Grüne Anleihen als Marketing-Gag

Investitionen in ökologisch nachhaltige Projekte sind im Trend. Green Investments sollen Anlegern Renditen bringen und dabei die Umwelt schützen. Wirtschaftsmedien loben die "Grüne Revolution" und feiern den Investmentmarkt der Zukunft. Für private Anleger ist zuweilen aber kaum nachzuvollziehen, ob sie ihr Geld tatsächlich in nachhaltige Projekte stecken.
Nach einer Studie der Ratingagentur Standard & Poor’s werden im Jahr 2015 weltweit mehr als 100 Milliarden Dollar in grüne Projekte fließen. Wer will, kann sich an nachhaltigen Energieparks, an Aufbereitungsanlagen für Trinkwasser oder an energieeffizienten Bauprojekten beteiligen. Solche projektgebundenen Investments sind für die Anleger in der Regel transparent und überschaubar gestaltet. Investoren sollen konkret nachvollziehen können, wohin ihre Gelder fließen und ob sie tatsächlich für ökologisch nachhaltige Projekte verwendet werden.
Problematisch wird es, wenn sich Green Investments nicht mehr auf einzelne oder wenige konkrete Projekte stützen, sondern nach dem Gießkannenprinzip eine Vielzahl unterschiedlicher Vorhaben fördern. Umweltschützer kritisieren in diesem Zusammenhang immer wieder die sogenannten Öko-Fonds. Nicht selten verspreche allein der Name eine nachhaltige Anlageform. So fanden sich vor wenigen Jahren in den beliebtesten Öko-Fonds unter anderem Aktien des Ölkonzerns British Petroleum (BP), der vor allem durch diverse Umweltkatastrophen (z.B. Ölpest im Golf von Mexiko 2010) immer wieder für Schlagzeilen sorgt.
Verbraucherschützer bemängeln, dass Anleger bei Öko-Fonds oftmals kaum Einblick haben, aus welchen Anleihen sich die Fonds überhaupt zusammensetzen bzw. welche Projekte genau unterstützt werden. Es hält sich der Verdacht, dass die steigende Nachfrage nach sauberen Investments auch Schwarze Schafe anzieht. Dass die Beteiligung an Öko-Fonds von manchen Unternehmen vor allem unter Marketinggesichtspunkten vorangetrieben wird (siehe BP).
Keine konkreten Richtlinien für Grüne Anleihen
Theoretisch darf sich jede Anleihe das Attribut "grün" auf die Fahne schreiben. Gesetzliche Regelungen bezüglich der Namensgebung existieren bis dato nicht. Ebenso gibt es keine rechtlich bindenden Vorschriften, welche Projekte denn tatsächlich als nachhaltige Investments einzustufen sind. Was "grün" ist, bestimmen bei Öko-Fonds und Co. allein die Emittenten.
Eine Interessengemeinschaft aus knapp 100 Banken, Investmentfonds und Unternehmen hat mittlerweile einen Prinzipienkatalog formuliert, der festlegen soll, an welche Grundsätze sich Emittenten von Öko-Fonds halten sollen. So verpflichten sich die Mitglieder der Interessengemeinschaft unter anderem, mindestens einmal jährlich die Anleger über die unterstützten Projekte umfassend zu informieren. Externe Agenturen sollen prüfen, ob sich Emittenten auch tatsächlich an die formulierten Richtlinien halten.
Verbraucher- wie Umweltschützern ist dies zu wenig. Sie sehen in dem Prinzipienkatalog zwar einen wichtigen Schritt hin zu mehr Transparenz. Kritisieren aber, dass keine Kriterien für "Nachhaltigkeit" formuliert werden. Projekte wie der Bau eines Wind- oder Solarparks könnten ebenso als Green Investments verkauft werden wie die (energieeffiziente) Modernisierung eines Kohlekraftwerks. Fehlende juristische Bestimmungen öffneten Tür und Tor, um jedwede Anlageform als sauber, grün oder nachhaltig an die Kundschaft zu verkaufen. Letztlich bleibt es damit in der ökologischen Verantwortung des einzelnen Anlegers, in welchen "grünen" Fonds er sein Geld investiert.
Christian Tiessen ist Managing Director von Savedo (www.savedo.de), dem Online-Marktplatz für europäische Festgelder. In seiner Kolumne äußert er sich u.a. zu Entwicklungen des Zinsniveaus für Sparprodukte sowie zu aktuellen Themen im Bereich FinTech und Banken.
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