei scheint die oftmals zu beobachtende Katastrophenhausse am Aktienmarkt einen interessanten Punkt für alle Anleger mit Hang zu Aktienpapieren darzustellen. Bei frühzeitigem Einstieg - immer bedenken, dass den "Letzten die Hunde beißen können" - hätten aus historischer Perspektive im Vergleich zu normalen Phasen aberwitzige nominale Renditen am Aktienmarkt erwirtschaftet werden können. Damit dürfte ein Anleger in dem hier beschriebenen Szenario 2 mit Investitionen am Aktienmarkt besser abgeschnitten haben, als ein Anleger mit seinem Geld unter dem Kopfkissen.

Fazit

Mit dem Investieren in der Krise ist das so eine Sache. Risikoaffine Investoren mit einem sehr langfristigen Anlagehorizont sind bei einem Investment in den wichtigen westlichen Industriestaatenaktienmärkten in der Vergangenheit gut gefahren und wurden mit ordentlichen Renditen belohnt. Typische zyklische Krisen über die Zeit konnten allein mit einer einfachen Buy-and-Hold-Strategie gut gemeistert werden. Kurzfristige Spekulanten mussten da schon mehr Know-how mitbringen, um nahe von Hochpunkten vor einer Aktienmarktbaisse aussteigen und rund um die Tiefpunkte wieder einsteigen zu können und damit gegebenenfalls besser abzuschneiden, als mit einer bloßen Buy-and-Hold-Strategie.

In einer totalen Krise - zu der es beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland lange Zeit nicht mehr kam - scheinen Sachwerte einen gewissen Schutz vor Geldentwertung und möglicher Währungsreform bieten zu können.



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Bildquellen: SCOTTCHAN / Shutterstock.com, YASUYOSHI CHIBA/AFP/Getty Images