ROUNDUP 2: Merz will den Turbo für Wachstum zünden
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BERLIN (dpa-AFX) - Die deutsche Industrie begrüßt das von der Koalition angekündigte Sofortprogramm zur Stärkung der Wirtschaft und mahnt zur Eile. "Es ist gut und wichtig, dass die Bundesregierung noch vor der Sommerpause konkrete Vorhaben für die Wirtschaft auf den Weg bringen will", erklärte Tanja Gönner, die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Die Unternehmen bräuchten vor der Sommerpause ein klares Aufbruchssignal und Planungssicherheit für Investitionen. "Jetzt gilt es, Angekündigtes konkret und zügig umzusetzen", forderte Gönner.
Als Beispiele nannte sie verbesserte Abschreibungsregeln, eine geringere Körperschaftssteuer und eine Absenkung der Energiekosten. Rasch müsse das Lieferkettengesetz ausgesetzt und entlang neuer europäischer Vorgaben verschlankt werden. Was Wachstum stärke, gehöre auf der Prioritätenliste für Regierung und Parlament ganz nach oben, mahnte Gönner.
"Die Ergebnisse machen Hoffnung. Doch vielen Mittelständlern steht das Wasser längst bis zum Hals", sagte der Bundesgeschäftsführer des Mittelstandsverbandes BVMW, Christoph Ahlhaus, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch er mahnte zur Eile: "Die Welt und der Wettbewerb warten nicht auf uns."
Kritik an den Plänen der Koalition kam von der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm. "Verschiedene Maßnahmen sind höchst fragwürdig, etwa die Senkung des Umsatzsteuersatzes in der Gastronomie, die Agrardiesel-Subvention und die Mütterrente", sagte die Ökonomin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Das sind kostspielige Maßnahmen in einer Zeit, in der wir uns derartige Wahlgeschenke eigentlich nicht leisten können."
Erste Beschlüsse noch vor Sommerpause geplant
In den ersten drei Wochen der Koalition stand die Außenpolitik im Mittelpunkt, am Mittwoch folgten nun wichtige innenpolitische Weichenstellungen. Das Bundeskabinett brachte erste Gesetzentwürfe zur Verschärfung der Migrationspolitik, die Verlängerung der Mietpreisbremse und einen schnelleren Netzausbau auf den Weg. Am Nachmittag beschloss der Koalitionsausschuss ein vierseitiges "Sofortprogramm" mit einer Prioritätenliste. Genauere Umsetzungstermine finden sich in der Vier-Seiten-Liste aber nicht.
Die Koalitionäre machten allerdings deutlich, dass sie Tempo machen wollen, um rasch die Stimmung im Land zu verbessern. Merz hofft, dass Bundestag und auch Bundesrat einige Steuererleichterungen für Unternehmen noch vor der Sommerpause beschließen. "Wir zünden sozusagen den Turbo", sagte Merz in den ARD-"Tagesthemen". Andere Maßnahmen wie die Absenkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie sollen zum 1. Januar 2026 wirksam werden, auch die Senkung der Stromsteuer. Bei diesem Punkt sagte Merz, dass dies "möglicherweise sogar schon früher" geschehen könnte.
Koalition der "Möglichmacher"
"Es geht jetzt Schlag auf Schlag" und "das erste Jahr ist mit das wichtigste", machte Merz auf der Pressekonferenz nach dem Treffen der Koalitionsspitzen deutlich, das nicht einmal drei Stunden gedauert hatte. Auch SPD-Chef und Finanzminister Lars Klingbeil betonte, nötig sei, dass "richtig Tempo reinkommt", damit die Bürger spürten, dass sich schnell etwas im Land verändere. "Wir wollen eine Koalition der Möglichmacher sein", betonte Klingbeil.
CSU-Chef Markus Söder mahnte "Tempo, Tempo, Tempo" an und sprach von einem "toughen Arbeitsprogramm". Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche drängte ebenfalls zur Eile. "Schnell entscheiden, beherzt handeln, zügig umsetzen - so können wir wieder Wachstum und Aufschwung in Deutschland organisieren", teilte die CDU-Politikerin mit.
Widerstand aus den Ländern?
Befürchtungen, dass sich Bundesländer bei Koalitionsvorhaben querstellen könnten, begegnete Merz mit zwei Hinweisen. Der Koalitionsvertrag sei auch von Vertretern aus den Bundesländern mitbeschlossen worden. Und auch die Bundesländer sollten vom gigantischen Sondervermögen mit 100 Milliarden Euro profitieren. Söder, auch bayerischer Ministerpräsident, nannte es "unglaublich", was der Bund hier mache. Noch nie habe eine Bundesregierung sich bereiterklärt, den Ländern derart zu helfen, betonte Söder. Er verwies überdies auf die Lockerung der Schuldenbremse für die Länder.
Eine Premiere und ein Abschied
Für Merz war es der erste Koalitionsausschuss, für die SPD-Co-Chefin Saskia Esken hingegen der letzte, wie sie selbst sagte. Beim SPD-Parteitag Ende Juni tritt Esken nicht mehr an. Für den Co-Vorsitz an der Seite Klingbeils kandidiert die neue Arbeitsministerin Bärbel Bas. Wird sie zur SPD-Chefin gewählt, sitzt sie künftig in dem ansonsten nur mit Männern besetzten Gremium der Koalitionsspitzen.
Merz überreichte Esken einen Blumenstrauß und dankte ihr "sehr herzlich" für die Zusammenarbeit, wie er im ZDF sagte. Diese sei nicht immer einfach, aber in einer menschlich sehr guten Atmosphäre verlaufen./shy/DP/jha