Markus Hill-Kolumne Markus Hill

Fondsboutiquen und Family Offices: Hermann Hesse und USA-Ansatz

22.01.18 12:03 Uhr

Fondsboutiquen und Family Offices: Hermann Hesse und USA-Ansatz | finanzen.net

Das Echte, Gute ist nie Mode gewesen, aber es lebt (Hermann Hesse). Fondsboutiquen haben mittlerweile ihren Platz in der Fondsindustrie nachhaltig besetzt.

Unabhängig von aktuellen Positionen in Performance-Hitlisten: Die besondere Qualitäten dieses Unternehmertypus werden von vielen semi-institutionellen und institutionellen Investoren geschätzt. Nicht nur Family Offices und Vermögensverwalter schätzen die besondere Expertise. Was sind typische Kennzeichen von Fondsboutiquen? Warum sollte man als klassischer institutioneller Investor vielleicht verstärkt den fachlichen Dialog suchen?

USA-Ansatz - Qualität und Langfristdenke

a) Unabhängigkeit (U)

Eine konzernunabhängige Position ist ein klassisches Merkmal von Fondsboutiquen. Aufgrund der persönlichen Motivationslage haben gerade viele Gründer im Boutiquenbereich "Großunternehmen" den Rücken gekehrt. Autonomie bei Entscheidungen und die Abkoppelung von reiner Ertragsdenke werden hier oft als Treiber genannt. Mittlerweile haben sich viele Zwischenformen gebildet, der Markt entwickelt sich. Natürlich, es gibt auch die "Boutiquen im Konzern". Wobei man hier oft beobachten kann, dass es auch wieder hier Bewegungen gibt, am Schluss wieder unabhängig in Reinkultur anzustreben. Viele Modelle, viel Wettbewerb ist hier begrüßenswert.

b) Spezialisierung (S)

Viele der unabhängigen Asset Manager zeichnen sich durch einen hohen Spezialisierungsgrad aus. Anlagestile, Asset-Klassen und Investmentansätze und deren "persönliche" Kombination durch den Manager bestimmen die Besonderheit. Mit allen vor und Nachteilen - Treue zum eigenen Stil kann auch das Durchschreiten tiefer Täler bedeuten. Der Value-Manager, der konsequent seiner Sache verbunden bleibt, erinnert hier an den klassischen deutschen Mittelständler ("Hidden Champions"), der in langen Zyklen denkt.

c) Authenzität (A)

Eigentümergeführte Fondsboutiquen tun das, was sie tun, gerne und im Optimalfall auch exzellent. Die Entscheidung zur Unabhängigkeit ist oft vergleichbar mit der Motivation vieler klassischer Startups: Das tun, wovon man überzeugt ist. Diese Überzeugung geht Hand in Hand mit dem Glauben, dass man auch langfristig am Markt bestehen kann, da die eigene Spezialisierung sozusagen einen "Economic Moat" (Value Investing) bzw. ein USP (Wettbewerbsvorteil) bilden. Im Investmentbereich besteht hier die Sondersitutation, dass im liquiden Fondsbereich die "Peitsche der Transparenz" wirkt. Fondsbesitzer haben das tägliche Rückgaberecht bei Fondsanteilen bei Nichtgefallen. Über den Sinn und Unsinn dieser Kurzfristdenke kann man an anderer Stelle ergiebig und tief diskutieren.

Konsequenzen - Family Offices und "Boutiquen-Mäzenatentum"

Visibilität und Kommunikation stehen in engem Zusammenhang mit dem Themen Gedankenaustausch und intellektueller Freude am gemeinsamen "fachlichen Wachsen". Man kann den Playern auf beiden Seiten der Industrie - Produktanbietern und Investoren - immer wieder nur empfehlen, den Kontakt zu suchen. Kontakt bedeutet hier nicht seitens des Produktanbieters: "Schieße mir Fact Sheets in die Mailbox und bombardiere mich danach mit Anrufen". Die wenigsten Menschen, hier Investoren, mögen es, wenn man lediglich als Mittel zum Zweck betrachtet wird. Fondsboutiquen ohne großen Ertragsdruck können sich aufgrund der Spezialisierung als ideale Diskussionspartner für institutionelle Investoren durch Kompetenz empfehlen. Fairerweise kann man den Eindruck gewinnen, dass viele Fondsboutiquen ihre Investoren-Kommunikation ausbauen könnten.

Im Family Office finden die Unabhängigen seit Jahren ein sehr offenes Ohr. Nicht umsonst sind viele dieser Investoren selber beteiligt an der Auflage eigener Fonds oder beim Seeding von neuen Fondskonzepten. Die "Kleinen" finden hier Gehör auf eine sehr konstruktive Weise: Langjährige Expertise wird anerkannt, den Gedankenaustausch wird geschätzt und auch finanziell anerkannt: Angebot und Nachfrage finden auf angenehme Weise zueinander!

Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt. Seine Fachgebiete liegen in Marketing / Vertrieb / PR und in der Managerselektion. Hill beschäftigt sich intensiv mit Private Label Fonds, Fondsboutiquen und dem Einsatz von Publikumsfonds (Fondsselektion) bei Institutionellen.
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