Der Ländercheck - wie steht es um Indien

Die indische Volkswirtschaft hat in den vergangenen Dekaden große Fortschritte gemacht, doch die neuen US-Handelszölle treffen Indien hart. Das Land sucht nach Auswegen, senkt die Mehrwertsteuer und strebt eine Senkung der Zölle an.
Auf lange Sicht machen die indischen Rahmenbedingungen aber weiterhin Mut, denn in Indien wird es günstiger. Als Reaktion auf die neuen Handelszölle der US-Regierung auf indische Produkte senkt Neu-Delhi die Mehrwertsteuer im Land. Butter, Brot, Shampoo und Autos werden für den indischen Konsumenten günstiger, was die Kauflaune steigern soll. Zur Erinnerung: Im August hatten die USA auf indische Einfuhren einen 50-Prozent-Zoll eingeführt, als Reaktion auf Handelsungleichgewichte zwischen beiden Ländern und einem nach wie vor florierenden Handel zwischen Indien und Russland. Russland war im zurückliegenden Jahr für Indien das zweitwichtigste Lieferland - vor allem Rohstoffe wie Öl wurden von Indien kräftig eingekauft.
US-Zölle machen Indien zu schaffen
Unter dem Strich erhofft sich die indische Regierung durch die Steuersenkung Mehrausgaben seitens ihrer Bürger in Höhe von mindestens 20 Milliarden US-Dollar. Dadurch soll einer drohenden Delle des Wachstums - hervorgerufen durch die neuen US-Handelszölle - begegnet werden. Bis zu zwei Prozent könnte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) aufgrund der Zölle schwächer ausfallen, so Berechnungen. Bislang hatte der Internationale Währungsfonds für das laufende Jahr ein BIP-Plus gegenüber dem Vorjahr von knapp über sechs Prozent prognostiziert. Stellt man in Rechnung, dass die Handelszölle etwa zur Jahresmitte eingeführt wurden, rechnet man nun nur noch mit rund fünf Prozent. Spätestens im kommenden Jahr könnte der Zwei-Prozent-Rückgang aber voll durchschlagen. Vor diesem Hintergrund wird die Senkung der Mehrwertsteuer als Wachstumsstimulierung durchaus verständlich.
Indien sucht Kontakt zu den USA
Ob diese Stimulierung am Ende ausreicht, um den Einbruch der Exports indischer Waren in die USA auszugleichen, wird sich erst noch zeigen. Die USA waren zuletzt immerhin der wichtigste Abnehmer indischer Waren - das Exportvolumen belief sich im vergangenen Jahr auf rund 87 Milliarden Dollar, was einen Anteil von etwa 18 Prozent an allen indischen Ausfuhren entspricht. Zum Vergleich: Auf Platz zwei folgten die Vereinigten Arabischen Emirate, mit einem nur halb so hohen Anteil. Das zeigt die Bedeutung der USA für die indische Wirtschaft und die Bedrohungslage durch die US-Zölle. Berechnungen signalisieren, dass durch die Senkung der Mehrwertsteuer das Wachstum unter dem Strich nur um 0,5 Prozent gesteigert werden kann, es bleibt also am Ende möglicherweise im kommenden Jahr ein Rückgang um rund 1,5 Prozent.
Der indische Premier Narendra Modi dürfte daher auch weiterhin den Kontakt zu US-Präsident Donald Trump suchen - nicht nur, aber vor allem, um eine Senkung der US-Handelszölle zu erreichen. Berichten nach trafen sich vor einigen Tagen US-Gesandte und indische Politiker zu Gesprächen über ein Handelsabkommen in der Hauptstadt Neu-Delhi. Auch wenn noch keine konkreten Ergebnisse auf dem Tisch liegen, allein das sich getroffen wird, macht Mut. Abzuwarten bleibt jedoch, ob Indien tatsächliche bereit ist, seinen Handel mit Russland zu reduzieren - und wie US-Präsident Trump reagieren wird, falls Indien die gewünschte Reduzierung ignoriert.
Indien auf dem Weg zu einer Industrienation
Ungeachtet dessen ist festzuhalten, dass Indien seit vielen Jahren eine erfolgreiche Wachstumsnation ist. Und: Mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern und einem Altersdurchschnitt (Median) von etwa 28 Jahren verfügt das Land weiterhin über sehr günstige Voraussetzungen für ein langfristiges Wirtschaftswachstum. Dabei ist ein Teil der jungen Bevölkerung gut ausgebildet. Rund 40 Millionen Studierende sind derzeit in einem tertiären Bildungsgang, also an einer Hochschule oder Fachhochschule, eingeschrieben. Anzahlmäßig liegt das Land damit weltweit hinter China auf Platz zwei. Allerdings hat Indien im Vergleich der Studierendenanzahl zur Gesamtbevölkerung noch Aufholpotenzial. Mit einer Brutto-Immatrikulationsquote, das ist der Anteil eines Schulabschlussjahrgangs, der ein Studium mit hoher Wahrscheinlichkeit aufnimmt, liegt in Indien derzeit bei rund 30 Prozent, Deutschland kommt hier auf einen Wert über 70 Prozent, in den USA liegt er sogar bei fast 90 Prozent.
Und noch ein Faktor unterstützt das langfristige Wachstum: Indien investiert hohe Summen in Infrastruktur und Wirtschaft, weil man in Neu-Delhi alles daransetzt, das Land aus der Gruppe der Emerging Markets in die Riege der Industrienationen zu führen. Bis Mitte des Jahrhunderts will Indien, so das erklärte Ziel des wiedergewählten Regierungschefs Narendra Modi, eine moderne Volkswirtschaft sein, vergleichbar mit den Volkswirtschaften in Europa.
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von Dr. Markus C. Zschaber, Gründer der V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft in Köln, www.zschaber.de
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