Fingro Pflegerente: Innovation mit Schönheitsfehlern
Eierlegende Wollmilchsäue gibt es in der Assekuranz nicht. Wohl aber Produkte mit guten Ideen, etwa die Pflegerente der Fingro AG. Was sie taugt? €uro am Sonntag wiegt ab.
von Erhard Drengemann, Euro am Sonntag
Jürgen Klein ist weitgereist und lebensbejahend. Der 45-jährige Vorstandsvorsitzende der Fingro AG, einem Tochterunternehmen der Gothaer Versicherung, weiß aber auch, dass die Zukunft Änderungen bringen wird: „Die Menschen werden immer älter. Der Anteil der Älteren an der Gesamtbevölkerung nimmt dramatisch zu. Das Risiko, im Alter zum Pflegefall zu werden, steigt.“ Und Klein wäre kein Versicherungsmanager, wenn er nicht gleich auch eine Lösung parat hätte: „Unsere Pflegerente setzt die Benchmark für Pflegeversicherungen in Deutschland“, trommelt er für sein neues Produkt, die Fingro Pflegerente.
Dieses vollmundige Versprechen war Grund genug, die fondsbasierte Versicherung genauer anzusehen. Bei diesem Produktcheck wurden die Stärken und Schwächen des Angebots schnell deutlich. Schnell lässt sich diagnostizieren, dass die Fingro Pflegerente über einige Alleinstellungsmerkmale verfügt, die auf dem Markt sonst von keinem Versicherer angeboten werden. So ist im Gegensatz zu konventionellen Pflegepolicen neben der monatlichen Rentenzahlung auch eine Einmalzahlung in Höhe einer Jahresrente im Pflegefall sowie eine Todesfallleistung vorgesehen. Für ein fondsbasiertes Produkt, das normalerweise auf Garantieelemente verzichten muss, ungewöhnlich. Klein: „Für die Zielgruppe 40 plus, die die Pflegerente für ihre Eltern abschließt, ist das aber ein wichtiges Merkmal. Denn die eingezahlten Beiträge verfallen nicht, wenn kein Pflegefall eintritt, und auch nicht bei vorzeitigem Tod.“
Tritt der Pflegefall ein, dann greift die Rentengarantie. Der vereinbarte Betrag wird auf jeden Fall gezahlt. Sogar mit einem zusätzlichen Sahnehäubchen in Form einer Gewinnrente kann bei dem Fingro-Produkt gerechnet werden. Fingro-Chef Klein erläutert das Prozedere: „Das Fondsvermögen wird im Pflegefall als Einmalbeitrag in eine konventionelle Rentenversicherung umgewandelt und nimmt deshalb auch an der Überschussbeteiligung teil. Diese beträgt aktuell 2,25 Prozent.“ Doch bevor es so weit ist, sind vom Versicherten erst einmal die Kosten zu verdauen, mit denen das Produkt behaftet ist. In den von uns untersuchten Musterfällen fallen bei einem Vertrag mit laufenden Einzahlungen anfängliche Kosten zwischen 28 und 42 Prozent des laufenden Beitrags an (siehe auch Tabelle unten). Das ändert sich während der Laufzeit, wenn sich die Erwartungen an die Fondsperformance erfüllen. Vorstandschef Klein: „Im Wettbewerb mit anderen Fondsprodukten können wir auch bei den Kosten gut bestehen. Vergleichbare Kapitalprodukte sind auf Sicht weit schlechter. Nach fünf Jahren liegen wir mit unserem Fondsprodukt besser als vergleichbare Kapitalprodukte.“
Keine Schnörkel sind auf den ersten Blick im Leistungsfall, sprich Pflegefall, zu sehen. Die vereinbarte Rente gibt es bei ambulanter und bei stationärer Pflege. Umorientieren muss sich der Versicherungsnehmer allerdings bei den Voraussetzungen, um als Pflegefall anerkannt zu werden. Denn hier gelten nicht die Rahmenbedingungen der gesetzlichen Pflegeversicherung – wie sie im Übrigen auch in der Regel bei privaten Pflegeprodukten angewendet werden, sondern die Anerkennung als Pflegefall richtet sich danach, ob eine Person verschiedene Verrichtungen des täglichen Lebens (Activities of Daily Living/ADL) noch eigenständig erbringen kann oder nicht. Dazu gehören beispielsweise das selbstständige An- und Auskleiden, das Einnehmen von Mahlzeiten sowie die Fortbewegung im Zimmer ohne fremde Hilfe. Zur Begründung führt Klein an: „Der Leistungskatalog nach ADL ist internationaler Standard.“
Ein Standard, an den sich deutsche Versicherungsnehmer aber erst noch gewöhnen müssen. Stress ist dann programmiert, wenn der Medizinische Dienst der Krankenkassen oder die vergleichbare Institution der Privaten Krankenversicherer (PKV) eine Pflegestufe attestieren, die aber nach ADL-Standards nicht zu einer Leistung führt – und umgekehrt. Klein: „Die Voraussetzungen des Sozialgesetzbuchs haben keinen Ewigkeitscharakter. Im europäischen Umfeld wird sich der ADL-Katalog als Maßstab durchsetzen.“
Doch bis es so weit ist, wird sich der Vorsorgewillige wohl oder übel mit dem Kleingedruckten in den Versicherungsverträgen auseinandersetzen müssen und vielleicht zu einem Produkt greifen, das seiner Zeit voraus ist, aber noch ein paar Schönheitsfehler hat.