ROUNDUP 2/Bundesregierung nach Wadephuls Syrer-Äußerung: Kein Dissens
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BERLIN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung widerspricht dem Eindruck eines Streits über Möglichkeiten einer freiwilligen Rückkehr von Syrern in ihr Heimatland und Rückführungen von Straftätern nach Syrien. Wenn man genau hinschaue, gebe es "inhaltlich überhaupt keinen Dissens oder auch keinen Widerspruch", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer in Berlin. Es sei der Bundesregierung wichtig, die Situation in der Region zu stabilisieren
- um eine freiwillige Rückkehr möglich zu machen.
Wie im Koalitionsvertrag vereinbart liefen Vorbereitungen, Rückführungen von Straftätern nach Syrien möglich zu machen, wenn dies rechtlich möglich sei, sagte Meyer. Die Lage vor Ort werde dabei bei der Bewertung immer auch eine Rolle spielen.
Innenministerium: 920 ausreisepflichtige Syrer ohne Duldungsstatus
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, im August hätten sich 951. 406 Menschen aus Syrien in Deutschland aufgehalten. Davon seien 920 ausreisepflichtig und hätten keinen Duldungsstatus.
Hintergrund der Diskussion: Außenminister Johann Wadephul (CDU) hatte bei einem Besuch im vom Bürgerkrieg gezeichneten Syrien angezweifelt, dass angesichts der massiven Zerstörung kurzfristig eine große Zahl syrischer Flüchtlinge freiwillig dorthin zurückkehren werde. "Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben", sagte der Minister zu einem Besuch in Harasta, einer schwer verwüsteten Vorstadt von Damaskus.
Die syrische Regierung schätze die in Deutschland ausgebildeten jungen Syrer. Sie könnten aber frei entscheiden, welchen Weg sie wählten. "Jeder, der bei uns bleibt und sich bei uns in unsere Gesellschaft einbringt, integriert arbeitet" sei weiterhin willkommen, fügte Wadephul hinzu. Für diese Äußerungen hatte der Außenminister Kritik einstecken müssen, etwa von CDU-Politikern, die im kommenden Jahr schwierige Wahlkämpfe zu bestehen haben.
Dobrindt verweist auf den Koalitionsvertrag
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) verwies auf die Vereinbarungen zum Thema Rückführungen im Koalitionsvertrag. "Ich habe mit den Rückführungen nach Afghanistan bereits begonnen", sagte er am Rande einer kommunalen Tagung in Mannheim. Man sei dabei, "mit Syrien Vereinbarungen zu machen, die die Rückführungen nach Syrien auch ermöglichen". Dieser Auftrag ergebe sich aus dem Koalitionsvertrag. Abschiebungen nach Syrien gibt es seit 2012 nicht mehr.
Dobrindt hatte der "Rheinischen Post" im September gesagt: "Wir wollen noch in diesem Jahr eine Vereinbarung mit Syrien treffen und dann zunächst Straftäter abschieben und später Personen ohne Aufenthaltsrecht." Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) leistet bereits Vorarbeit und bearbeitet wieder Asylanträge von Syrern - "vorrangig von arbeitsfähigen, jungen Männern", wie das Ministerium kürzlich erklärte.
Unions-Fraktionsmanager: Etwa 2.000 Syrer freiwillig ausgereist
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Steffen Bilger (CDU), sagte im ARD-"Morgenmagazin", es sei aus den unterschiedlichsten Ländern bereits etwa eine Million Flüchtlinge nach Syrien zurückgekehrt. Aus Deutschland seien bisher etwa 2.000 Menschen freiwillig nach Syrien ausgereist. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch sagte in der Sendung, Wadephul habe zu Recht auf die Situation in Syrien hingewiesen. Gleichzeitig sei es aber Absicht der Koalition, "dass wir natürlich bei schweren Straftaten auch Abschiebungen vornehmen".
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts erläuterte den Unterschied zwischen Rückführung und Rückkehr. Um Rückführung gehe es, wenn der Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig sei und abgeschoben werden könne. Dafür gebe es sehr hohe rechtliche Hürden. Zu solchen Rückführungen habe sich Wadephul bei seinem Besuch in Syriens nur am Rande geäußert. Bei der individuellen Entscheidung von Syrern über eine freiwillige Rückkehr spielten beispielsweise die Sicherheit im Heimatland wie auch wirtschaftliche Erwartungen und die Verfügbarkeit vom Wohnraum eine Rolle.
Distanz zu Wadephul-Äußerungen in der Union
Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Günter Krings (CDU) sagte der "Bild", der syrische Bürgerkrieg sei vorbei, in weite Teile des Landes sei für die allermeisten ausgereisten Syrer eine Rückkehr zumutbar. Der Zerstörungsgrad sei als Argument gegen eine "freiwillige oder pflichtgemäße Rückkehr" ungeeignet. "Denn wer soll ein zerstörtes Land wieder aufbauen, wenn das nicht seine eigenen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen tun?"
Manuel Hagel, CDU-Spitzenkandidat bei der baden-württembergischen Landtagswahl im März 2026, sagte dem Nachrichtenportal "t-online", humanitärer Schutz sei kein Daueraufenthaltsrecht, sondern Schutz auf Zeit. Der Bürgerkrieg als zentraler Fluchtgrund sei beendet. "Wir können, sollten und müssen Rückführungen vornehmen - Straftäter ohnehin."
Sachsen-Anhalts CDU-Chef und Wirtschaftsminister Sven Schulze, in dessen Land 2026 ebenfalls ein neuer Landtag gewählt wird, forderte, es müsse an einer Strategie zur schnellen Rückkehr gearbeitet werden. "Ein in Teilen zerstörtes Land und schlechtere Lebensbedingungen als in Deutschland sind kein Grund, daran nicht zu arbeiten."/bk/DP/nas