Sonderzölle

Neue Gegenzoll-Pläne: EU bereit sich auf Eskalation mit USA vor

08.05.25 16:07 Uhr

EU vs. USA: Neue Zollstrategie enthüllt! | finanzen.net

Im Handelskonflikt mit den USA bereitet die Europäische Kommission weitere Sonderzölle auf US-Exporte im Wert von bis zu 95 Milliarden Euro vor.

Diese Zusatzabgaben könnten auf Industrie- und Agrarprodukte wie Autos, Süßkartoffeln und Whiskey erhoben werden, sollten Verhandlungen mit Washington nicht zu einer Lösung führen, wie aus einer Mitteilung der Brüsseler Behörde hervorgeht.

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Als Frist dafür gilt derzeit der Monat Juli. In ihm läuft eine 90-Tage-Frist ab, die US-Präsident Donald Trump für Angebote der EU gesetzt hat. Wenn diese ihm nicht ausreichen, will er umfangreiche neue Sonderzölle auf Einfuhren aus der EU erheben lassen. Sie würden zu bereits geltenden Sonderzöllen von ihm hinzukommen.

EU sieht US-Zölle als nicht gerechtfertigt

Der US-Präsident will mit den Zöllen angebliche Handelsungleichgewichte korrigieren und Produktion in die USA verlagern. Zugleich sollen die Zolleinnahmen dazu dienen, sein teures Wahlversprechen großer Steuersenkungen zumindest teilweise gegenzufinanzieren.

Die EU sieht die Zölle hingegen als nicht gerechtfertigt und unvereinbar mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) an. Sie will deswegen zurückschlagen, sollte es keine einvernehmliche Einigung geben.

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"Die EU ist nach wie vor fest entschlossen, mit den USA zu Verhandlungsergebnissen zu kommen. Wir sind davon überzeugt, dass es gute Vereinbarungen zum Nutzen der Verbraucher und Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks geben kann", erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu den Planungen für Gegenmaßnahmen. Gleichzeitige bereite man sich weiter auf alle Möglichkeiten vor.

Liste soll noch diskutiert werden

Betroffen sein könnten von zusätzlichen Zöllen auch Maschinen, Auto- und Flugzeugteile, Chemikalien sowie neben Whiskey auch Rum und Wein aus den USA. Die mehr als 200 Seiten lange Liste mit Produkten, die aus Sicht der Kommission mit Zöllen belegt werden könnten, soll nun öffentlich und von der Wirtschaft diskutiert werden.

Hoffnung ist gleichzeitig, dass die Liste auch in den USA analysiert wird und exportorientierte Unternehmen die Regierung in Washington drängen, eine Einigung mit der EU zu erzielen.

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Parallel zu der Vorbereitung neuer möglicher Gegenzölle will die EU-Kommission die USA wegen der Zölle bei der WTO verklagen, wie die Behörde weiter mitteilte. Dort richtet der Streitschlichtungsausschuss dann ein Expertengremium ein, das begutachtet, ob die Zölle gegen WTO-Regeln verstoßen.

Neben den Zusatzabgaben zieht die Kommission für diesen Fall außerdem EU-Ausfuhrbeschränkungen für bestimmte Produkte im Wert von 4,4 Milliarden Euro in Erwägung. Dazu gehören etwa Stahlschrott und chemische Erzeugnisse, die von US-Unternehmen bislang gerne importiert werden.

Bereits seit längerem geplant und nicht mehr umstritten ist für den Fall eines Scheiterns von Verhandlungen die Wiedereinführung von schon früher vereinbarten EU-Sonderzöllen auf US-Produkte wie Jeans, Bourbon-Whiskey, Motorräder und Erdnussbutter.

Dieser Schritt fällt in eine Zeit erhöhter Handelsspannungen, die bereits Unternehmen und Märkte in aller Welt in Aufruhr versetzt haben. Die Entscheidung der EU, auch Flugzeuge einzubeziehen, ist eine besonders schlechte Nachricht für den angeschlagenen Flugzeughersteller Boeing, der im April erklärte, dass viele seiner Kunden in China angedeutet hätten, dass sie wegen des Handelskonflikts mit den USA keine Jets des Unternehmens abnehmen würden.

Mit den angekündigten Schritten will die Kommission auf die von der US-Regierung eingeführten allgemeinen Zölle und die sektoralen Zölle auf Autos und Autoteile reagieren, so die Kommission. Sie erklärte, die vorgeschlagenen Zölle würden nur dann in Kraft treten, wenn die Verhandlungen mit den USA nicht zu einer für beide Seiten vorteilhaften Einigung und zur Aufhebung der US-Zölle führen.

"Die EU bereitet parallel zu den Verhandlungen und für den Fall, dass diese nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen, weiterhin mögliche Gegenmaßnahmen zum Schutz ihrer Verbraucher und ihrer Industrie vor", so die Kommission.

Die EU hatte zuvor eine separate Liste von US-Importen im Wert von 21 Milliarden Euro genehmigt, die sie mit Zöllen belegen wollte, darunter Boote, Sojabohnen, Erdnussbutter und Rindfleisch. Diese Zölle - die als Vergeltungsmaßnahme gegen die Metallzölle von Präsident Donald Trump gedacht waren - wurden im April auf Eis gelegt, nachdem seine Regierung eine 90-tägige Pause für einige US-Zölle angekündigt hatte.

EU-Handelskommissar warnt vor möglichen weiteren US-Zöllen

Zuletzt hatte EU-Handelskommissar Maros Sefcovic vor möglichen weiteren US-Zöllen auf europäische Waren gewarnt. Washington führe derzeit mehrere Untersuchungen und begründe diese mit der nationalen Sicherheit, sagte der Spitzenpolitiker am Dienstag bei einer Rede im Europaparlament in Straßburg. Sollten alle diese Untersuchungen zu Zöllen führen, wären zusätzlich Exporte im Wert von 170 Milliarden Euro betroffen.

Dies bedeute, dass insgesamt rund 549 Milliarden Euro an EU-Ausfuhren in die USA mit Zöllen belegt würden und damit 97 Prozent der Exporte, sagte Sefcovic. Das wäre "ein gewaltiges Ausmaß". Konkret geht es bei den US-Untersuchungen laut EU-Kommission etwa um Halbleiter, Arzneimittel und Rohstoffe.

Um den Handelsstreit zu entschärfen, hat die EU den USA bereits eine Vereinbarung zur gegenseitigen Aufhebung aller Zölle auf Industriegüter angeboten. Die Trump-Regierung ist darauf bislang aber nicht eingegangen.

Neben Zolldeals gelten neue Abkommen als Option. Nach Einschätzung der EU-Kommission könnten die EU und Trump etwa einen neuen Deal zum Ausbau amerikanischer Exporte von Flüssiggas (LNG) schließen. Zudem wäre es möglich, mehr Militärtechnik und Agrargüter zu importieren, um das US-Handelsdefizit mit der EU abzubauen.

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BRÜSSEL (dpa-AFX) / Dow Jones

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