Viele Menschen fürchten Altersarmut
Altersarmut ist in der Gesellschaft ein allgegenwärtiges Thema, denn viele Menschen haben Angst davor, aufgrund von sinkenden Rentenniveaus im Alter nicht genügend Geld für die tägliche Grundversorgung zur Verfügung zu haben. Auch die aktuelle Befragung zur Verbraucherstimmung der Beratungsgesellschaft Ernst & Young zeigt, dass Rentner ihrer Zukunft eher pessimistisch entgegenblicken: So glauben 2020 nur noch acht Prozent der Verbraucher über 65 Jahre an eine persönliche finanzielle und wirtschaftliche Verbesserung ihrer Lage im nächsten Jahr; bei den unter 35-Jährigen sind das noch 46 Prozent.
Einkommensabhängige Armutsrisikoquote steigt
Im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) 2019 eine Studie über die Entwicklung der Altersarmut bis 2036 durchgeführt. Als arm gilt in Deutschland per Definition, wer monatlich weniger als 60 Prozent des Bundesmedianeinkommens verdient. Die Ergebnisse der Studie ergeben, dass das Risiko für Altersarmut über die Zeit immer weiter ansteigt: So hat laut DIW in Zukunft jeder fünfte Rentner Altersarmut zu befürchten; die Armutsrisikoquote wird sich von knapp 16 Prozent (2015-2020) auf etwa 20 Prozent in der ersten Hälfte der 2030er Jahre erhöhen.
IW-Studie berücksichtigt Vermögen von Rentnern
Eine ganz andere Herangehensweise wählt das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in der kürzlich veröffentlichten Studie zur Altersarmut: Bei der Berechnung wurden die Vermögenswerte der Rentner in Annuitäten umgerechnet und mit den Einkommen gleichgesetzt. Denn laut dem IW hängt das finanzielle Wohl der Bürger nicht nur vom eigenen Einkommen ab, sondern auch von dem Vermögen, das sie besitzen. Da dieses im Alter oft deutlich höher ist als das bei der jüngeren Generation, wirken die Senioren laut FAZ oft ärmer, als sie wirklich sind. Die fehlende Betrachtung des Vermögens von Rentnern führt daher nach Angaben des IW oft zu einer Überzeichnung der Armutsgefährdung: Denn in der kombinierten Berechnung fallen nur noch 9,9 Prozent der über 65-Jährigen in die Kategorie der relativ Armen, was ungefähr 1,75 Millionen Rentnern entspricht. Ohne Berücksichtigung des Vermögens lag die berechnete Armutsquote noch bei circa 12,5 Prozent.
Einkommen von Partnern bleibt oft unberücksichtigt
Weiterer Grund für eine Armutsüberzeichnung kann laut Ökonom Maximilian Stockhausen außerdem sein, dass in den zahlreichen veröffentlichten Studien das Einkommen des Lebenspartners außer Acht gelassen wird, wie der Mitgestalter der IW-Vermögensstudie in einem Interview gegenüber dem Informationsdienst des IW erklärt. So kann es sein, dass ein Partner, der beispielsweise für die Kindererziehung zuständig war oder einen Job mit nur geringfügiger Entlohnung ausgeführt hat, trotz der daraus resultierenden geringen Rente keine Armut im Alter befürchten muss. Denn viele Geringverdiener haben Partner, die im Alter genug Einkommen für beide Parteien aufbringen können. Trotzdem fließen die Senioren mit niedriger Rente ohne Armutsrisiko in die Armutsstatistik mit ein.
50 Prozent der Reichen in Deutschland sind Rentner
Insgesamt errechnen die Experten des Instituts der deutschen Wirtschaft daher ein deutlich höheres monatliches Einkommen von Senioren als die bislang veröffentlichten Studien: Laut Angaben der FAZ erhöht sich das monatliche Nettoeinkommen von Rentnern mit der neuen Berechnungsmethode des IW von durchschnittlich 2.066 Euro auf insgesamt 3.574 Euro, was deutlich über dem Wert der jüngeren Generation läge. Dadurch steigt der Anteil der Rentner, die sich per Definition zu den Reichen der Gesellschaft zählen können, enorm. So haben Senioren bei Beschränkung auf die Einkommensbetrachtung nur rund 17 Prozent der Reichen in der Bevölkerung ausgemacht, bei Einbezug des Vermögens laut IW nun sogar knapp 50 Prozent. Als reich gilt in Deutschland per Definition nämlich, wer mehr als das 2,5-fache des Bundesmedianeinkommens verdient.
Kritik an IW-Studie
Doch gibt es auch einige Kritiker der veröffentlichten Studie des Instituts: Diese bemängeln, dass Vermögen nicht als liquide, daher als direkt zugänglich, angenommen werden darf. Stockhausen kann diese Vorwürfe verstehen, betont jedoch, dass die getroffenen Annahmen von einem liquiden Vermögen trotzdem sachdienlich sind: "Es ist durchaus realistisch, dass ein Haushalt Vermögenswerte zumindest teilweise verkauft und das Geld nutzt, wenn er in finanzielle Probleme gerät", erklärt der Ökonom in einem auf dem Presseportal der IW veröffentlichten Interview von August dieses Jahres.
Pauline Breitner / Redaktion finanzen.net
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