Sechs Richtige gegen den Finanzminister
Welche Steuersoftware sich für Steuerzahler mit Kapitalerträgen lohnt, hat Euro am Sonntag in der Praxis getestet. Der Leistungsunterschied erstaunt.
von Sophie Brandt, Euro am Sonntag
Wie kompliziert das deutsche Steuerrecht ist, zeigt eine Zahl: Über 5,5 Millionen Einsprüche hat der Fiskus 2008 entschieden. In 42 Prozent der Fälle zugunsten des Steuerzahlers. Was zeigt, dass selbst die Finanzbeamten oft nicht mehr durchblicken.
Damit Sie bei der Abgabe Ihrer Steuererklärung für 2009 alles richtig machen und so viel wie möglich rausholen können, hat €uro am Sonntag gängige Steuerprogramme für den Heim-PC getestet. Das Resultat kann sich sehen lassen: Keines der getesteten Programme fiel durch. Viele Hersteller bringen mehrere Varianten auf den Markt: die Standardversion für einfache Erklärungen von Arbeitnehmern oder Rentnern oder die je nach Anbieter „Deluxe“, „Professional“ oder „Plus“ genannten Produktvarianten für kompliziertere Erklärungen etwa von Freiberuflern oder Gewerbetreibenden. Soweit ein Anbieter mehrere Versionen hergestellt hat, wurde die aufwendigere Variante getestet, um sicherzustellen, dass auch komplizierte Aktien- oder Spekulationsgeschäfte erfasst werden.
Das vergangene Jahr brachte mit der Einführung der Abgeltungsteuer eine grundlegende fiskalische Änderung. Das machte den Job für die Softwareentwickler nicht einfacher: Bis vor wenigen Wochen stand noch nicht einmal fest, wie die neue Anlage KAP für Kapitalerträge künftig auszusehen hat. Und so überrascht es nicht, dass einige Produkte im Bereich der Kapitalerträge noch kleinere Schwächen haben. Daher der wichtigste Tipp vorab: Wenn Sie sich eine Steuersoftware gekauft haben, sollten Sie bei der Installation unbedingt das angebotene Update herunterladen. Das erhöht die Chance, dass Schwächen behoben werden und die aktuelle Rechtsprechung eingearbeitet wird.
Zum Testergebnis: Auf der Poleposition landete in diesem Jahr die Software „Steuererklärung 2010 plus“ von der Akademischen Arbeitsgemeinschaft. Das Programm hat zwar – wie fast alle getesteten Produkte – nur ein Benutzerhandbuch und keinen zusätzlichen Steuerratgeber in Papierform, dafür ist es aber sehr übersichtlich im Aufbau. Jedoch kann der „Steuerkompass 2010“ kostenlos nachbestellt werden. Übrigens: Das aufwendige Prozedere ist dem Handel geschuldet, der die Softwareproduzenten zu kleineren Verpackungsgrößen vergatterte.
Die Übersichtsleiste auf der linken Seite erleichtert das Vor- und Zurückblättern, viele Voreinstellungen beispielsweise bei den Kindern sparen Zeit. Eingaben zum Arbeitszimmer sind nicht möglich, da das Programm (entsprechend der aktuellen Gesetzeslage) die Voraussetzungen als nicht gegeben ansieht. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass gegen den Steuerbescheid gegebenenfalls Einspruch eingelegt werden sollte. Auch bei den Studienaufwendungen der Ehefrau erfolgt der Hinweis auf einen möglichen Einspruch.
Für die Kapitalerträge gibt es neu den Abgeltungsteuerexperten. Dieser informiert beispielsweise über ausländische thesaurierende Fonds oder die Verlustverrechnungsmöglichkeiten, wenn Anlagen bei verschiedenen Banken gehalten wurden. Ebenso erfolgt ein Hinweis, wann die Abgabe der Anlage KAP sinnvoll oder sogar ein Muss ist. Soll nur Kirchensteuer nachversteuert werden, da der Bank kein entsprechender Auftrag erteilt wurde, so kann man dies anklicken. Die Eingabemöglichkeiten zu Erträgen aus Lebensversicherungen sind allerdings begrenzt, die Suchmaske weist auf das unter www.steuertipps.de erhältliche Handbuch hin. Zahlreiche Tipps, Sparstrategien und Musterschreiben zu verschiedenen Themen sowie eine vorausschauende Steuerplanung runden das Programm ab. Auch die Lohnsteuerermäßigung mit dem neuen Faktorverfahren ist bereits integriert. Zuletzt kann man bei Erhalt seines Einkommensteuerbescheids diese Daten zusätzlich in der Software erfassen, und der sogenannte Einspruchsgenerator formuliert anhand der Differenzen automatisch den Einspruch für den Fiskus.
Auf Platz 2 rangiert die Software „Taxman 2010“ der Firma Lexware. Ein Plus: Das 620 Seiten starke und schön aufgebaute Handbuch liegt bei. Der Datenimport aus dem Vorjahr ist möglich, EÜR-Rechner – kurz für Einnahme-Überschuss- Rechnung –, Reisekostenrechner und Fahrtenbuch sind integriert. Neu: Käufer der Software erhalten monatlich den Steuersparbrief, der ausführlich über Steueränderungen und Gerichtsurteile informiert. So kann man auch nach Abgabe der Steuer erklärung von der Rechtsprechung profitieren.
Beim Arbeitszimmer scheint es eine Unstimmigkeit zu geben. Zwar kommt gleich der Hinweis, dass beispielsweise Lehrer Kosten für ihr Büro geltend machen sollen, da hier ein Gerichtsverfahren anhängig sei. Die Eingabe der Aufwendungen ist aber nicht möglich, wenn man zuvor angeklickt hat, dass der Raum nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Nutzung darstellt. Beim Abschluss der Steuerberechnung unterbleibt dann auch der Hinweis auf ein hier nötiges Einspruchsverfahren.
Die Eingabe der Kapitalerträge beginnt mit einer Erläuterung der sogenannten Günstigerprüfung. Danach hat das Programm jedoch kleine Schwächen. So werden Werbungskosten bei den privaten Veräußerungsgeschäften anerkannt, obwohl dies ab 2009 nicht mehr zulässig ist. Die Differenzierung der Kapitalerträge nach verschiedenen Kreditinstituten ist nicht möglich. Zwar gibt es die Möglichkeit einer Verlustverrechnung, allerdings nur mit Verlusten aus dem Vorjahr, nicht zwischen verschiedenen Banken.
Knapper Testdritter wurde „Tax 2010 Professional“ von Buhl. Der Themenfilter gleich zu Beginn erleichtert die Eingabe, die Bereiche für Ehemann und Ehefrau sind farblich unterschieden, sodass man sofort erkennt, nach wessen Einkünften gerade gefragt wird. Kleines Plausibilitätsproblem: Trotz der Eingabe „verheiratet“ führt die Software keine Zusammenveranlagung durch, wenn das Datum der Eheschließung nicht eingegeben wird.
Obwohl in unserem Musterfall etwa die Arbeitszimmerkosten feststehen, muss man diese mittels Quadratmeterzahlen errechnen, statt sie direkt eingeben zu können. Obwohl bei der Plausibilitätsprüfung der Hinweis kommt, das Arbeitszimmer sei nach derzeitiger Rechtslage nicht abzugsfähig, werden die Kosten in der Steuerberechnung anerkannt. Sehr schön sind die alternative Eingabemöglichkeit direkt in die Steuervordrucke und einige geldwerte Voreinstellungen etwa zu Kontoführungsgebühren oder einer Pauschale für sonstige Arbeitsmittel mit 103 Euro.
Kleine Schwächen hatte auch dieses Programm bei den Kapitalerträgen. So erfolgte zwar der Hinweis, dass die Anlage KAP abzugeben sei, wenn Kirchensteuer von den Banken nicht einbehalten wurde. In einer unserer Testvarianten war es allerdings sinnvoll, einen Antrag auf Günstigerprüfung zu stellen. Die Option dieser Eingabe wurde nicht gefunden. Daher hatte der Steuerbescheid teilweise auch Probleme mit der Anrechnung der Abgeltungsteuer auf die Einkommensteuer. Nur beim Wechsel in die Vordrucke war ein Häkchen im entsprechenden Feld möglich.
Diesmal nur Platz 4 für das „WISO Sparbuch“. Die Software eignet sich vor allem für Nutzer, die sich erstmals an einer Steuersoftware versuchen, denn Aufbau und Reihenfolge der Abfragen unterscheiden sich von allen anderen getesteten Produkten und orientieren sich an Bedürfnissen von Steuerzahlern, denen Begriffe wie „Werbungskosten“, „außergewöhnliche Belastungen“ oder „selbstständige Tätigkeit“ fremd sind. Das Programm ist gut strukturiert, dank des übersichtlichen dreigeteilten Eingabebereichs zu Navigation, Datenerfassung und Tipps behält der Nutzer immer den Überblick.
Nachteil: Auch hier werden die Kosten des Arbeitszimmers trotz gegenteiliger Gesetzeslage berücksichtigt. Schön sind hingegen zahllose Voreinstellungen wie Höhe des Kindergelds oder Wohnort des Kinds. Eingaben zu den Kapitalerträgen sind nach kurzer Erläuterung zur neuen Abgeltungsteuer möglich. Man kann zwischen vier verschiedenen Eingabemöglichkeiten wählen. Dennoch ist die Eingabe auch hier durch die vielen zusätzlichen Rechenblätter mühsam. Das „WISO Sparbuch“ enthält ein 510-seitiges Fachbuch auf CD-ROM. Des Weiteren gibt es Rechner für Renten, Fristen, Erbschaft- und Schenkungsteuer, einen Gebührenrechner für Steuerberater, aber auch für Abfindungen oder Grundsteuer.
„Quicksteuer Deluxe“ der Firma Lexware landete diesmal nur auf einem der hinteren Ränge. Ähnlich wie bei „Taxman“ ist keine Vollinstallation nötig; den Reisekostenrechner etwa muss nur installieren, wer ihn auch benötigt. Dennoch dauert die Installation recht lang. Gleich nach dem Programmstart und der Namenseingabe öffnen sich informative Hinweise zur neuen Abgeltungsteuer. Viele Voreinstellungen erleichtern die Eingabe. Das Programm fragt beispielsweise nach, ob das Arbeitszimmer der Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit ist. Beim Anklicken von „Nein“ sind keine weiteren Eingaben (etwa zu der Frage, ob für die Tätigkeit kein anderer Raum zur Verfügung steht) möglich.
Positiv sind eine übersichtliche Erläuterung, wann die Anlage KAP ausgefüllt werden sollte, überschaubare Eingabemasken für die Kapitalerträge und die Erläuterungen, wann Auszahlungen aus Lebensversicherungen steuerpflichtig sind. Im Gegenzug fällt die Steuerberechnung zu knapp aus. So fehlt die Erklärung, warum die Lebensversicherung als steuerpflichtig behandelt wurde, obwohl sie dies nicht ist.
Die „Konz-Steuersoftware“ aus dem Hause Knaur Software belegte in diesem Jahr nur den letzten Platz. Die Installation dauerte von allen Programmen am längsten, zum Bereich Kinder gab es zu wenig Voreinstellungen, und einige der Plausibilitätskontrollen funktionierten nur unzulänglich. So kam wiederholt der Hinweis, dass einige Fragen nicht beantwortet worden seien, das Programm sprang jedoch nicht in den jeweiligen Bereich, sodass eine Nachbearbeitung nicht möglich war.
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, problemlos zwischen Interview- und Formularmodus zu wechseln. Praktisch geht dies nur bedingt, weil beim Wechsel teilweise einige Eingaben „verloren“ gingen. Ebenfalls ein Manko: Nur etwa die Hälfte der Steuererklärung konnte peu à peu mittels Interview erledigt werden. Der Rest, wie etwa die Kapitalerträge, konnte nur noch über die Formulare eingegeben werden. Im Interview-Modus wurden danach die Eingaben zum Verlustabzug gelöscht, in der Steuerberechnung tauchten sie dennoch weiter auf. Eine dauerhafte Löschung war erst über die Formulare möglich. Effektiv falsch: Der Arbeitnehmer in unserem Testfall bekam vom Programm problemlos die kompletten Aufwendungen für das Arbeitszimmer an erkannt, ohne dass auf die ungünstige Rechtslage verwiesen wurde.
Positiv fallen jedoch die verschiedenen Steuerberechnungsarten auf. Die Abgeltungsteuer wurde bei der entsprechenden Variante korrekt mittels Günstigerprüfung erstattet. Das Konz-Buch „1000 ganz legale Steuertricks“ ist enthalten, und wie auch in den Vorjahren können gegen Mehrkosten Fragen an Steuerprofis oder Konz-Experten gestellt werden. Alternativ kann man seine Steuererklärung gegen Aufpreis auch innerhalb von 48 Stunden von einem Steuerberater erstellen lassen.