Ampel-Regierung: Wer finanziell am meisten profitiert

Geringverdiener können von der Einführung der Kindergrundsicherung und der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro stark profitieren. Wird allerdings der Solidaritätszuschlag ersatzlos gestrichen, könnte sich das Blatt wenden. Eine neue Studie klärt auf.
Kleine und mittlere Einkommen entlasten - mit diesem Versprechen haben SPD, Grüne und FDP 2021 Wahlkampf geführt. Nach Angaben des ZDFs wollten SPD und Grüne dies unter anderem mit einem Spitzensteuersatz und einer Vermögensteuer gegenfinanzieren. Die FDP lehnte eine Vermögensteuer strikt ab und auch der Solidaritätszuschlag sollte nach Meinung der Liberalen komplett wegfallen. Doch was ist nach erfolgreicher Koalitionsverhandlung und Regierungsbildung der drei Ampel-Parteien von diesen Versprechen geblieben?
Die Kindergrundsicherung und der Mindestlohn
Dass von den oben genannten Punkten nichts im Koalitionsvertrag steht, ist dem Kompromiss geschuldet. Was sich allerdings positiv auf Geringverdiener auswirken wird, ist die Steigerung des Mindestlohns und die Einführung einer Kindergrundsicherung. Dies geht aus einer Berechnung des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hervor, die im Auftrag der Süddeutschen Zeitung erstellt wurde. So sollen beide Maßnahmen zu Einkommenszuwächsen bei bis zu zehn Millionen Deutschen führen. Die Einkommensgruppe, die den Mindestlohn bezieht, würde bei einer Steigerung auf 12 Euro die Stunde 700 Euro mehr im Jahr zur Verfügung haben - eine Steigerung von fünf bis sechs Prozent.
Die Kindergrundsicherung hingegen sorgt nicht nur bei Menschen mit kleinen Einkommen für ein Plus in der Haushaltskasse. Nach Angaben des ZEW können Familien mit Einkünften zwischen 30.000 und 80.000 Euro 1.000 bis 1.300 Euro durch das neue Modell erwarten. Demnach soll laut dem Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien die Kindergrundsicherung aus zwei Komponenten bestehen: einem für alle Kinder und Jugendliche gleich hohen einkommensunabhängigen Garantiebetrag und einem vom Elterneinkommen abhängigen gestaffelten Zusatzbetrag. "Haushalte mit einem Jahreseinkommen unter 20.000 Euro profitieren am stärksten von der Politik der Ampelkoalition. Die ungleiche Einkommensverteilung wird durch die Mindestlohnerhöhung und die neue Kindergrundsicherung reduziert", so Prof. Dr. Sebastian Siegloch, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs "Soziale Sicherung" in der Pressemitteilung der Studie.
Gutverdiener würden überstark von dem ersatzlosen Streichen des Solidaritätszuschlags profitieren
Nach Angaben des ZEW wird die Auswirkung der Sozialpolitik der Ampel auf den Staatshaushalt maßgeblich von der Ausgestaltung der Kindergrundsicherung und dem ersatzlosen Streichen des Solidaritätszuschlags abhängig sein. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht eine Zusatzsteuer, die auf die höchsten zehn Prozent der Einkommen erhoben wird, abgemahnt, allerdings würden beim ersatzlosen Wegfall des Solidaritätszuschlags sehr hohe Einkommen stärker entlastet werden als die Mittelschicht. "Anstatt die oberen zehn Prozent überstark zu entlasten, ließe sich der bisherige Solidaritätszuschlag in die Einkommensteuer integrieren, ohne Verteilung oder Steueraufkommen anzutasten", so Siegloch in der Pressemitteilung weiter.
Eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe soll die Einführung der Kindergrundsicherung erarbeiten
Ab wann der Mindestlohn erhöht und die Kindergrundsicherung eingeführt wird, ist noch unklar. In einem Tweet teilte das ZEW mit, dass der Mindestlohn zum Jahreswechsel zunächst planmäßig auf 9,82 Euro ansteigen wird. Bei der Kindergrundsicherung soll laut Koalitionsvertrag von SPD, Grüne und FDP unter Federführung des Bundesministeriums für Frauen, Senioren, Familie und Jugend eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe eingesetzt werden. Die Zeit bis zur tatsächlichen Einführung der Kindergrundsicherung planen die Ampel-Parteien mit einem Sofortzuschlag zu überbrücken. Dieser richtet sich an von Armut betroffene Kinder, die Anspruch auf Leistungen gemäß SGB II, SGB XII oder Kinderzuschlag haben. Zudem sollen von Armut betroffene Alleinerziehende mit einer Steuergutschrift entlastet werden.
Tim Adler / Redaktion finanzen.net
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