Black Friday: Warum wir Rabatte lieben, aber günstige Aktien fürchten

Jedes Jahr lockt der Black Friday mit scheinbar spektakulären Rabatten. Millionen von Menschen klicken sich durch Online-Shops und sind überzeugt, echte Schnäppchen gemacht zu haben.
Doch ein genauer Blick zeigt: Viele Angebote sind längst nicht so günstig, wie sie wirken. Genau an diesem Punkt wird der Black Friday spannend - denn er zeigt erstaunlich klar, warum wir beim Investieren oft ähnlich impulsiv handeln wie beim Shoppen.
Rabattversprechen wie "bis zu 70 Prozent günstiger" erzeugen ein Gefühl von Einzigartigkeit. Und doch ist die Wahrheit ernüchternd: Jedes Jahr zeigen Auswertungen von Preisvergleichsportalen und Verbraucherschützern, dass nur ein kleiner Teil der Black-Friday-Artikel wirklich signifikant reduziert ist. Der durchschnittliche echte Preisvorteil liegt meist nur bei zwei bis fünf Prozent - nicht bei den groß beworbenen 30, 50 oder 70 Prozent. Viele Artikel werden sogar vorher leicht verteuert, um am Black Friday scheinbar drastisch reduziert zu erscheinen. Das heißt nicht, dass es keine echten Schnäppchen gibt. Aber es zeigt, wie stark die Wahrnehmung durch Marketing beeinflusst wird - und wie wenig wir tatsächlich auf Daten schauen.
Warum wir immer wieder darauf reinfallen
Der Black Friday funktioniert nicht nur über Rabatte, sondern über Psychologie. Vier Mechanismen sind besonders entscheidend:
1. FOMO - die Angst, etwas zu verpassen: "Nur heute", "solange der Vorrat reicht" - Zeitdruck führt zu spontanen Entscheidungen.
2. Herdentrieb - wenn alle kaufen, wollen wir auch: Rekordmeldungen und volle Warenkörbe wirken wie ein Magnet. Wir orientieren uns am Verhalten anderer - unabhängig davon, ob es für uns sinnvoll ist.
3. Kurzfristiges Denken: Ein kleiner Sofortvorteil fühlt sich besser an als langfristige Vernunft. Ob wir das Produkt wirklich brauchen, wird schnell nebensächlich.
4. Marketing schlägt Fakten: Ein roter Rabatt-Sticker wirkt überzeugender als ein nüchterner Preisverlauf.
All diese Effekte wirken nicht nur im Konsumverhalten, sondern auch bei der Geldanlage. Und genau das macht das Thema so spannend.
Die Parallelen zur Geldanlage
Die Muster, die uns am Black Friday zu spontanen Käufen verleiten, finden sich nahezu identisch beim Investieren wieder. Steigen die Kurse, fühlen sich viele Anleger bestätigt und kaufen - auch wenn die Preise bereits hoch sind. Fallen die Kurse, wirkt das oft bedrohlich, obwohl günstigere Bewertungen eigentlich eine Gelegenheit darstellen. So entsteht ein Verhalten, das genau entgegengesetzt zu unserem Konsumverhalten ist. Ein reduzierter Fernseher löst Begeisterung aus - eine gefallene Aktie hingegen Skepsis. Der Grund liegt weniger in der Logik als im Bauchgefühl: Konsumgüter wirken vertraut und harmlos, Finanzmärkte dagegen abstrakt und schwerer zu greifen.
Warum uns fallende Kurse schwerfallen
Diese emotionale Verzerrung führt dazu, dass viele Menschen zu spät einsteigen und zu früh aussteigen. Rückgänge fühlen sich wie ein Warnsignal an, obwohl sie langfristig oft die besten Phasen zum Investieren waren. Umgekehrt verleitet eine positive Marktstimmung häufig zu Käufen auf hohem Niveau, weil es sich gut anfühlt, "mit dabei" zu sein. Der Black Friday zeigt, wie widersprüchlich wir mit Preisen umgehen: Was wir im Laden intuitiv begrüßen, empfinden wir an der Börse als Risiko. Genau hier entstehen viele der typischen Anlegerfehler - nicht aus mangelndem Wissen, sondern aus ganz natürlichen Reaktionen.
Was wir daraus lernen können
Black Friday kann damit ein wertvoller Spiegel für unser eigenes Finanzverhalten sein. Wer erkennt, wie stark Emotionen Entscheidungen prägen, kann bewusster handeln - sowohl im Alltag als auch beim Vermögensaufbau. Es lohnt sich, Kaufimpulse zu hinterfragen, nicht jeder Stimmung zu folgen und Rücksetzer nicht reflexartig als Gefahr zu interpretieren. Ebenso hilft es, Konsum und Anlage klar voneinander zu trennen: Ein zusätzlicher Sparplan zum Black Friday kann langfristig mehr bewirken als ein weiterer technischer Gegenstand. Und statt auf den "perfekten Moment" zu warten, bringt regelmäßiges, automatisiertes Investieren oft die besseren Ergebnisse. Ein klarer Plan schlägt kurzfristige Impulse - beim Shoppen wie an der Börse.
Fazit
Der Black Friday ist weit mehr als ein Shoppingereignis. Er zeigt eindrucksvoll, wie wir Menschen ticken - und warum wir uns bei Geldentscheidungen manchmal selbst im Weg stehen. Wer diese Muster erkennt und bewusst gegensteuert, trifft bessere Entscheidungen, baut langfristig stabiler Vermögen auf und lässt sich weniger von Emotionen leiten. So wird aus einem Konsumtag ein wertvoller Denkanstoß für die eigene Finanzstrategie.
von David Bienbeck, Albrech & Cie. Vermögensverwaltung AG in Köln
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